Projektbeschreibung

Arbeiten zur Archivgeschichte haben gezeigt, wie die Erforschung von Praktiken der Aufzeichnungsführung uns erlaubt, die Gleichsetzung von Wissen mit Macht zu erklären und neue Interpretationsmöglichkeiten ermöglicht, die vergleichende Studien von Reichen ergänzt. Obwohl Russlands Expansion in Asien schon lange ein Thema historischer Untersuchung ist, haben Wissenschaftler erst in letzter Zeit begonnen, über die Verschränkungen zwischen Wissensproduktion und Entscheidungsfindung unter den Zaren zu reflektieren. Dieses Projekt setzt daran an, die Geschichte der Beziehungen Russlands mit Zentralasien mit dem größeren Forschungskontext zu Archivstudien zu verbinden.

Indem man sich auf die konzeptuellen Zugänge stützt, die uns die letzte ‘archivale Wende’ geliefert hat, analysiert das vorliegende Projekt Prozesse der Wissensproduktion im frühmodernen Russland. Anders als die meisten zentralasiatischen Registraturen, die Belege für die frühmodernen diplomatischen Begegnungen mit dem Zarenreich nur begrenzt bewahrt haben, bieten die Archive in Russland reichlich Gelegenheit, dieses Thema zu bearbeiten. Von besonderem Interesse ist der Bestand des Russischen Staatsarchivs für alte Akte (RGADA), das fast die ganze Sammlung des Posol’skij Prikaz aus dem 17. Jahrhundert enthält. Letzteres war die Anlaufstelle für jeden diplomatischen Austausch im vorpetrinischen Russland, und die Institution, in der die ganze diplomatische Korrespondenz gesammelt und aufbewahrt wurde.

An der Wende zum 18. Jahrhundert, unter Peter dem Großen, verlor die diplomatische Sammlung des Posol’kij Prikaz ihre einstige Bedeutung. Das Ergebnis dieser Reorganisation war erheblich, denn es führte zur Entflechtung früherer Expertise zu Zentralasien von den Prozessen der Entscheidungsfindung. Das Nichtwissen im Archiv prägte auch die Weise, in der die Region in politischen Kreisen und in der weiteren öffentlichen Meinung wahrgenommen wurde.

Das Projekt soll zeigen, wie die Aufsicht über das im 17. Jahrhundert produzierte diplomatische Material verschiedene Änderungen durchmachte. Solche Änderungen zeigten sich in der Weise, in der Umsortierungspraktiken mit Diskussionen über den historischen Wert der Sammlung Hand in Hand gingen. Zu diesem Zweck wird das Projekt Aufzeichnungsführungspraktiken innerhalb des Archivs des Außenministeriums in Moskau betrachten und erforschen, wie diplomatische Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts klassifiziert, inventarisiert und wiedererfasst wurden. Das zweite Ziel ist zu betrachten, wie Beziehungen zwischen Archivpraktiken und Wissensproduktion sich in der Zeit entwickelt haben.

Projektleitung

Dr. Paolo Sartori

 

Projektbearbeitung

Dr. Ulfatbek Abdurasulov

 

Projektlaufzeit

06/2022 – 05/2026

 

FINANZIERUNG

FWF – der Wissenschaftsfonds
P35433-G