Alexander BOGNER
Die ethische Rahmung von Fragen der Forschungs- und Technologiepolitik beinhaltet für politisches Handeln und Entscheiden eine besondere Problemstruktur. Die Politik steht nicht nur vor der (gewohnten) Frage, wie unterschiedliche Interessen realisiert, abgewogen oder auch gedämpft werden sollen und wie zwischen divergierenden Wissensbeständen und Risiko-Kalkulationen vermittelt werden soll. Hierzu kommt, dass über die Zulässigkeit moderner biomedizinischer Forschungsverfahren unter Bedingungen normativer Unsicherheit entschieden werden muss. Es besteht gegenwärtig kein übergreifender gesellschaftlicher Konsens darüber, was wir wissen wollen und was wir (nicht) tun sollen. Dies stellt die Entscheidungsträger in Parlament und Regierung vor spezifische Probleme. Welches politische Handeln kann angesichts der normativen Unsicherheit gegenüber der Öffentlichkeit als gerechtfertigt präsentiert werden? Welche Entscheidungen werden als legitim akzeptiert?
Mit der Institutionalisierung von Ethik-Expertise in Form multidisziplinär zusammengesetzter Ethikräte reagiert die Politik auf die Notwendigkeit, forschungs- und technologiepolitische Entscheidungen durch wissenschaftliche Expertise zu informieren und zu legitimieren. Gerade in Konflikten, in denen über Moral und Werte gestritten wird, treten heute Expertengremien in den Vordergrund, in denen Expertise zwischen Vertretern unterschiedlicher Weltanschauungen und Disziplinen ausgehandelt werden muss. Mittlerweile tritt Technikbewertung eher durch die Empfehlungen und Stellungnahmen von Ethikräten öffentlich in Erscheinung und nicht so sehr durch Berichte und Gutachten einzelner wissenschaftlicher Institutionen. Aufgrund des für Wertkonflikte spezifischen Anspruchs an Expertise (Abbildung des gesellschaftlichen Pluralismus, interdisziplinäres Arbeiten) empfehlen sich Ethikräte im Besonderen als Forschungsobjekte für Untersuchung von Inter- bzw. Transdisziplinärität in der Praxis.
Zum einen stellt sich die Frage nach den Machteffekten interdisziplinären Zusammenwirkens. Dabei geht es konkret um die Durchsetzung von Geltungsansprüchen verschiedener Disziplinen sowie differierender Problem-Framings. Welche Disziplin behauptet, welche Fragen beantworten zu können? Welche Disziplin kann in welchem Bereich erfolgreich Expertenstatus behaupten? Welche Problem-Framings etablieren sich in der Diskussion bzw. konkurrieren um Deutungshoheit?
Auf einer zweiten Ebene stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Experten- und Laienwissen. Alle in einer Ethikkommission anwesenden Experten sind in fast allen anderen Bereichen immer zugleich auch Laien. In dieser Hinsicht sind Ethikkommissionen immer auch Experimente „transdisziplinären“ Arbeitens. Die Frage ist, was daraus folgt. Wer ist wo Laie und kann daher nur auf einer anderen Ebene diskutieren? Welche Disziplin kann mit dem Anspruch legitimer Kritik an anderen disziplinären Diskursen auftreten? Ergibt sich aus der Tatsache des „Laienstatus“ ein bestimmter Professionalisierungsdruck (z.B. in Sachen Ethik), der auf die Hegemonie einer bestimmten Disziplin verweist? In Bezug auf die politischen Empfehlungen von Ethikräten stellt sich letztlich natürlich auch die Frage, ob die einzelnen inhaltlichen Positionen durch Disziplinen determiniert sind.
In dem Beitrag werden diese Aspekte von Inter- und Transdisziplinarität in Expertengremien anhand empirischer Untersuchungen von nationalen Ethikräten in Österreich und Deutschland behandelt.
Alfons BORA
Inter- und Transdisziplinarität, die das Tagungsthema der diesjährigen TA-Konferenz bilden, sind nicht nur zentrale Eigenschaften für Technikfolgenabschätzung und -bewertung, sondern prägen die Beschreibung der modernen Wissenschaft überhaupt und zwar ihrer Selbstbeschreibung wie derjenigen externer Beobachter. Der Vortrag nähert sich deshalb dem Tagungsthema über eine Betrachtung der Wissenschaft allgemein. Dabei wird nicht gefragt, ob und inwieweit der erwähnten Beschreibung der Wissenschaft eine wie immer geartete Realität des Wissenschaftssystems entspricht – manche Fakten wie etwa die Auflösung alter Fakultätsstrukturen und die Entstehung neuer, hybrider Lehr- und Forschungsgebiete an den Universitäten sprechen dafür, andere wie das Festhalten an tradierten Reputations-mechanismen scheinen dagegen zu sprechen. Vielmehr geht es zunächst nur um die semantische Dimension, um die Deutungsmuster der Inter- und Transdisiziplinarität. Was bezeichnen sie jeweils? Wogegen grenzen sie sich ab? Worin kann ihre spezifische Leistungsfähigkeit für die Wissenschaft bestehen? Vor dem Hintergrund eines kurzen historischen Rückblicks will ich mit Blick auf die gegenwärtige Wissenschaft die These entwickeln und in aller Knappheit begründen, daß wir in den beiden Fällen der Inter- und Transdisziplinarität die Kommunikation der Einheit einer Differenz beobachten, im einen Fall einer innerwissenschaftlichen Differenz und im anderen der zwischen Wissenschaft und ihrer Umwelt. Wenn eine solche voraussetzungsreiche und paradoxieverdächtige Kommunikationsfigur ein gelingendes Deutungsmuster wissenschaftlichen Handelns abgeben soll – und dass dafür Bedarf besteht, soll nicht bestritten werden – erfordert sie ein hohes Maß an wissenschaftlicher Selbstreflexion im Inneren und eine spezifische Form der Professionalisierung nach außen. Technology Assessment hat deshalb, so kann man folgern, allen Anlaß, sich selbstreflexiv der disziplinären Grundlagen ihres Handelns zu versichern und ein schlüssiges Modell inter- und transdisziplinären Operierens zu entwickeln, bevor sie beide als normative Ziele ihres Handelns wählt.
Stefan BÖSCHEN
Technikfolgenabschätzung (TA) ist ein in sich hoch ambitioniertes ‚Projekt’. Es will Folgenreflexion komplexer wissenschaftlich-technischer Installationen und Problemlagen ermöglichen und institutionalisieren. Dieser Anspruch hat dem Projekt TA nicht nur Attraktivität gesichert, sondern auch dauerhafte Kritik. Diese Kritik wurde sukzessive in die programmatische Formulierung von TA aufgenommen: TA wurde neben den üblichen wissenschaftlichen Gütemerkmalen auch als interdisziplinäre, partizipationsorientierte, mithin transdisziplinäre Forschungs- und Beratungsperspektive ausgelobt. Diese „Einverleibung“ sehr unterschiedlicher Ansprüche eröffnet zunächst die Chance, auf öffentlich-politische Beratungserwartungen gezielter zu reagieren. Zugleich stellen sich damit dem Projekt der TA nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Ziel des Vortrages ist es, mit Blick auf neue Formen von (Nicht-)Wissens konflikten forschungspraktische Herausforderungen für TA zu beschreiben und Lösungsmöglichkeiten zu skizzieren.
Die gesellschaftliche Beratungssituation hat sich durch das Aufkommen und Generalisieren der Nichtwissens-problematik verändert. Es entstehen neue Wissenskonflikte, die als „(Nicht-)Wissenskonflikte“ zu kennzeichnen sind. Dies lässt sich beispielhaft an Konflikten in der Chemiepolitik oder in der Debatte um die so genannte „grüne“ Gentechnik (Bereich Landwirtschaft) zeigen. Dabei ringen unterschiedlich institutionalisierte Wissensakteure um Richtigkeitsansprüche in Bezug auf Wissen und Aufmerksamkeitshorizonte für Nichtwissen mit dem Ziel, das für gesellschaftliche Problemlösungsprozesse relevante und legitime Wissen und Nichtwissen auszuhandeln. Das Feld der Wissenspolitik entsteht. Zentrale Probleme hierbei sind etwa, dass sich die klassische Unterscheidung zwischen Fakten und Werten oftmals nicht mehr umstandslos treffen lässt, oder dass die Grenzlinie zwischen Wissenschaft und Politik institutionell neu stabilisiert werden muss.
