Das Projekt ist mit 10 Millionen Euro dotiert und wird 6 Jahre dauern. Koordiniert wird es von Walter Pohl, Professor an der Universität Wien und Direktor des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Im Wiener Team beteiligt sind auch der Archäologe Falko Daim sowie die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums. Drei führende ausländische Forscher leiten weitere Teams: der Genetiker Johannes Krause am Max-Planck-Institut in Jena, der Historiker Patrick Geary am Institute for Advanced Study in Princeton und der Archäologe Tivadar Vida an der Universität Budapest.
Das Projekt erschließt eine neue Dimension in der genetischen Analyse alter DNA und der historischen Deutung der Ergebnisse. Die Archäogenetik hat in den letzten Jahren spektakuläre Fortschritte gemacht, von der Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms bis zum Nachweis neolithischer Wanderungen nach Europa. Nun ist es erstmals möglich, die genetisch bereits außerordentlich einheitliche Bevölkerung historischer Epochen in Europa zu analysieren. Das HistoGenes-Projekt dringt dabei in ganz neue Größenordnungen vor und wird 6000 Individuen aus dem 5.-9. Jahrhundert n. Chr. in Ostmitteleuropa analysieren. Dazu kommen eine Reihe weiterer hochentwickelter naturwissenschaftlicher Verfahren: Isotopenanalyse hilft Zuwanderer zu erkennen, physische Anthropologie gibt Auskunft über Ernährung, körperliche Arbeit und Kampfverletzungen, Sedimentuntersuchung kann klimatische Bedingungen belegen, und Krankheitskeime sollen genetisch nachgewiesen werden. Neuartig ist auch, dass Historiker/innen direkt in die Deutung der Befunde eingebunden sind, sodass eine kritische historische Auswertung auf neuestem Forschungsstand stattfinden kann. Mit den Projektergebnissen wird es erstmals möglich sein, die vielfältigen Migrationen während der ‚Völkerwanderungszeit‘ nachzuvollziehen. Woher kamen die vielen Völker, die in den Schriftquellen genannt sind? Wie weit haben sie sich vermischt? Entsprechen die genetischen Unterschiede kulturellen Differenzen? Und wie waren die lokalen Gemeinschaften aufgebaut, in denen die Menschen lebten? Dadurch entsteht ein ganz neues Gesamtbild der Lebensverhältnisse vor 1500 Jahren.
Anlässlich des ersten Teamtreffens wurde das Projekt im Februar 2020 auch einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt . Die vier ‚Principal Investigators‘ und weitere Senior Researchers präsentierten dabei ihre Projektteile und berichteten über den Stand der interdisziplinären Erforschung der europäischen Frühgeschichte.
Programm:
Begrüßung: | Sektionschefin Mag.a Barbara Weitgruber M.A. (Chicago), Wissenschaftliche Forschung und internationale Angelegenheiten, BMBWF em. o. Univ.-Prof. Dr. Sigrid Jalkotzy-Deger, Ehem. Präsidentin der phil.-hist. Klasse, ÖAW Dr. Lucas Zinner, Leiter des Forschungsservices der Universität Wien Generaldirektor Univ.-Prof. Dr. Christian Köberl, Naturhistorisches Museum Wien |
Walter Pohl | Die Ziele des Projektes |
Johannes Krause | Die Bedeutung archäogenetischer Methoden für die Frühgeschichte |
Tivadar Vida | Die frühgeschichtliche Archäologie des Karpatenbeckens |
Patrick J. Geary | Problems of historical interpretation of scientific data |
Falko Daim | Probleme der historischen Interpretation archäologischer Funde |
Margit Berner | Der Beitrag der Anthropologie |
Corina Knipper | Erkenntnismöglichkeiten der Isotopen- und 14C-Analyse |
Krishna Veeramah | Methods of Population Genetics |
Adam Izdebski | The state of paleoclimate research on Eastern Central Europe |