Aufgaben


Das Institut für Mittelalterforschung (IMAFO) verbindet zwei Forschungsstrategien:

Erstens dient eine Vielzahl von Projekten der Erschließung und Aufbereitung des mittelalterlichen Erbes in Byzanz und Europa. Zu diesem Zweck werden Originalquellen im Druck oder elektronisch zugänglich gemacht und durch Lexika, Handbücher und Inhaltsangaben erschlossen. Historisch-philologische Quellenforschung bildet die Grundlage für themenorientierte Fragestellungen, zunehmend unter Einsatz von digitalen Methoden.

Die zweite Forschungsstrategie ist die Behandlung aktueller Probleme der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage nach der Entwicklung ethnischer, politischer und religiöser Identitäten im mittelalterlichen Europa aus globaler Perspektive.

Wozu Mittelalterforschung?

Gerade das Mittelalter ist eine Zeit, über die wir bei weitem noch nicht alles wissen, was zu wissen ist. Manches wird sich wohl nie aus den lückenhaften Quellen der Zeit vor etlichen hundert Jahren herauslesen lassen. Doch viele Quellen sind noch nie bearbeitet worden, andere nur mit sehr eingeschränkten Fragestellungen. Die zahlreichen Varianten mittelalterlicher Handschriften, die vielen tausend unbenutzten Urkunden des Spätmittelalters oder die unbeachtet zerbröckelnden alten Inschriften gehören dazu. Zuweilen lässt sich daraus selbst über die gut erforschten großen Ereignisse der Geschichte noch Neues herausfinden. Diese Texte und Überreste enthalten reiches Material über viele Aspekte menschlichen Lebens der Vergangenheit. Die Vergangenheit kann uns auch helfen, die Gegenwart besser zu verstehen. Wir wissen noch immer viel zu wenig darüber, was soziale Gemeinschaften zusammenhält und wie sie sich verändern.

,Dunkles‘ Mittelalter?

Mittelalterliche Grundlagen der modernen Welt

In der Öffentlichkeit gilt das Mittelalter oft als Gegenbild zur aufgeklärten Moderne: dunkle Jahrhunderte, in denen Armut, Unwissen, Aberglauben, Blutrache, Folter und Hexenverfolgung herrschten. Zum Teil wird das Mittelalter auch als Epoche der Genügsamkeit verklärt, in der jeder in einer überschaubaren Gesellschaft seinen Platz hatte und mit deren Helden man sich gerne identifiziert. Mittelalter-Fantasien von König Artus bis zu den Nibelungen, von den Geheimnissen der Templer bis zum Herrn der Ringe finden ein begeistertes Publikum. Alle diese Mittelalter-Bilder basieren mehr auf Vorurteilen als auf Wissen. Doch zugleich zeigen sie, was den Reiz am Mittelalter ausmacht: Es ist eine Zeit, die uns seltsam vertraut und zugleich fremd ist. Mittelalterliche Kirchen, Burgen, Stadtviertel prägen noch heute vielerorts die Landschaft. Andererseits wirken Kampf- und Wirtschaftsweise, Standesprivilegien und Sozialordnung, religiöser Fanatismus und bewaffnete Selbsthilfe altertümlich.