Welche Herausforderungen stellen sich damit für TA? Erstens verschärft sich unter dem Bedeutungszuwachs von Nichtwissenskonflikten das Problem der Transdisziplinierung von Problemlagen, weil die Aufmerksamkeitshorizonte für Nichtwissen nicht nur starken normativen Wertungen unterliegen, sondern auch auf differenzierte Praktiken des Wissens und Nichtwissens verweisen. Der Anspruch auf eine transdisziplinäre TA kann nur dann eingelöst werden, wenn Wissen nicht vor allem als Aussagensystem, sondern vielmehr als Wissenspraxis verstanden wird. Zweitens verändert sich der Expertiseanspruch von TA. Denn die für die TA relevante Unterscheidung zwischen einer objektivierbaren Technik-Folgenabschätzung und einer normorientierten Technik-Bewertung wird durch die genannten Entwicklungen unterlaufen. Neben der Produktion von Risiko-Wissen sollte TA deshalb stärker noch Expertise zur Anleitung von Prozessen „gesellschaftlicher Selbstberatung“ bereitstellen. TA wird damit letztlich zu einem Anlass für die Weiterentwicklung von Demokratien.
Welche forschungsstrategischen und -praktischen Konsequenzen könnten für TA damit verbunden sein? Erstens erscheint es sinnvoll, das Problem transdisziplinärer Validierungskontexte anzuerkennen und Strategien zu entwickeln, diese hinsichtlich des darin enthaltenen Wissens und Nichtwissens beschreiben zu lernen. Zweitens macht dieser Aufwand nur Sinn, wenn es gelingt, Indikatorensysteme zu entwickeln, die diese Erkenntnisse über geeignete Indikatoren an den öffentlich-politischen Kommunikationsraum anschlussfähig zu machen. Drittens scheint es geboten, institutionelle Settings zu entwerfen, in denen diese wissenspolitischen Informationen auch entwickelt und verarbeitet werden können.
Michael DECKER
Technikfolgenabschätzung (TA) wird gemeinhin als problemorientierte Forschung beschrieben. Sie erarbeitet Beiträge zur Lösung von gesellschaftlichen und politischen Problemen mit Technikbezug, die in der Lebenswelt auftreten und sich außerhalb des wissenschaftlichen Kontexts abspielen. Und auch die Lösungsvorschläge müssen ihre praktische Relevanz außerhalb der Wissenschaften beweisen. Aus diesem außerwissenschaftlichen Bezug wird die Notwendigkeit transdisziplinärer Forschung (TF) abgeleitet, denn es gibt berechtigte Zweifel, wie eine rein innerwissenschaftliche Unternehmung adäquate Lösungsvorschläge für den außerwissenschaftlichen Bereich erarbeiten können soll. Außerwissenschaftliche Akteure müssen in die Wissensproduktion eingebunden werden. Davon unbenommen wird interdisziplinäre Forschung gemeinhin als Mittel zum Zweck in der TA angesehen: Lebensweltliche Probleme lassen sich typischerweise nicht nach wissenschaftlichen oder universitären Disziplinen ordnen, und somit müssen zur Erarbeitung von umfassenden Lösungsvorschlägen Beiträge aus verschiedenen Disziplinen integriert werden. Schließlich herrscht Einigkeit darüber, dass die Handlungsempfehlungen, die die TA als Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme entwickelt, wissenschaftlich fundiert sein sollen.
Unternimmt man vor diesem Hintergrund einen Streifzug durch die Definitionen zur TF, dann fällt auf, dass die älteren Definitionen Transdisziplinarität der Wissenschaft zuordnen, als Erweiterung der Interdisziplinarität. Jantsch legt beim Übergang von der Interdisziplinarität zur Transdisziplinarität besonderen Wert auf die Ganzheitlichkeit der Letzteren. Transdisziplinarität nach Jantsch richtet Forschung, Entwicklung und Lehre auf einen bestimmten gesellschaftlichen Zweck hin aus, was eine neue Orientierung und Bewertung des Wissens nach sich zieht.
In jüngeren Definitionen der Transdisziplinarität wird darüber hinaus die Partizipation nicht wissenschaftlicher Teilnehmer/innen im Diskussionsprozess als konstitutiv angesehen, dieser „Turn“ in der Transdisziplinarität wurde auch in der TA aufgenommen:
„We characterize ‚transdisciplinary science’ as (1) cognitive and social co-operation across disciplinary boundaries, (2) an intention towards the direct application of scientific knowledge in both political decision making and societal problem-solving, and (3) the participation of non-scientific stakeholders within research processes.”
In den methodischen Konzepten bzw. Leitfäden der TF wird analog zu diesem „Turn“ der Schwerpunkt des methodischen Vorgehens klar auf die Integration von wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicher Perspektive gelegt. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass interdisziplinäre Forschung notwendig, und dass deren Qualität entscheidend für den Diskussionsprozess ist. In der Beschreibung des methodischen Vorgehens wird der interdisziplinären Wissens-generierung dagegen wenig Platz eingeräumt. Das legt den Schluss nahe, dass diese methodisch als weitgehend unproblematisch angesehen wird.
In diesem Beitrag wird die These vertreten, den methodischen Schwerpunkt der TF hin zur interdisziplinären Wissensgenerierung zu verschieben. Die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen mit interdisziplinärer wissen-schaftlicher Geltung bedarf einer tiefgreifenden Abstimmung zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. Es gilt eine interdisziplinäre Argumentationskette zu entwickeln auf der Basis disziplinärer Teil-Argumente, die schließlich in die Formulierung der Handlungsempfehlung mündet. Methodisch wird dabei eine pragmatische Kompatibilität zwischen den Disziplinen angestrebt. Es werden über die Disziplingrenzen hinweg Fragen und Antworten formuliert, die in ihrer disziplinären Bearbeitungstiefe stark differieren können, weil die Adäquatheit in der Argumentation dies gebietet. Relevanzentscheidungen über die Berücksichtigung bzw. begründete Nicht-Berücksichtigung von verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten sind ebenfalls Schlüsselaufgaben der interdisziplinären Forschung. Systemgrenzen müssen gemeinsam festgelegt werden, weil Fragestellungen aus anderen Disziplinen relevante Kriterien für die Wahl der disziplinären Systemgrenzen darstellen können.
Es werden Vorschläge auf der instrumentellen Ebene formuliert, die die interdisziplinäre Wissensgenerierung befördern und es wird herausgearbeitet an welchen Stellen des Diskussionsprozesses außerwissenschaftliches Wissen einbezogen werden muss: (1) Insbesondere bei der Problemidentifikation und -transformation hin zu einer wissenschaftlich bearbeitbaren Fragestellung am Anfang, (2) während des Diskussionsprozesses, wenn sich die interdisziplinäre Perspektive herausbildet und Relevanzentscheidungen getroffen werden und schließlich (3) am Ende, wenn die Handlungsempfehlungen auf ihre Adäquatheit im außerwissenschaftlichen Bereich hin untersucht werden müssen. Es wird also plädiert für eine außerwissenschaftliche Unterstützung der interdisziplinären Wissensgenerierung, die aber im Sinne der älteren Definitionen transdisziplinärer Forschung wissenschaftlich bleibt und somit Handlungsempfehlungen mit interdisziplinär wissenschaftlicher Geltung produziert.
Hans-Liudger DIENEL, Jenny SCHMITHALS
In vielen gibt es ausdifferenzierte Zuständigkeiten für das Kooperationsmanagement.
Der Vortrag präsentiert die Ergebnisse einer qualitativen Befragung zum Kooperationsmanagement transdisziplinärer Forschungsverbünden im Bereich Technology Assessment an der TU Berlin, die in den vergangenen zwei Jahren durchgeführt wurde. Die vergleichende Auswertung, deren Ergebnisse demnächst in einem Leitfaden für das Kooperationsmanagement publiziert werden, lassen sich in drei Thesen zusammenfassen:
Fraktales Ordnungsprinzip bei Teamorganisation und Arbeitsplanung
Transdisziplinäre Projekte sind temporäre Innovationsallianzen und ihr innovativer Beitrag zur Wissensproduktion entsteht aus wechselseitiger Inspiration und Irritation im Erkenntnisprozess. Die kreative Neukombination der versammelten Wissensressourcen und methodischen Kompetenzen wird durch eine konsequente Durchmischung von Arbeitsgruppen gezielt unterstützt. Diese Befunde führen zu der Empfehlung, Arbeitsgruppen und Subprojekte transdisziplinärer Forschungskooperationen interdisziplinär zusammenzusetzen und auch die Arbeitspakete interdisziplinär zu organisieren sowie Praxisvertreter/innen möglichst durchgehend in allen Phase der Projektgenese und –abwicklung einzubinden.
