Zwischen Eigenem und Fremden

Postmoderne Philosophen haben eine in der Tradition virulente Gegenüberstellung von Ironie und Mythos politisch gedeutet und zu einer Kritik an einem verbindlichen Wahrheitsbegriff verallgemeinert. Ziel des Projekts ist es, das Pathos dieser Gegenüberstellung  an linguistischen Konzepten der Ironie und Komik auszunüchtern und für die Analyse experimenteller, nicht-idealistischer Literatur nutzbar zu machen. Dafür greift das Projekt auf Roland Barthes’ Begriff des Alltagsmythos zurück und versucht, seine semiotischen Grundlagen in Hinblick auf Rahmentheorien neu zu formulieren. Ironie und Mythos werden dabei als komplementäre Begriffe entwickelt, und zwar an folgenden vier Fragestellungen, denen jeweils ein ganz bestimmter literarischer Textkorpus als Untersuchungsgegenstand zugeordnet ist:

1) Inwiefern können markierte Rahmensetzungen und - überschreitungen, die in konkreter und experimenteller Literatur auftreten, als Ironiesignal gelesen werden (beantwortet am Beispiel von Texten Rühms, Achleitners, Jandls, Gomringers, Heißenbüttels)?
2) Gibt es Textsorten mit unhinterfragbaren Rahmensetzungen sowie entsprechend eindeutigem Wahrheitsanspruch und Referenz? Beinhalten diese Textsorten ein Ironieverbot und mit welchen erzählerischen Mitteln wird dieses Ironieverbot eingelöst bzw. gebrochen, wenn eine solche Textsorte literarisch-ironisch verwendet wird (beantwortet an Geschichte und Poetik des Lebenslaufs (für die Bewerbungsmappe) und seiner Ironisierungen bei Artmann, Handke, Rühm, Nestroy, R. Walser, Herbeck u.a.)?
3) Welche Funktion hat Ironie bei der Thematisierung des Fremden, die es ja an sich mit der Relativierung kulturell kodierter Rahmensetzungen zu tun hat (beantwortet an der Rezeption Japans in deutschsprachiger Literatur (Haikus, Romane von Reichart, Roth, Muschg) und der These vom „japanischen“ „Ende der Metaphysik“ in postmoderner Philosophie (Heidegger, Barthes))?
4) Führt die postmoderne Betonung des Signifikanten gegenüber dem Konzept „eigentlicher Bedeutung“ alleine schon zur Ironie? Sind entsprechend Motive, die “Schrift“ symbolisieren, per se ironische Motive? (Kräftner, Jandl, Musil)

Publikationen

- Ironische Lebensläufe. In: Oswald Panagl, Walter Weiss (Hg.): Noch einmal: Dichtung und Politik. Vom Text zum politisch-sozialen Kontext, und zurück. Böhlau. Wien 2000. 221–236.

- Die konkrete Form der Ironie: Gebrochene Rahmen. In: Sprachkunst XXXII (2001/1), 93–112.

- Zur Rhetorik deutschsprachiger Haikus. In: Sprachkunst XXXV (2004/2), 303–317.

- Der ironische Tod österreichischer Fliegen. In: Gunther Martens, Clemens Ruthner, Jaak de Vos. (Hg.): Musil anders. Neue Erkundungen eines interdiskursiven Autors. Peter Lang Verlag. Bern 2005. (= Musiliana 11), 111–133.

- Ironie des Fremden: Die Kehrseite des Mythos Japan. In: Martin Kubaczek, Masahiko Tsuchiya (Hg.): Bevorzugt beobachtet. Zum Japanbild in der zeitgenössischen Literatur. Iudicium-Verlag. München 2005. 110–124.

- Anwendungen der Frame-Theorie in der Ästhetik, mit Rahmen, in: Sprachkunst XXXVII (2006/2), 387–394.

- Eine kleine Rhetorik des Schreibens über das Altern. Ironie, Unheimlichkeit und Mitleid. In: Irmgard Bohunovsky Bärnthaler (Hg.): Kunst ist gestaltete Zeit. Über das Altern. Ritter. Klagenfurt, Wien. 2007. 142–164.

- Barthes Mythos im Rahmen konkreter Ironie. Literarische Konstruktionen des Eigenen und Fremden. Wilhelm Fink Verlag. München, Paderborn 2008

- In  Druck: Ironie, Erinnerung und Geschichte, in: András F. Balogh und Helga Mitterbauer (Hg.): Gedächtnis und Erinnerung in Zentraleuropa. Präsens. Wien 2010.

- Zu einer Theorie des Zitats in der Kulturwissenschaft: „Zeigen“, „Sagen“  und einige Fragen, in: Bjoern Tammen, Werner Telesko (Hg.), zitieren – gedenken – erinnern. Präsens Wien 2010.


Information

Projektbearbeiter:
Christoph Leitgeb

Finanzierung:
FWF (Drittmittel)
ÖAW