02.03.2023

Forscherinnen und Forscher der Fachbereiche Hören, Numerik und Mathematik an der DAGA 2023

Die DAGA, die grösste Akustiktagung im deutschsprachigen Raum, findet heuer in Hamburg statt

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ISF an der DAGA 2023, © ÖAW, ISF

Die 49. Jahrestagung für Akustik namens DAGA 2023, organisiert von der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA), findet heuer vom 6. bis 9. März in Hamburg statt. Die DAGA ist die größte Veranstaltung dieser Art im deutschsprachigen Raum. Vor zwei Jahren fand diese Tagung in Wien statt und das Institut für Schallforschung der ÖAW hat als Gastgeberin und Tagungsleitung die Veranstaltung mitorganisiert.

Dieses Jahr nehmen rund sechzehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Schallforschung (ISF) an der DAGA 2023 teil. Die Kolleginnen und Kollegen stellen aktuelle Ergebnisse aus ihren Fachbereichen vor. Traditionell bietet die DAGA auch jungen Forscherinnen und Forschern eine wichtige Plattform ihre Wissenschaft vorzustellen, sei es in Vorträgen oder in Postersitzungen. So beteiligen sich auch dieses Jahr eine Reihe von Doktorandinnen und Doktoranden des ISF an dieser Veranstaltung und nutzen die Möglichkeit sich international zu vernetzen.

Fachbereich Hören

Zehn Forscherinnen und Forscher des Fachbereichs Hören werden als Erstautoren ihre Recherchen zu Projekten des Instituts vorstellen.

Bernhard Laback, Leiter des Fachbereichs, präsentiert brandneue Ergebnisse aus einer Studie zum Einfluss des Kontexts, also des zuvor Gehörten, auf die Lokalisation von Schallquellen (Projekt ConLoc). Dass der Kontext die Lokalisation beeinflusst, ist bereits bekannt. In der aktuellen Studie steht die Frage im Vordergrund, welche akustischen Merkmale hier eine Rolle spielen und ob der Effekt mit der gängigen Auffassung des Hörverarbeitung erklärt werden kann. Der Beitrag wurde zusammen mit Jonas Schültke verfasst.

Im Beitrag von Martin Lindenbeck „Pitch-Cue Plasticity in Cochlear-Implant Listeners“ geht es darum, welche Art von Information über die Tonhöhe Cochleaimplantierten mit wohl kontrollierten Signalen zur Verfügung steht, welche Art sie „by default“ verwenden, ob man diese Verwendung durch Feedback verändern kann, wie sich das relativ zu Normalhörenden verhält, und inwiefern das mit der Art der Stimulation zusammenhängt (Projekt MusiCI)

Ebenso mit Cochleaimplantaten beschäftigt sich Marie-Luise Augsten, Doktorandin an der Universität Wien im Bereich Kognitionspsychologie und Gastforscherin am ISF. Sie präsentiert einen Beitrag über die Wahrnehmung von musikalischen Harmonien bei Menschen mit Cochleaimplantaten (Projekt MusiCI).

Robert Baumgartner hält einen Vortrag über "Perceptual decision making in spatially dynamic auditory scenes.” Es geht also darum wie das Gehirn Wahrnehmungsentscheidungen trifft, wenn es mit sich räumlich stets veränderbaren Schallquellen konfrontiert wird. In komplexen Alltagsumgebungen wie beispielsweise turbulentem Stadtverkehr ist diese Fähigkeit besonders wichtig (Dynamates Projekt).

Fabian Dorok, studentischer Mitarbeiter, stellt ein Poster zu seiner Masterarbeit über den Zusammenhang von Pupillendurchmesser als Maß des Erregungsniveaus und räumlicher Lokalisierung in dynamischen Umgebungen vor. Sein Beitrag wurde mit dem DEGA Student Grant ausgezeichnet und die Studie wurde wie obiger Beitrag im Rahmen des Projekts Dynamates durchgeführt.

Tobias Greif, Doktorand, stellt ein Poster zur Positionsabhängigkeit einer räumlichen Verzerrung in der Hörwahrnehmung vor: sich annähernde Schallereignisse sind besonders salient, wenn sie von hinten kommen. Diese EEG-Studie wurde ebenfalls mit dem DEGA Student Grant ausgezeichnet und ist Teil des Born2Hear Projekts.

Piotr Majdak, Vizedirektor, nimmt an Sitzungen der DAGA Fachbereichen Hörakustik sowie Virtuelle Akustik teil, und präsentiert die neusten Weiterentwicklungen von SOFA, dem Format zur Darstellung räumlicher akustischer Informationen wie zum Beispiel Raumimpulsantworten oder head-related transfer functions (HRTFs).

Kathi Pollack, Doktorandin, präsentiert einen Beitrag über die Verbesserung von Rekonstruktion und Modellierung von Außenohrgeometrien in der Session "Perceptual Optimization of Dynamic Binaural Rendering" (Ergebnisse aus dem Projekt softpinna: non-rigid registration fort he calculation of HRTFs). Dabei fasst sie ihre bisherigen Forschungsergebnisse und den aktuellen Stand ihrer Dissertation zusammen.