Wechselnder Analysefokus auf Integration und Differenzierung
Die wechselnde Konzentration auf Integration und Differenzierung unterstützt die Bewältigung zweier gegensätzlicher Herausforderungen, mit denen sich transdisziplinäre Projekte konfrontiert sehen: eine Herausforderung (Integration) ergibt sich daraus, dass sich transdisziplinäre Projektteams oft so formieren, dass eine möglichst große Zahl an relevanten inhaltlichen Aspekten und anwendungspraktischen Erfordernissen vertreten sind. Die resultierende Heterogenität entfaltet eine beträchtliche Zentrifugalkraft in Verlauf des Arbeitsprozesses und muss durch gezielte Integrationsbemühungen ausgeglichen werden. Diese müssen sich aber in den Dienst der wissenschaftlichen Erkenntnisfindung stellen und dürfen sich nicht auf die Pflegemaßnahmen zur Wartung einer oberflächlich harmonischen Teamatmosphäre beschränken (hinter der die unterdrückten fachlichen Kontroversen im Verborgenen knistern). Die zweite Herausforderung (Differenzierung) besteht darin, die Scheu zu überwinden, sich internen Differenzen im Interesse der Teamperformance frühzeitig zu stellen. In der Warming Up Phase tendieren viele Forschungsteams dazu, sich auf einen gemeinsamen Nenner einzuschwören, der weniger das Ergebnis einer Abstimmung von Interessen und Kompetenzen sondern eher das Resultat eines gruppendynamischen Reflexverhaltens darstellt. Allerdings benötigen transdisziplinäre Projekte eine ´zentrierende´ Analyseperspektive, um gemeinsame Forschungsziele eingrenzen zu können, die Erkenntnisinteressen zusammenzuführen und den vorhandenen Fundus an Wissen und methodischen Instrumenten nutzen zu können. Die erfolgreiche Integration von Teilergebnissen ist abhängig davon, wie konsequent die vorbereitenden Schritte durchgeführt wurden. In Ergänzung dazu ist es aber ebenso wichtig, die Vielfalt an Problemsichten, Interessenspektren und Erfolgsmaßstäben systematisch aufzufächern und regelmäßig miteinander zu konfrontieren.
Doppelperspektive des analytischen Zuganges
Die Parallelführung von Lernschritten auf der inhaltlichen Ebene der Forschungsthematik und auf der Meta-Ebene von umweltabhängigen Resonanzeffekten im Erkenntnisprozess liefert eine Vielzahl an Einsichten für die Implementierung der Projektergebnisse: Heterogen zusammengesetzte, transdisziplinäre Forschungsteams fungieren als Labor-Settings für die Entwicklung sozialer und technologischer Innovationen. Aus der begleitenden Analyse der internen Erkenntnispfade und Lernprozesse, die in diesen Innovationszellen ablaufen, lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wie die institutionellen oder auch unternehmerischen Lernprozesse aussehen müssten, die eine spätere Anwendung oder Umsetzung der Projektergebnisse ermöglichen werden. Daraus folgt die Empfehlung transdisziplinärer Forschungskonsortien im Sinne eines ´double loop learning´: Ansatzes, ergänzend zu ihrer ´eigentlichen´ inhaltlichen Forschungsarbeit auch regelmäßig die Auswirkungen zu untersuchen, welche die verschiedenen Umwelteinflüsse auf ihre Projekte haben. Interessant ist dabei vor allem die Frage, welche Resonanzeffekte dieser Umweltdynamiken sich in der internen Teamdynamik niederschlagen, welche Spannungslinien daraus resultieren und in welcher Weise sich diese Irritationen auf den Forschungsverlauf und den Erkenntnisprozess auswirken. Solche Umwelteinflüsse können durch eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren bewirkt werden, wie zum Beispiel divergierende Auftraggeberinteressen, Zielkonflikte zwischen – aber auch innerhalb - unterschiedlicher Projektadressaten, regionalpolitische Spannungsfelder und Machtstrukturen, unternehmenspolitische und institutionelle Zielvorgaben oder auch inhaltliche Kontroversen und Konkurrenzen in den relevanten Forschungsfeldern, Marktsegmenten und Produktbereichen.
Richard FINCKH
Ziel meines Vortrags ist es, einen bildungstheoretischen Beitrag zum Selbstverständnis der TA anzubieten, der die typischerweise soziologischen und wissenschaftstheoretischen Überlegungen ergänzt. Der „Bildungsprozess TA“ lässt sich als „Expertise“ begrifflich fassen, als transdisziplinäre Beratung mit Wissenschaftsbezug. Ein solches Selbstverständnis der TA wäre im Kern didaktisch.
I. Transdisziplinarität und Beratung
Transdisziplinarität wird hier verstanden als wissenschaftliche Praxis, die sich außerwissenschaftlichen Problemlagen zuwendet, sie unter Einbezug gesellschaftlicher Perspektiven bearbeitet und die Ergebnisse nicht im wissenschaftlichen Diskurs belässt, sondern in gesellschaftlich relevante Prozesse einspeist. In diesem Sinne ist TA zweifellos trans-disziplinär. TA ist aber eine spezifische Form transdisziplinärer Wissenschaft, die sich (neben dem Bezug zur Technik) durch einen Fokus auf Beratung von anderen transdisziplinären Arbeitsweisen unterscheidet.
Umgekehrt ist TA auch nicht irgendeine Beratung, sondern zeichnet sich aus durch ihren Wissenschafts- und ihren Politikbezug, durch ihren Schwerpunkt auf Zukunftsfragen und auf Ungewissheiten, sowie durch ihren Anspruch, nicht voreingenommene Interessenvertretung zu sein.
II. Experten
TA als Beratung für gesellschaftliche Entscheidungsprozesse auf der Grundlage wissenschaftlicher Argumentationen befindet sich also in der „Schnittmenge“ von Beratung und Transdisziplinarität.
Dort ist sie aber nicht allein: Insbesondere „Experten“ treten in diesem Grenzbereich oft in Erscheinung („Expertinnen“ dagegen auffällig selten). Sie werden befragt und zitiert, geben Empfehlungen und Warnungen. Darüber hinaus wird über ExpertInnen viel geschrieben: Sie werden kritisiert wegen ihrer Einmischung oder Zurückhaltung, ihrer Inkompetenz oder der Ausnutzung ihres Sonderwissens, wegen ihrer Machtstellung oder als Marionetten. Trotz Uneinigkeit über die Probleme, die ExpertInnen haben und verursachen, werden sie übereinstimmend im Grenzbereich zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit gesehen. Sie bewegen sich also genau dort, wo die Probleme liegen, die Transdisziplinarität und Beratung erforderlich machen. Dies ist der Ausgangspunkt der Expertenrolle, um die Verknüpfung von Beratung und Transdisziplinarität zu verstehen, lohnt es sich, diese in den Blick zu nehmen.
Erstaunlicherweise wird in der TA über Experten bereits ein intensiver Diskurs geführt (z.B. TA`05: Wozu Experten?) der nicht nur um ExpertInnen im TA-Alltag kreist, sondern prinzipielle Fragen aufwirft. Diesen Bezug ernst zu nehmen führt zu meinem Vorschlag, „Expertise“ nicht mehr nur als individuelle Rolle, sondern als arbeitsteilige Praxis aufzufassen: TA kann sich selbst als „Expertise“ verstehen.
III. TA als Didaktik
Dieses Selbstverständnis lässt sich – so die zentrale These – als Kern einer transdisziplinären Methodologie ver-wenden. Denn sobald „Experte“ nicht mehr eine individuelle Rolle ist, sondern „Expertise“ in einem arbeitsteiligen Prozess unterschiedliche Expertenrollen für unterschiedliche Kontexte möglich werden (z.B. als komplementäre Ergänzung oder zum polarisierten Streit, als Unabhängige oder Stakeholder, als Berater oder Adressaten) fällt der TA die Verantwortung für die Konzeption, Durchführung und Evaluation dieser Prozesse zu. Damit wird TA zur didaktischen Aufgabe.
Nicht nur „Beratung“ ist eine zentrale Kategorie in Bildungstheorie und Didaktik, auch beispielsweise folgende Denkfiguren wären für die TA fruchtbar zu machen:
Politische Bildung: Bildung hat, neben ihrer individuellen Seite immer auch eine gesellschaftliche. Eine Gesellschaft, die tiefgreifend technologisiert ist, aber keine Kompetenz zur Beurteilung von technikbezogenen Fragestellungen hat, ist blind. Die Kompetenz ist zur Voraussetzung von Demokratie geworden, TA hat damit Bedeutung als politische Bildung – für die Gesellschaft und für die Beteiligten. Gerade um dieser Funktion gerecht zu werden, muss sie die Anforderungen die an sie gestellten werden, kritisch prüfen.
