12.09.2022

In memoriam Stefan Donecker (1977–2022)

Unser Kollege und Freund Stefan Donecker ist am 1. September 2022 nach langer, schwerer Krankheit verstorben. In wenigen Wochen hätte er seinen 45. Geburtstag gefeiert. Stefan war seit 2012 Mitarbeiter am Institut für Mittelalterforschung und etwa 10 Jahre länger war er uns allen, insbesondere der Abteilung Historische Identitätsforschung, freundschaftlich verbunden.

Stefan wurde am 1. November 1977 in München geboren. Von 1987–1995 besuchte er das Bundesgymnasium Wien IX, Wasagasse. 1995 bis 2003 folgte das Studium der Geschichte und Skandinavistik an den Universitäten Wien und Umeå. 2003 erlangte er das Magisterium mit Auszeichnung, seine Diplomarbeit verfasste er zur Konstruktion nationaler Identität in Schweden. Ab 2005 war Stefan Dissertant am Europäischen Hochschulinstitut (EUI) in Florenz, wo er 2010 zum Thema Frühneuzeitliche Hypothesen zu Herkunft und Ursprung der „undeutschen“ Livländer promovierte.

Nach Stationen in Greifswald und Konstanz kam Stefan 2012 ans Institut für Mittelalterforschung, zunächst mit seinem Marie-Curie Projekt Die ‚germanische Völkerwanderung‘ im Geschichtsdenken der Frühen Neuzeit. Ursprünge und Entwicklung einer Meistererzählung des deutschen Nationalismus, 1500 –1830. Daneben und danach wirkte er an den Großprojekten des Instituts mit, wie etwa ab 2015 in Walter Pohls ERC Projekt SCIRE. Im Jahr 2018 startete er sein vom Innovationsfonds der ÖAW gefördertes Forschungsprojekt Ideas of Migration: Migration as an Artefact of Scholarly Thought, dessen Abschluss er 2021, schon von der Krankheit gezeichnet, noch gut mitbegleiten konnte.

Seine Forschungsgebiete waren die Geistes- und Gelehrtengeschichte der Frühen Neuzeit, nationale und prä-nationale Identitätsbildung, Nord- und Nordosteuropa (Skandinavien und der Ostseeraum) während der Frühen Neuzeit und die Konstruktion und kulturelle Wahrnehmung von „Nördlichkeit“. Letzteres hat ihn auch in Hinblick auf übernatürliche Phänomene (Hexerei, Werwölfe) interessiert ebenso wie er sich mit der Darstellung und der Faszination des Mittelalters in modernen Medien (wie etwa mittelalterliche Herrschergenealogie in der Serie „Game of Thrones“) beschäftigt hat. Zu allen diesen Themen hat Stefan wesentliche, ja richtungsweisende Beiträge zur Erweiterung unseres Wissens geleistet – und es dabei geschafft, sein Publikum zusätzlich auch zu fesseln und zu unterhalten.

Stefan war Forscher und Historiker mit Leib und Seele und zugleich war er ein engagierter und inspirierender Hochschullehrer. Er war neben seiner langjährigen Lehrtätigkeit an der Universität Wien (seit 2007), Universität Innsbruck und in Deutschland, auch in einer Reihe von Gesellschaften aktiv, wie etwa der Österreichisch-Estnischen Gesellschaft, deren Sekretär er war.

Abgesehen von seinen hervorragenden Leistungen in Wissenschaft und Lehre, war Stefan durch seine freundliche und fröhliche Persönlichkeit eine Bereicherung für das Institut für Mittelalterforschung – und weit darüber hinaus, wohl für alle, die das Glück und Privileg hatten, ihn besser kennenlernen zu dürfen.

Wir mussten nun schon die letzten zwei Jahre langsam Abschied nehmen von unserem wunderbaren Kollegen, guten Freund und einem brillanten Historiker, was sicherlich niemandem von uns leichtgefallen ist. Er wird uns fehlen! Dennoch dürfen wir auch dankbar sein, ein Stück des Weges beruflich, aber in vielen Fällen auch privat mit Stefan gemeinsam gegangen zu sein und in jeder Hinsicht überaus viel Gutes mitgenommen zu haben.


Nachruf von Roland Steinacher, Universität Innsbruck

Publikationen

Blog über Werwölfe

HI Research Blog

‘Biblical Topoi and the Shaping of Ethnic Categories in the Chronicle of Henry of Livonia’ in Historiography and Identity V: The Emergence of New Peoples and Polities in Europe, 1000–1300, ed. by Walter Pohl, Veronika Wieser, Francesco Borri, Celama 31 (Turnhout: Brepols, forthcoming 2022), mit Peter Fraundorfer


im Namen der Mitarbeiter*innen des IMAFO, Clemens Gantner und Veronika Wieser