In einer Untersuchung des ITA wurden die Grundbedingungen für eine Institutionalisierung von Parlamentarischer Technikfolgen-Abschätzung (PTA) sowie Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den TA-Institutionen an verschiedenen Parlamenten in Europa (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden) analysiert.
Zunächst wurden die für die Organisationen verantwortlichen TA-Wissenschafter und Parlamentarier aus den jeweiligen Ländern interviewt. Aufgrund der Ergebnisse und der Literatur zum Thema wurde ein vorläufiger Bericht gestaltet und einige Thesen aufgestellt, die auf einem internationalen Workshop in Wien u.a. mit den ursprünglichen Interviewpartnern und Abgeordneten von vier Parlamentsparteien diskutiert wurden.
Es zeigte sich, daß trotz grundlegend anderer Ausrichtung der Organisationen viele Ziele zumindest ähnlich sind - die verschiedenen Wege dorthin unterscheiden sich aber und schließen sich zum Teil gegenseitig aus. Dennoch erscheint die Etablierung einer dem jeweiligen politischen System angepaßten Form der parlamentarischen TA als "state of the art" für ein modernes europäisches Parlament und nicht als bloße Modeerscheinung (inzwischen hat auch Belgien eine derartige Einrichtung - trotz der hochkomplizierten politischen Machtverhältnisse zwischen Regionen und Volksgruppen).
Es zeigte sich aber, daß jede der untersuchten Organisationen eine gewisse Anlaufzeit brauchte - meist einige Jahre, bis die optimale Form gefunden wurde, die aber laufend den sich ändernden Gegebenheiten des politischen Lebens angepaßt werden muß. Diese Anlaufschwierigkeiten ergaben sich nicht zuletzt durch unterschiedliche Auffassungen, was PTA ist und welche Aufgaben zu erfüllen sind. Vor der Diskussion um mögliche Institutionalisierungsformen in Ländern, die sich für eine derartige Form der Aufwertung des Parlamentes und des angemessenen Umgangs mit technologiepolitischen Fragen interessieren, müssen daher klare Vorstellungen und weitgehende Einigkeit über den Platz im politischen System, den PTA einnehmen soll, und daher über deren Aufgaben herrschen, sollen schwerwiegende Friktionsverluste, die das gesamte "Projekt PTA" zu Fall bringen können, vermieden oder zumindest die Anfangsschwierigkeiten auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Seit ihren Anfängen war eines der Hauptanliegen von Technikfolgen- Abschätzung, einen Beitrag zu leisten, das Informationsdefizit der Legis- lative gegenüber der Exekutive zu verkleinern. Seit einiger Zeit erlebt die Technikfolgen-Abschätzung in Europa einen Aufschwung, der in dieser Dimension kaum absehbar war. Der größte Teil der Aktivitäten findet sich allerdings im wissenschaftlichen Bereich, finanziert von der Verwaltung – ein Beitrag zum Ungleichgewicht. An etlichen europäischen Parlamenten gibt es aber Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, PTA, also Technikfolgen- Abschätzung für das oder mit dem Parlament zu betreiben. Wie das jeweilige Parlament damit umgeht, welche Besonderheiten die einzelnen Einrichtungen aufweisen, in welchem Zusammenhang diese mit der Struktur des parlamentarischen und allgemein politischen Systems stehen, war Gegenstand eines Forschungsprojekts des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissen- schaften. Anstoß hierzu gaben einerseits der erste Versuch einer parla- mentarischen Technikfolgen-Abschätzung im österreichischen Parlament und der zaghafte Beginn einer Diskussion über eine möglich Institutio- nalisierung von PTA in Österreich. Andererseits läßt sich die Tendenz feststellen, daß PTA immer mehr zu einer internationalen Angelegenheit wird, eine Entwicklung, die etwa zur Gründung des European Parliamen- tary Technology Assessment Networks (EPTA) führte.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ein internationales Symposion mit Vertretern der bestehenden nationalen PTA-Einrichtungen und Parlamentariern durchgeführt, die Mitglieder der jeweiligen Leitungs- ausschüsse sind. Die Einzelbeiträge dieses Bandes stützen sich weitgehend auf die zu diesem Anlaß vorgetragenen Referate. Die unterschiedlichen Sichtweisen derer, die PTA betreiben, und ihrer Klienten, den Politikern, erzeugen ein plastisches Bild der europäischen Szene. In einem abschließenden Analyseteil wird versucht, anhand der Untersuchungen über die politischen Rahmenbedingungen und der Vergleiche der Selbst- darstellungen zu Schlußfolgerungen zu gelangen, wie PTA in Europa funktioniert, was sie leisten kann und welche Bedingungen hierfür notwendig sind. Wir hoffen, die Diskussion um die Rolle von TA im Parlament um einige interessante Aspekte bereichert zu haben.
12/1992 - 12/1993