Einheit von Forschung und Lehre macht beide Aspekte der TA als gemeinsame Bildungsaufgabe erkennbar. In diesem ist der Verständigungsprozess mit seinen Problemen zentral, interdisziplinäre Kooperation und transdisziplinärer Austausch gewinnen darin eine neue Qualität.
Das Verstehen der Naturwissenschaften bezeichnet nicht nur das Erlernen von Erkenntnissen und nachvollziehen von Argumentationen der Wissenschaften, sondern es verbindet diese mit dem Nachdenken über Wissenschaft in ihrem historischen, politischen und sozialen Kontext und ihrer problematischen Rolle im technischen Fortschritt – analog zur TA.
Professionalität bezeichnet eine reflexive, verantwortliche Arbeitspraxis, die sich gesellschaftlichen Schlüsselproblemen annimmt, ohne eine Erfolgsgarantie geben zu können. Damit wird der adäquate Umgang mit Kritik und Misserfolgen zum Kennzeichen der Professionalisierung, sie ist aber nicht ohne gesellschaftliche Positionsbestimmung denkbar. Beides wären also Schlüsselaufgaben für eine professionelle TA.
Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen zum einen das Potential, die eigene Rolle kritisch mit in den Blick zu nehmen bei der Konzeption, Durchführung und Evaluation von konkreten Projekten. Zum anderen dienen sie der grundsätzlichen Positionierung der TA in politisch-gesellschaftlichen Kontexten. „Expertise“ könnte so Selbstverständnis und methodologischer Kernpunkt in einem sein.
Karen KASTENHOFER
Interdisziplinarität beginnt per definitionem dort, wo sich zwei Disziplinen oder auch Subdisziplinen gemeinsam mit der Beantwortung einer fächerübergreifenden Frage befassen. Wie diese gemeinsame Bearbeitung auszusehen hat und wie sie qualitativ abgesichert werden kann, wurde in theoretischen wie auch praktischen Projekten mehrfach bearbeitet. Als eine nach wie vor seltener behandelte Frage stellt sich hingegen die Entscheidung dar, welche Disziplinen an interdisziplinärer Forschung beteiligt sein sollen. Zwar hängt die konkrete Auswahl immer auch von der jeweiligen Forschungsfrage ab, doch gibt es darüber hinaus „Kriterien zweiter Ordnung“, die allgemeiner gültige Überlegungen ermöglichen. So kann Interdisziplinarität „schwächer“ ausgeprägt sein - etwa, wenn zwei medizinische Fächer miteinander kooperieren - oder eine besonders starke Ausprägung finden, wie in der Kooperation von Sozial- und Naturwissenschaften in der Technikfolgenabschätzung. Ein anderes Kriterium zweiter Ordnung betrifft die Stärke der Integration der beteiligten Disziplinen: Soll das Endprodukt bereits alle einzeldisziplinären Anteile soweit verknüpfen, dass ein gemeinsamer Text ohne unterscheidbare disziplinäre Standpunkte und Begrifflichkeiten am Ende des Forschungsprojektes steht? Oder ist eine Repräsentation der disziplinären Vielfalt durchaus auch an dieser Stelle noch erwünscht?
Neben diesen eindimensional quantifizierenden Kriterien (stark/schwach, hoch integriert/wenig integriert) gibt es auch die Möglichkeit stärker qualitativer Kriterienformulierung. Auch in diesem Fall geht es darum, in Zusammenhang mit den jeweils konkretisierten gesellschaftlichen Zielsetzungen bestimmter interdisziplinärer Forschungsprogramme die Anforderungen an die disziplinäre Zusammensetzung zu konkretisieren. Als Fallbeispiel soll hier interdisziplinäre Forschung im Rahmen von technologischer Sicherheitsforschung herangezogen werden. Solche Sicherheitsforschung folgt dem gesellschaftlichen Auftrag mögliche gesellschaftsrelevante Risiken der Anwendung bestimmter Technologien zu bestimmen. In Zusammenhang mit dieser spezifischen Aufgabenstellung ergibt sich eine differenziertere Möglichkeit Auswahlkriterien zweiter Ordnung zu definieren. Sie folgt der allgemeinen Beobachtung, dass einzelne Forschungs-richtungen jeweils unterschiedliche Formen verwirklichen, mit den hier zentralen Aspekten, wie Evidenz, Nichtwissen, Unsicherheit und Risiko umzugehen. Das Forschungsprojekt „Nichtwissenskulturen“ des Wissenschaftszentrum Umwelt / Universität Augsburg untersuchte diese wissenschaftskulturelle Differenzierung empirisch unter dem Stichwort „Nicht-wissenskulturen“ im Kontext der Sicherheitsforschung in den Bereichen Grüne Gentechnik und Elektrosmog/Mobilfunk in Deutschland und fasst sie zu drei unterschiedlichen Typen zusammen. Der kontroll-orientierte Typus, der komplexitäts-orientierte Typus und der erfahrungs-orientierte Typus bringen dabei jeweils spezifische epistemische Fähigkeiten, also Kompetenzen der Generierung neuen Wissens, aber auch blinde Flecken mit sich. So ermöglicht der kontroll-orientierte Typus (hierzu zählen in den Beispielfeldern die Molekularbiologie, die Biophysik und die Biomedizin) die Generierung „harter Fakten“ anhand experimenteller Forschung, kann aber aufgrund der hohen Dekontextualisierung der Forschungsobjekte nur sehr eingeschränkte Aussagen über deren Bedeutung im Anwendungskontext machen. Hingegen forschen komplexitätsorientierte Forschungsrichtungen wie die Ökosystemforschung oder die Epidemiologie näher am Anwendungskontext, produzieren dabei aber meist nur „schwache Evidenzen“. Der erfahrungs-orientierte Typus lässt sich durch die praktische Medizin und die Baubiologie repräsentieren. Er wird tendenziell nicht als Ort wissenschaftlicher Wissensproduktion bewertet, womit die sehr konkreten Erfahrungsinhalte, die diesem Typus entsprechen, aus wissenschaftlicher Sicherheitsforschung bislang ausgegrenzt werden.
Übertragen auf konkrete Sicherheitsforschungsprogramme ermöglicht diese Typologie (1) die Analyse der „Stärke“ der jeweiligen Interdisziplinarität in Hinblick auf die Vielfalt und Balance vertretener Typen, (2) eine mögliche (Um)Orientierung in der Auswahl von Sicherheitsforschungsprojekten mit dem Ziel größerer Vielfalt und Balance, sowie (3) die Bearbeitung der Frage, wie die aus unterschiedlichen epistemischen Typen resultierende Expertise sinnvoll integriert werden kann.
Hermann KNOFLACHER, Tadej BREZINA
Die Entwicklung von Technik und Technologie sowie deren Ausbreitung in der und somit Anwendung durch die Gesellschaft nimmt permanent Einfluss auf die Lebensqualität und das Verhalten der Menschen durch die Beeinflussung lebensräumlicher Parameter der Ökosphäre. Sowohl durch die gewollten Wirkungen technologischer Anwendungen, als auch durch die ungewollten.
Eine Untersuchung des Einflusses von Technologie auf das Wachstum materieller und konsumptiver Güter und die Abschätzung der dadurch entstehenden Wirkungen und Folgen auf Umwelt und Gesellschaft kann zufriedenstellend nur mittels eines interdisziplinären Ansatzes erfolgen. Dies ist der Fall, weil sich das Zwischenspiel der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse einerseits und den Technologiewirkungen andererseits in einem Netz aus den Disziplinen Systemystemwissenschaft (für die komplexen Beziehungen), Technikgeschichte (für die technologischen Entwicklungs-pfade), Anthropologie und Medizin (für die Menschen, deren Gehirne und Handlungen) und der Statistik (für die Empirie der Wirkungen) befindet.
Von entscheidender Bedeutung scheint hier der aufgebrochene und aus dem Gleichgewicht geratene Kreislauf der Wahrnehmung der Auswirkungen von Technik (beide Seiten, die gewollten und die nicht gewollten) und deren Rückkopplung auf das menschliche Verhalten zu sein.
Einerseits darin beteiligt sind die Medien und die Telekommunikation, die eine Veränderung der menschlichen Wahrnehmung, eine geographische und thematische Entkopplung von der Unmittelbarkeit, bedingen, als auch die Technologie wiederum selber, die Methoden zur Abwehr bzw. Dislozierung, Reparatur und Beseitigung von negativen Folgewirkungen anderer Technologiezweige oder zeitlich vorangehender Techniken entwickelt hat.
