18.01.2023

Bruckneudorf

Von der keltischen Boiersiedlung zur römischen Prunkvilla

Bruckneudorf – Virtueller Blick auf die Villa Murocincta (@ 7reasons Medien GmbH; Datenbasis ÖAW-ÖAI/Stefan Groh, Helga Sedlmayer)

Bruckneudorf (Burgenland, Österreich) ist ein traditioneller Forschungsplatz des Österreichischen Archäologischen Institutes. Die Ergebnisse der langjährigen archäologischen Grabungstätigkeit sowie der großflächigen geophysikalischen Prospektionen des ÖAI werden im Verein mit den bei weitläufigen Denkmalschutzgrabungen gewonnenen Daten nun erstmals zusammenfassend einer breiten Öffentlichkeit in der populärwissenschaftlichen Publikation »Villa – Wagen – Wirtschaftswunder. Römisches Bruckneudorf« vorgestellt.

 

Bruckneudorf – ein bedeutender antiker Siedlungsplatz an Leitha und Bernsteinstraße

Bruckneudorf war bereits in der Antike ein Verkehrsknotenpunkt. In der Region, wo sich heute das Autobahndreieck A4/A6 befindet, baute man im ausgehenden 1. Jahrhundert n. Chr. eine Villa rustica. Der römische Fundus wurde in das traditionelle Gebiet der hier ansässigen Boiergemeinde (civitas Boiorum) implementiert. Die Boier siedelten südlich der Auen des Flusses Leitha in einfachen Grubenhütten geringen Ausmaßes, im Verlauf des 1. Jahrhunderts n. Chr. sodann auch in großflächigeren Umgangshäusern. Die Geschichte der Region ist und war immer von den wichtigen Verkehrswegen bestimmt, seien es die Flüsse Leitha und Donau oder die Straßen. Entscheidend für die antike Prosperität bis zum Kulminationspunkt im 4. Jahrhundert n. Chr. war die verkehrsgünstige Lage am Verlauf der Bernsteinstraße, die von der Adria zur Donau führte. Der Wasserweg der Leitha stellte eine Verbindung zu den erzreichen Voralpen ebenso wie zum Limes her.

Keineswegs provinziell – Überregionale Kontakte seit dem 1. Jahrhundert n. Chr.

Die prunkvoll mit Mosaiken geschmückte spätantike Großvilla von Bruckneudorf entwickelte sich von einem schlichten Bauernhof mit der Zusatzfunktion einer Herberge des 2. Jahrhunderts n. Chr., über einen repräsentativen Agrarbetrieb des frühen 3. Jahrhunderts bis zur villa Murocincta des 4. Jahrhunderts, einem von Ammianus Marcellinus erwähnten Aufenthaltsort der kaiserlichen Familie des Valentinanus I. Diese sehr bewegte Geschichte schlug sich in einem regen kulturellen Austausch zwischen West und Ost nieder, über alle Provinzgrenzen des römischen Imperiums hinweg. Seien es beispielsweise die vom Militär aus Alesia-Alise-Sainte-Reine (Frankreich) über Vindonissa-Windisch (Schweiz) nach Nordwestpannonien gebrachten Schmuckfibeln des 1. Jahrhunderts n. Chr. oder die in Kleinkunst und Bildhauerei beliebten Delphindarstellungen mit der Anspielung auf Venus oder aber die Huldigung des orientalischen Vorbildern folgenden Bellerophonmythos im Mosaikschmuck – die materiellen Hinterlassenschaften aus Bruckneudorf erlauben tiefe Einblicke in die über Jahrhunderte changierenden Kulturkontakte.

Steigerung des Speichervolumens – Neue Erkenntnis zur Funktion des Siedlungsplatzes

Die boische Gemeinde des 1. Jahrhunderts n. Chr. war durch eine augenfällige Vielzahl an Speicherbauten in Holzständerkonstruktion geprägt. Zum einen waren die Grubenhäuser von kleineren Silos flankiert, zum anderen befand sich auch ein großflächiger zentraler Speicher in der Siedlung. Diese Fokussierung auf die Lagerhaltung lässt einerseits darauf schließen, dass die Boier als civitas stipendiaria ihre Abgaben in Naturalien entrichteten. Andererseits ist davon auszugehen, dass sich in der geschützten Lage am Südufer des Flusses Leitha ein militärisch organisierter Sammelplatz der Lebensmittelversorgung für den in Carnuntum ab der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. stetig expandierenden Truppenstandort befand.

Die Funktion als zentraler Speicherort gewann zusätzliche Bedeutung in der Spätantike mit einer in der Region unvergleichlichen Dichte an Lagerhallen. Den Westteil der Großvilla von Bruckneudorf nahmen riesige dreistöckige Speicherbauten (horrea) ein. Im 4. Jahrhundert besaß das Gut eine zentralörtliche Funktion als Logistikzentrum für Getreide und sonstige Nahrungsmittel der gesamten Großregion im Limeshinterland. Mit dem Speichervolumen der Großbauten konnten 60 000 Menschen ein Jahr versorgt werden.

 

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