Florian Pausch präsentiert ein Konzept, das es erlaubt die Parameter eines am Institut entwickelten parametrischen Pinnamodells über ein faltendes neuronales Netzwerk aus Fotos zu schätzen. Die Ergebnisse wurden gemeinsam mit Felix Perfler, Nicki Holighaus und Piotr Majdak im Rahmen des Projekts SONICOM erarbeitet.

Felix Perfler gibt in einer Posterpräsentation einen Überblick über die Methodik, die er in seiner Doktorarbeit anzuwenden plant, um folgende Fragen zu beantworten: “Kann das parametrische Pinna Modell (PPM) alle nicht pathologischen menschlichen Ohren abbilden, oder nur ein Subset, und wenn ja welche Parameterbereiche ergeben sich dabei?” und “Kann ein Algorithmus zur automatisierten Schätzung der PPM Parameter gefunden werden?”.

Fachbereich Numerik

Die Wissenschaftler des Fachbereichs Numerik werden vier Vorträge an der diesjährigen DAGA halten. Drei Vorträge widmen sich Ergebnissen aus dem institutseigenen Projekt LION – Lokalisierung und Identifikation sich bewegender Schallquellen.

Holger Waubke, Leiter des Fachbereichs, wird über Akustische Holographie für eine bewegte Quelle sprechen (Projekt LION). Die Lokalisation von Schallquellen an bewegten Fahrzeugen ist ein häufiges Problem für die Beam Forming Methode und die akustische Holographie. Die Bewegung des Fahrzeugs führt zu einer Verschiebung im Wellenzahl-Frequenz Raum. Die Methode soll hier auf Zugsvorbeifahrten mit bekannter und konstanter Geschwindigkeit angewendet werden. Kritisch ist die geringe Anzahl an Mikrophonen und die Instationarität, welche es nicht erlaubt Spektralleistungsdichten aus mehreren Zeitfenstern zu schätzen. Die Holographie ermittelt die Druckverteilung vor dem Fahrzeug ohne die Annahme von Mono- oder Multipolen, die üblicherweise bei der Beam Forming Methode angesetzt werden.

Christian Kaseß organisiert gemeinsam mit Holger Waubke, Martin Ochmann und Henri Siller die strukturierte Sitzung "Bewegte akustische Quellen in einem Medium mit und ohne Strömung", wo er auch einen Vortrag über die Effizienz von Berechnungsmethoden des Schallfeldes bewegter Schallquellen hält (Projekt LION).

Prateek Soni wird in dieser Sitzung über eine Methode zur Bestimmung von Schallquellen an bewegten Objekten sprechen (Projekt LION).

Wolfgang Kreuzer präsentiert einen Beitrag über Möglichkeiten, den Fehler von numerischen Berechnungen mittels Randelementemethoden abzuschätzen. Mit Hilfe von guten Fehlerschätzer, ist es möglich, numerische Berechnungen gezielt und automatisch an ein Problem anzupassen, um (nur) dort die Genauigkeit zu ändern, wo es notwendig ist.

Fachbereich Mathematik

Die Forschung am Institut für Schallforschung im Bereich der Mathematik und Signalverarbeitung beschäftigt sich mit Darstellungen von Schallsignalen, um gleichzeitig die Tonhöhe und den Zeitpunkt zu sehen - vergleichbar mit einem Notenblatt. Die Forschung am ISF untersucht wie solche Zeit-Frequenzdarstellunge (1) mit möglichst großer Freiheit bei der Wahl der Parameter gefunden werden kann. Zum Beispiel konnten der Fachbereich Mathematik eine Darstellung (2) finden, die möglichst nahe am menschlichen Hören ist.

Mel-Spektrogramme werden derzeit insbesondere im Bereich des maschinellen Lernens allgegenwärtig als Zeit-Frequenzdarstellung mit Bezug zur Hörwahrnehmung verwendet.

Peter Balazs, Direktor des Instituts, schlägt in seinem Beitrag (Peter Balazs, Nicki Holighaus und Clara Hollomey:“ A robust alternative to mel spectrograms based on invertible AUDlet coeffcients“) vor, stattdessen eine Darstellung basierend auf den sogenannten AUDlet-Filterbänken zu betrachten, die am ISF entwickelt wurden. Damit gewinnt der Benutzer sehr viele Freiheiten und kann etwa die gewünschte Menge an Datenreduktion passend für eine bestimmte Anwendung frei steuern, oder sogar direkt aus der Darstellung wieder ein Schallsignal generieren.

Die Vorträge unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der DAGA 2023 sind auf der ISF website hier abrufbar.

(1)  Balazs, P.; Holighaus, N.; Necciari, T.; Stoeva, D. T. (2017) Frame Theory for Signal Prcoessing in Psychoacoustics. In: Balan, R.; Benedetto, J. J.; Czaja, W.; Dellatorre, M.; Okoudjou, K. A. (Hrsg.), Excursions in Harmonic Analysis Vol. 5. The February Fourier Talks at the Norbert Wiener Center; Basel: Springer, S. 225-268. Link zum Artikel

(2) Necciari, T, Holighaus, N.; Balazs, P.; Pruša, Z.; Majdak, P.; Derrien, O. (2018) Audlet Filter Banks: A Versatile Analysis/Synthesis Framework using Auditory Frequency Scales. Applied Sciences, Bd. 8, S. 96-117. Link zum Artikel