Sich durchsetzende Technologien sind durch ihre Wirkung entlang langfristiger Pfade – die mit großer Trägheit gegenüber der Veränderung einmal eingeschlagener Richtungen ausgestattet sind – ein Signum, eine Prägung für die Zukunft.
Ein transdisziplinärer Aspekt dabei ist, dass zu einer langfristig tragfähigen Gestaltung gesundheitlich hochwertiger Lebensräume die Gesellschaft über Wirkungen und Folgen technologischer Entwicklungen in Kenntnis gesetzt und demokratisch einbezogen werden muss.
Das Projekt „Technologiebedingte Ursachen des Wachstums“ des Club of Vienna hat sich zum Ziel gemacht auf der einen Seite Datenmaterial – die Spuren des Wachstums – soweit zurück zu verolgen und aufzuarbeiten, bis diese Entkoppelung identifiziert werden kann und auf der anderen Seite, die theoretischen Grundlagen für Wahrnehmung und Handlung – die Ursachen des Wachstums – aufzuarbeiten und weiterzuentwicklen.
Der empirische Teil soll anhand der Entwicklungen in den beispielhaften Gebieten illustriert werden:
• Ver- und Entsorgung der Lebens- und Produktionsregime der Menschen sowohl mit Energie als auch Gütern für täglichen Gebrauch und Konsum – z.B. Entwicklung des individuellen Müllvolumens;
• Mobilität: technologische Verbesserungen von Systembausteinen und deren Verhältnis zu den Auswirkungen im Gesamtsystem – z.B. Entwicklung der Fahrzeuggewichte in Relation zum Energieverbrauch,
• Telekommunikation und Medien: ihre Rolle in der Wahrnehmung von Umweltveränderungen, z.B. Entwicklung von Werbeausgaben.
Das Ziel des Vortrages ist es, einen Beitrag zur Synthese von Anwendung und Wahrnehmung von Technologie durch das Individuum und der Wirkungsabschätzung auf dessen Mitwelt zu liefern.
Sabine MAASEN
Transdisziplinarität weckt derzeit grosse Hoffnungen: Endlich scheint der Traum von der Demokatisierung der Wissenschaft Wirklichkeit zu werden. Das Vehikel: die Partizipation ausserwissenschaftlichen AkteurInnen am Wissensproduktionsprozess selbst. Transdisziplinäre Forschungspraxis sucht dies einzulösen, indem sie projektförmig organisierte 'Gestaltungsräume' schafft, in denen wissenschaftliche und ausserwissenschaftliche Wissensformen und Werte zur Aushandlung kommen.
Dies erfordert, wie die empirische Analyse transdisziplinärer Projekte zeigt, ‚boundary work’ (Grenzarbeit). Es geht um nicht weniger als darum, die unterschiedlichen, teils konfligierenden Ansprüche aller Beteiligten auszubalancieren, um zu einer gemeinsam getragen Problemformulierung, -bearbeitung und -lösung zu kommen. Grenzarbeit leisten die am Forschungsprozess beteiligten Personen: Zu ihren Aufgaben gehört es, ihr je spezifisches Wissen und ihre Wertvorstellungen zu artikulieren, auszuhandeln und verantwortlich an der Problemlösung zu arbeiten.
Diese besondere Leistung geschieht zu einem erheblichen Teil in einem managerialen Modus. Insbesondere Zeit-, Projekt- und Wissensmanagement stehen hoch im Kurs. Dabei gehen Partizipation und manageriale Praxis eine vormals nicht gekannte Allianz ein: Aufgrund der Komplexität der Aushandlungs- und Koordinationsanforderungen gehen mit partizipativer Wissensproduktion auch Praktiken des Wissens- und Werte'managements' einher. Umgekehrt gelten eben diese Aktivitäten als genuiner Ausweis von Partizipation.
Es steht zu vermuten, dass sich mit der transdisziplinären Praxis mehr als nur ein neuer Forschungstypus, sondern die Konturen eines New Deal zwischen Wissenschaft und Gesellschaft andeuten. Er beruht wesentlich auf der Fähigkeit aller Akteure, in intermediären Gestaltungsräumen umfassend, dauerhaft und sorgfältig Grenzarbeit zu leisten. Das Ziel: die Produktion von verlässlichem Wissen und dessen sozialer Akzeptanz. Damit entspricht transdisziplinäre Wissensproduktion einer Gesellschaft, die zunehmend auf kontinuierliche Selbstregulierung und flexible Kontrolle setzt, und zwar durch (v. a. wissenschaftliche) Akteure, die an den Grenzen der Subsysteme (Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, etc.) managerial zu agieren vermögen.
Die gouvernementalitätstheoretische Dekontruktion leugnet nicht der Erhöhung von Gestaltungsmacht ausserwissenschaftlicher AkteurInnen in der Wissenschaft durch Transdisziplinarität, schärft jedoch den Blick für den Preis dieser Form der Demokratisierung von Wissenschaft für die Wissenschaft selbst.
Alfons BORA, Marc MÖLDERS
Technology Assessment ist ein inhaltlich recht spezifisches und doch von einer Vielzahl akademischer wie außerakademischer Akteure bearbeitetes Interessengebiet. Die praktische Arbeit von TA-Institutionen kann als gut dokumentiert gelten; Studien, Forschungsberichte oder Internetauftritte sind ohne größeren Aufwand zugänglich. Aber wie sieht es aus, wenn man TA als Gegenstand der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen betrachtet? Hier ist die Situation vergleichsweise unübersichtlich und wenig erkundet. In diese Lücke stößt unsere kleine Studie, deren Erhebungszeitraum das Wintersemester 2005/06 und das Sommersemester 2006 umfasst. Dabei geht es zunächst um eine möglichst genaue Beschreibung des Ist-Zustandes. Wir stellen in einem ersten Schritt die Antworten auf einige allgemeine Fragen kurz dar: Was wird unter dem Label TA gelehrt? Was wird an TA-relevanten Aspekten gelehrt, aber anders etikettiert? Welche Rolle spielen TA-Lehrveranstaltungen in den Curricula? Sind sie Kernbestandteile oder Wahlmöglichkeiten unter anderen? Welche disziplinären Hintergründe haben die Lehrenden, für welche (multi-) disziplinären Zielgruppen gibt es entsprechende Angebote?
Mit Blick auf das Thema der Konferenz ergeben sich dann möglicherweise interessante Konsequenzen. So lässt sich TA als ein Gegenstand denken, der zwischen den Disziplinen steht oder gar alle Disziplingrenzen überschreitet und damit jenseits akademischer Institutionen im Allgemeinen liegt. Diese Perspektive würde eine emergente Betrachtungsebene erfordern und negierte damit tendenziell die Möglichkeit, aus dem richtigen Mischungsverhältnis bereits etablierter Strukturen zu fruchtbaren Ansätzen kommen zu können. Umgekehrt kann man allerdings auch fragen, ob nicht die akademische und außerakademische geringe Bedeutung von TA ein Ausdruck spezifisch disziplinärer Schwächen ist, ob Disziplinarität und Kompetenz nicht in einem engeren Zusammenhang stehen als es manche Selbstbeschreibung der TA bisweilen wahrhaben will. Gemeinsam ist Ansätzen der Inter- und Transdisziplinarität die Annahme, dass die Moderne Wissenschaft und Forschung vor Probleme stellt, die sich mit den disziplinären Formen wissenschaftlicher Ausdifferenzierung nicht oder nur unter Berücksichtigung spezifischer Vorkehrungen verträgt. Für die TA in der Hochschullehre scheint der Boden bereitet: es gibt einen kaum überhörbaren Ruf nach mehr Inter- und Transdisziplinarität, darüber hinaus wird dieser auch noch legitimiert unter Verweis auf Problemstellungen, die für die TA konstitutiv sind. Insofern wäre erwartbar, dass Felder wie die TA von dieser Entwicklung profitierten, dass sich ihre Bedeutung auch in der und für die Lehrsituation niederschlägt.
Unser Vortrag wird sich dieser These nähern und erste Ergebnisse der o.a. Studie dahingehend beleuchten, ob und wie sich der Ruf nach mehr Inter- und Transdisziplinarität in der Lehre TA-relevanter Aspekte an deutschsprachigen Hochschulen bemerkbar macht.
Das Ziel des Vortrags ist demzufolge die systematische Darstellung dessen, was wie als TA gelehrt wird, mit der Fragestellung der Konferenz zu verbinden: welche Rückschlüsse erlaubt eine bessere Kenntnis der Lehrsituation von TA an deutschsprachigen Hochschulen in Bezug auf die inner- und außeruniversitären Ansprüche von Inter- und gar Transdisziplinarität? Die Praxis der Lehre, das wollen wir mit unseren Daten andeuten, tut sich mit diesen Ansprüchen nach wie vor ein wenig schwer.
Michael ORNETZEDER
Wie sich im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung zeigt, ist eine wesentliche Bedingung für die erfolgreiche Verbreitung neuer Produkte die intensive Auseinandersetzung mit Nutzungsmöglichkeiten und Nutzerbedürfnissen – viele Produkte erreichen keine Marktakzeptanz aufgrund mangelhafter Orientierung ihres Designs und ihrer Funktionen an den Ansprüchen der NutzerInnen.
Allerdings lässt sich die nutzergerechte Gestaltung von neuen Produkten schwer im vorhinein abschätzen – viele Verhaltensweisen und Bedürfnisse von NutzerInnen stehen nicht von Anfang an stabil fest, sondern ändern sich im Verlauf des Umgangs mit neuen Technologien. Besondere Bedeutung kommt daher einer frühzeitig beginnenden und entwicklungsbegleitenden Einbeziehung von Nutzererfahrungen und -perspektiven zu, z. B. begrenzten Anwendungs-experimenten mit intensiver Evaluation von Nutzererfahrungen und darauf aufbauend laufender Anpassung des Technologieangebots an die geänderten Nutzerbedürfnisse.
In diesem Beitrag werden zwei Ansätze zur frühzeitigen Einbeziehung von NutzerInnen in technische Innovationsprozesse vorgestellt, miteinander verglichen und einer kritischen Würdigung unterzogen.
Das vor allem in den Niederlanden entwickelte 'Constructive Technology Assessment' (Rip et al. 1995, Schot 1998, Kemp et al. 1998);
und das ursprünglich aus der amerikanischen Innovationsforschung stammende Konzept der 'Lead-User' (von Hippel 1986, Springer et al. 2006).
Beide Ansätze werden bereits seit vielen Jahren angewendet. Entsprechend groß ist das Spektrum an Erfahrungen, auf die zurückgegriffen werden kann. Aufbauend auf diese Erfahrungen soll nun untersucht werden – und das ist in diesem Kontext neu – in welchem Ausmaß bzw. unter welchen Bedingungen sich die erwähnten Ansätze zur Unterstützung nachhaltiger Technologieentwicklungen eignen. Konkret geht es darum, Fragen der Technologiebewertung mit Wissen aus potenziellen Nutzungskontexten prozessual miteinander zu verbinden.
Durch welche Vor- und Nachteile sich die ausgewählten Ansätze unter der gegebenen Zielsetzung auszeichnen, und welche Aufgaben TA-Einrichtungen bei der Durchführungen solcher temporärer transdisziplinärer Kooperationsformen übernehmen können, wird in diesem Beitrag diskutiert.
Christian POHL
In der Literatur findet sich eine Vielzahl an Definitionen zu Inter- und Transdisziplinarität (Pohl & Hirsch Hadorn, 2006, 68-85). Diese Definitionen umfassen meist beide Begriffe, den der Inter- und den der Transdisziplinarität. Oftmals schliesst Transdisziplinarität eine Aufzählung ab, welche von Multi- und Pluridisziplinarität, über Cross- und Interdisziplinarität führt. Die Aufzählung meint eine Steigerung: Cross- und Interdisziplinarität gehen weiter als Multi- und Pluridisziplinarität und Transdisziplinarität weiter als Cross- und Interdisziplinarität. Die Definitionen unterscheiden sind darin, welches Merkmal der Forschung durch die Aufzählung verstärkt wird. Es lassen sich mindestens vier Merkmale unterscheiden:
Überschreiten und Integrieren von disziplinären Paradigmen
Partizipatives Forschen
Orientierung an lebensweltlichen Problemen
Suche nach einer universellen Einheit des Wissens jenseits von Disziplinen
Die Diskussion dazu, was den Unterscheid von Inter- und Transdisziplinarität ausmacht, lässt sich weiterführen, wenn nach dem Anwendungskontext gefragt wird: Welche Forschung für welchen Zweck. (a) und (b) werden dadurch zu ‚sekundären’ Merkmalen der Forschung, die Sinn machen, soweit sie zweckdienlich sind. Übrig bleiben die Orientierung an lebensweltlichen Problemen (c) und die Suche nach Wissen jenseits von Disziplinen (d). In den „Gestaltungs-prinzipien“ (Pohl und Hirsch Hadorn 2006) nehmen wir diese am Zweck ausgerichtete Unterscheidung auf. Wir sprechen von Interdisziplinarität, wenn der Zweck einer Forschungszusammenarbeit im Erkenntniszuwachs besteht (z.B. Biochemie) und von Transdisziplinarität, wenn ein Beitrag zu gesellschaftlich relevante Fragestellungen geleistet werden soll (z.B. Technikfolgenabschätzung).
Der Vortrag dient dazu, anhand von Beispielen transdisziplinärer Forschung aufzuzeigen, wie die Zusammenarbeit von Disziplinen (ehemals Interdisziplinarität) und die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Akteuren (ehemals Transdisziplinarität) zweckdienlich in unterschiedlichen Anwendungskontexten eingesetzt werden.
João PORTO DE ALBUQUERQUE, Edouard J. SIMON, Arno ROLF
Motivation
Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) bestimmen in zunehmendem Maße die Geschwindigkeit und die Richtung des sozialen Wandels. Die Auswirkungen der Informatisierung finden sich von der globalen bis hin zur individuellen Ebene der sozialen Interaktion. Aber nur von der Art und Weise zu sprechen, in der IuK-Technologien unsere Welt verändern, würde einer technikdeterministischen Perspektive gleichkommen. Die Technologie bietet die Mittel, andere Dinge – oder Dinge anders – zu tun, als es ohne sie möglich wäre. Die mit dem sozio-technischen Wandel verbundenen ethischen und moralischen Herausforderungen sind untrennbarer Teil des Innovationsprozesses. Wenn kein Verständnis darüber vorhanden ist, wie Forschung und Entwicklung sich auf den sozialen Kontext auswirken kann, wird die Entwicklung von IuK-Technologien zu einem erratischen Prozess mit unklarem Ausgang. Im Sinne eines Constructive Technology Assessment (Rip et al., 1995) und einer nachhaltigen Technikgestaltung (Grunwald, 2002) sind Ansätze notwendig, die über eine reaktive Technikfolgenabschätzung hinausgehen und die IuK-Gestaltung mit analytischen Instrumenten für eine innovative Technikbewertung (Ropohl, 1999) unterstützt, um eine breite Sicht auf sozio-technische Wechselwirkungen bei der IuK-Entwicklung und -Nutzung zu ermöglichen. In diesem Kontext sind interdisziplinärer Austausch und transdisziplinäre Forschung unabdingbare Voraussetzungen für einen adäquaten Umgang mit den Herausforderungen, denen sich Wissenschaft und Praxis stellen müssen. Im Vortrag werden wir den Mikropolis-Ansatz vorstellen, der diesen Anforderungen entsprechend eine Plattform für transdisziplinäre Forschung bei der IuK-Gestaltung anbietet.
Mikropolis
Im Rahmen der Mikropolis-Arbeitsgruppe am Department Informatik der Universität Hamburg wird zur Zeit ein Ansatz entwickelt, der eine transdiszplinäre Sicht auf sozio-technische Wechselwirkungen ermöglichen soll. Im Unterschied zur Interdisziplinarität ist ein Charakteristikum transdisziplinärer Forschung, dass die Forschungsfragen ihren Ursprung in nicht-wissenschaftlichen Anwendungskontexten haben und in diesen Kontexten unabhängig von wissenschaftlichen Theorien und fachlichen Definitionen formuliert werden (Balsiger, 2005). Zentral für unseren Ansatz ist dann die Konstruktion einer gemeinsamen begrifflichen Plattform, die eine Einordnung unterschiedlicher fachlicher Sichtweisen und damit einen fächerübergreifenden Diskurs ermöglicht. Dieser dient einerseits dazu, die jeweils fachliche Perspektive wechselseitig zu reflektieren und zu ergänzen. Andererseits soll so eine gemeinsame, transdisziplinäre Problemsicht ermöglicht werden.
Die Mikropolis-Plattform thematisiert die gesellschaftliche Verhandlung von Informationstechnik und deren Entwicklung von der Mikroebene des konkreten Nutzungskontexts bis hin zur Makroebene politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Rahmenbedingungen. Auf diese Weise bietet Mikropolis eine gemeinsame Sprache für die Kommunikation und Artikulation von Perspektiven der ForscherInnen mit unterschiedlichem fachlichem Hintergrund und PraktikerInnen. Zudem reflektiert dieser Rahmen selbst die vorläufigen Ergebnisse multidisziplinärer Interaktionen. Die so gewonnene Plattform ist weder ein Ansatz, der andere sozio-technische Theorien ersetzen könnte, noch ist sie als eigenständiges theoretisches Konstrukt zu verstehen. Vielmehr stellt er eine provisorische Sprache zur Verfügung, die einen Dialog und Kooperation verschiedener Perspektiven ermöglicht und dabei die spezifischen Aspekte der beteiligten Sichtweisen bestehen lässt. Dadurch ermöglicht Mikropolis neben technischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Implikationen bei der IuK-Gestaltung. Die Plattform bietet also eine ”Schablone“ für die Entwicklung projektbezogener, integrativer Rahmen (Balsiger, 2005) für transdisziplinäre Forschung in Richtung einer partizipativen und nachhaltigen Technikgestaltung.
Celina RAFFL
Die Wissenschaft ist gefordert auf neue gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren; dies führt zu neuen Formen wissenschaftlicher Methoden und Praxen, die sich häufig in Form technologischer Problemlösungsversuche (technological fix) äußern, aber auch in unterschiedlichsten Versuchen neuer fächerübergreifender Forschung und kooperativer Herangehensweisen. WissenschaftlerInnen verschiedenster Disziplinen werden dabei aufgefordert zu kooperieren und (inter-)nationale Netzwerke zu bilden. Häufig stößt der Wissenschaftsbetrieb beim Versuch der Umsetzung auf grundsätzliche Schwierigkeiten (wie Inkommensurabilität von Disziplinen, Auseinanderdriften von SpezialistInnen und GeneralistInnen, Diskrepanz zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung, etc.). Zudem werden Konzepte wie Inter- oder Transdisziplinarität häufig als dasselbe angesehen und die Begriffe synonym verwendet; hinter diesen ähnlich anmutenden Prinzipien stecken jedoch (implizit oder bewusst) Denkrichtungen, die je nach Herangehensweise und Interpretation eine andere Bedeutung haben können: Es bedarf einer eindeutigen Begriffsklärung. In meinem Beitrag stelle ich Klassifizierungsmodelle für die Unterscheidung der Begriffe Multi-, Inter- und Transdisziplinarität vor, wobei ich mich auf unterschiedliche Denkweisen in der Wissenschaft beziehe. Transdisziplinarität basiere ich auf der Theorie komplexer Systeme; eine solche Herangehensweise eignet sich als Grundlage für kooperative Forschungsformen sämtlicher Disziplinen. Erläutern werde ich diesen Ansatz anhand des Verhältnisses von Technologie(n) und Gesellschaft; dabei beziehe ich mich auf den Mutual Shaping Approach (Herdin/ Hofkirchner/ Maier-Rabler 2007). Besonderen Fokus lege ich auf das neu entstandene Forschungsfeld ICT&S (im englischsprachigen Raum auch als Internet Studies, Internet Research oder Information Society Science bezeichnet) und stelle den Salzburg Approach vor (Fuchs/ Hofkirchner/ Raffl 2007), in dem es um theoretische Überlegungen des emergierenden Forschungsfeldes ICT&S geht. In meinem Beitrag möchte ich zeigen, dass im Bereich Technology Assessment nur eine transdisziplinäre Herangehensweise sinnvoll und zielführend ist. Damit wird auch der Gegenstand ICT&S Research zu einem transdisziplinären Forschungsgebiet par excellence.
Judith SIMON
Technikfolgenabschätzung (TA) fungiert zumeist als Paradebeispiel für funktionierende interdisziplinäre Praxis. Ein Blick in die Literatur (z.B. Weingart & Stehr 2000), aber auch Gespräche mit KollegInnen und die Reflexion eigener Forschungspraxis, zeigen jedoch schnell die Fallstricke interdisziplinärer Forschung. Genau das, was Inter- und Transdisziplinarität zu allererst nötig macht, nämlich steigende Komplexität und Hybridität der Forschungsfragen einerseits sowie eine zunehmende Spezialisierung in den Wissenschaften andererseits, macht interdisziplinäre Kommunikation so schwierig. Eine Analyse durchgeführter Projekte kann hier Aufschluss darüber geben, welche sozialen, technologischen oder epistemologischen Aspekte unterstützt werden sollten, um interdisziplinäre Kooperationen erfolgreicher zu gestalten.
Das Anliegen meines Vortrags wird jedoch nicht in der Analyse bestehender Praxis liegen, sondern in der transdisziplinären Erweiterung der TA um ein neues Feld der Technikfolgen, das der epistemischen Technikfolgen. Die TA berücksichtig neben sozialen, ökologischen, politischen und ökonomischen (Grunwald 2006) teils auch ethische, psychologische und anthropologische Folgen von Technologien. Neuere Ansätze erweitern diesen Blickwinkel noch um materiale, sozial-kulturelle und subjektivitätsbezogene Voraussetzungen und Folgen sowie deren Wechselwirkungen (Maasen & Merz 2006). Gerade diese Verschiebung des Fokus der TA von den Folgen auf ein Wechselverhältnis von Voraussetzungen und Folgen scheint mir hierbei besonders wichtig. Bei der Fülle der untersuchten Folgen ist es jedoch erstaunlich, dass bisher eine direkte Adressierung der epistemischen Folgen kaum stattgefunden hat. Im Zentrum meines Vortrags werden also jene vernachlässigten Folgen stehen, welche Technologien auf Vorstellungen und Konzeptionen von Wissen selbst haben - und ebenso die Rückwirkung dieser Wissenskonzeptionen auf die Entwicklung neuer Technologien. Eine Ausnahme hinsichtlich eines erweiterten Technikfolgenspektrums findet sich bei Nentwich (2001) und dessen Fragen nach möglichen Auswirkungen von IKT auf den Prozess wissenschaftlicher Wissensproduktion. Allerdings beschränken sich die Auswirkungen von IKT auf Konzeptionen des Wissens nicht nur auf wissenschaftliches Wissen. Vielmehr beeinflussen IKT in dem Moment, wo sie einen derart hohen Bekanntheits- und Verbreitungsgrad wie z.B. Wikipedia, Flickr, del.icio.us oder MySpace haben, auch gesellschaftliche Vorstellungen dessen, was als Wissen gilt und wirken dadurch wiederum auf die Entwicklung neuer Software zurück. In dem Moment, wo nicht nur wissenschaftliches Wissen berücksichtigt wird, sondern eben auch lebensweltliches Wissen und außerwissenschaftliche Expertise einbezogen werden, befinden sich IKT und Wissen also nicht mehr nur im Feld interdisziplinärer, sondern vielmehr auch transdisziplinärer Wirkungen.
Meine These ist, dass die Einbeziehung epistemischer Folgen und Voraussetzungen für eine kritische und adäquate TA unerlässlich ist, weil Wechselwirkungen zwischen Technologie und Gesellschaft über Wissenskonzeptionen vermittelt sind. Ich werde mein Konzept der epistemischen Folge am Beispiel der Auswirkungen von Social Software-Anwendungen auf Konzeptionen des Wissens entwickeln. Zentrale Aspekte meiner Überlegungen zum Spannungsfeld von Wissen und Social Software betreffen u.a. den Übergang von Top-Down-Klassifikation zu Tagging für die Struktur von Wissen, die Rolle von Vertrauen und Zeugenschaft (z.B. Ratings) sowie die Bedeutung von Massen und statistischen Qualitätskriterien für die Bewertung von Informationen im Netz. Meine zugrunde liegende Annahme ist hierbei, dass sich Funktionen von Wissen (z.B. Orientierung, Wahrheit) ebenso wie die Komponenten und Strukturen von Wissen (z.B. Klassifikationen oder Taxonomien) durch neue Entwicklungen im Bereich der IKT entscheidend verändern. Mein Vortrag endet mit einem Plädoyer für eine transdisziplinäre Erweiterung des Folgenspektrums in der TA um das Feld der epistemischen Folgen.
Mahshid SOTOUDEH
"You can't be a stone if you're cement" (Zabusky/Barely 1997)
Ein gemeinsames Ziel der europäischen Umweltpolitik, Technologiepolitik und Innovationspolitik ist es, Innovation zu maximieren und gleichzeitig Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt zu minimieren. Die Politik auf Europäischer Ebene stellt zunehmend Anspruch auf umfassendere TA-Studien, die sowohl sozio-ökonomische als auch sozio-kulturelle und umwelt-ökonomische Auswirkungen berücksichtigen, Optionen für anpassungsfähigere Technologien identifizieren, verschiedene Interessen und Ansichten unterschiedlicher sozialer Gruppen berücksichtigen. Gründe dafür sind u.a. Erfahrungen mit komplexen Problemen, die Diffusion des Vorsorge-Prinzips oder Bewusstsein eines neuen Verständnisses der Wissenschaft als „post-normal science“.
Die Europäischen Umweltagentur (EUA/EEA) hat 2002 in einem Bericht 14 Fallstudien analysiert und Schlussfolgerung für die Anwendung des Vorsorge-Prinzips ausformuliert. Die Fallstudien befassen sich u.a. mit der BSE- oder „Rinderwahnsinn“-Krise, Asbest, FCKWs, und der Luftverschmutzung durch Schwefeldioxid.
Einige dieser „späten Lehren“ lauten im Detail:
Unkenntnis, Unsicherheit und Risiken bei der Beurteilung von Technologien und bei der Schaffung des Gemeinwohls erkennen und ihnen entgegentreten.
Schwachpunkte und Lücken in der Wissenschaft erkennen und reduzieren.
Interdisziplinäre Hindernisse für die Lernentwicklung erkennen und beseitigen.
Eine Anzahl alternativer Möglichkeiten zur Befriedigung von Bedürfnissen neben der zu beurteilenden Option bewerten und stabilere, vielfältigere und anpassungsfähigere Technologien fördern, so dass die Kosten unangenehmer Überraschungen minimiert und die Vorteile von Innovationen maximiert werden.
Sicherstellen, dass bei der Beurteilung das Wissen von „Laien“ sowie lokal verfügbares Wissen neben dem Fachwissen von Sachverständigen herangezogen wird.
Die Werte und Ansichten unterschiedlicher sozialer Gruppen vollständig berücksichtigen.
Die Unabhängigkeit von Behörden gegenüber Interessengruppen bewahren und gleichzeitig ein umfassendes Konzept zur Sammlung von Informationen und Meinungen verfolgen.
Institutionelle Hindernisse für die Lernentwicklung und Handlungsmöglichkeiten erkennen und beseitigen.
Vermeiden, dass eine „Paralyse durch Analyse“ entsteht, indem gehandelt wird, um potenzielle Risiken zu senken, wenn ein begründeter Anlass zur Besorgnis besteht.“ (EEA 2002)
Diese empirisch erstellte Anforderungsliste setzt für die Technikfolgenabschätzung implizit und explizit die Interdisziplinarität und Transdisziplinarität voraus. In diesem Beitrag wird ein Beispiel aus der Zementindustrie herangezogen, um die fest verankerte Rolle von Interdisziplinarität in der TA zur Erfüllung der oben genannten Anforderungen zu illustrieren.
Kurze Vorstellung der Fallstudie
Die Nutzung von Sekundärrohstoffen (diverse Abfälle) in der Zementherstellung wird von der Europäischen Zementindustrie als eine Innovation mit win-win Potential präsentiert, um Energieressourcen zu reduzieren, durch Abfallwirtschaft neue Einkommensquellen für Zementanlagen zu schaffen, neue Produkte zu entwickeln (wenn Zusatzstoffe zu neuen Eigenschaften von Zement führen), Preise von inländischem Zement zu reduzieren und billigem Import entgegenzuwirken.
Ein Risiko ist bei der Nutzung von Abfällen unmittelbar wegen der Steigerung von Feinstaub und Dioxinemissionen gegeben. Auch wirtschaftliche Fehleinschätzungen sind möglich, da Abfallwirtschaft ein turbulentes wirtschaftliches Feld ist. Ebenfalls besteht Unsicherheit über Stärke der Auswirkungen dieser Rohstoffveränderung, da keine Erfahrung mit komplexen chemischen und physikalischen Vorgängen vorhanden ist. In Abwesenheit vergleichbarer technischer Fakten kann die Unsicherheit des Wissens durch die öffentlichen Debatten stärker wahrgenommen werden oder aber auch durch Übersättigung der Öffentlichkeit mit Informationen allmählich verblassen. Technologieentscheidungen müssen jedoch schnell und genau getroffen werden, denn die neuen Mitgliedstaaten wollen ihre Industrie auf Niveau der EU15 bringen. Gleichzeitig sind Industriebranchen wie Zement und Stahl investitionsintensiv mit extrem langer Lebensdauer von Anlagen bis zu 50 Jahren. Zusätzlich besteht oft ein Interessenproblem, da internationale Konzerne zahlreiche lokale Anlagen betrieben, die einerseits die Loyalität zu Mutterkonzernen beibehalten und sich andererseits an lokale Gegebenheiten anpassen müssen. Der Entscheidungsfindungsprozess ist hier ein stark interessen- und wertegeladener Prozess. Das ist die Situation, wenn "facts are uncertain, values in dispute, stakes high and decisions urgent".
Post-Normal Science (Funtowicz/Ravetz 2001).
Das Konzept der “Post-Normal Science”, dass durch Silvio Funtowicz and Jerome Ravetz entwicklet wurde, beschreibt eine Situation, wenn die Grenzen zwischen Wissenschaft und Politik nicht klar sichtbar sind. Für eine TA-Studie würde es bedeuten, dass sich die drei Säulen von Wissensermittlung, Informationsdarstellung und Politikberatung über-schneiden. Entscheidungsfindungsprozess zu der Frage „Erleichterungen bei Genehmigung von Abfallverwertung in der Zementindustrie ja oder nein bzw. jein“ wird in diesem Fall quer durch verschiedene Disziplinen durchgeführt. Der Prozess wird nicht nur von technischen Fakten sondern auch von kontroversiellen Interessen und Werten beeinflusst. Unter diesen Voraussetzungen scheinen Interdisziplinäre TA und Transdisziplinarität unabdingbar, um die Qualität der TA-Untersuchung und des Entscheidungsfindungsprozesses zu erhöhen (Decker/Grunwald 2001; EEA 2002).
Die Präsentation wird einen Vergleich der Vorgangsweise dieser Fallstudie mit einigen parallel laufenden Fallstudien zu den Themen „Einsatz und Diffusion von industriellen clean technologies“ und „Bewertung der Folgen von Luftemissionen von Emerging Technologies“ in den Jahren 2002 bis 2004 beinhalten. Dabei wird ebenfalls die Untrennbarkeit der Interdisziplinarität von TA-Studien in der Forschung an „clean technologies“ deutlich. Als Beitrag zur Diskussion werden schließlich Nachteile eines Zwangs zur Interdisziplinaritärt in TA und ihre „Zementierung“ angedeutet. Es stellt sich die Frage, ob nach Kritik von Carrier (2001) an Funtowicz (2001) auch komplexe und wertgeladene Probleme mit anderen Methoden behandelt werden können. Es wird auch die Frage diskutiert, warum Transdisziplinarität in solchen Projekten nicht genügend präsent ist, obwohl die Meinung von betroffenen Laien (z.B. Nachbarn der Anlagen) ein wesentliches Punkt in der Entscheidungsfindungsprozess darstellt.
Michael STAUFFACHER, Thomas FLÜELER, Pius KRÜTLI, Roland W. SCHOLZ
In der transdisziplinären Forschung wird ein wechselseitiger Lernprozess von Wissenschaft und Gesellschaft angestrebt, von dem beiden Seiten profitieren sollen. Wissen und Werte von Praxis wie Hochschule sollen wissenschaftlich integriert werden. An der ETH Zürich haben wir seit 1994 Theorie, Methode und Praxis der transdisziplinären Fallstudien im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit entwickelt und bislang rund 20 Großprojekte in verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt. Die Studien stehen in der Regel unter gleichberechtigter Leitung von Hochschule und Praxis; Problem sowie Forschungs- und Projektziele werden in einem gemeinsam verantworteten Prozess definiert; Orientierungen für zukünftiges Handeln werden in einem methodengestützten, analytischen und systematisch strukturierten Prozess gemeinsam von Hochschule und Praxis entwickelt.
Die Standortsuche für die Lagerung radioaktiver Abfälle ist ein exemplarisches Anwendungsgebiet für transdisziplinäre Forschung. Beim Umgang mit radioaktiven Abfällen müssen nebst sicherheitstechnischen und geologischen sowie betriebswirtschaftlichen Überlegungen auch soziale, politische oder ethische Aspekte mit einbezogen werden. Der komplexe Gegenstand erfordert einerseits eine Zusammenarbeit über die Disziplinengrenzen hinaus andererseits den Einbezug unterschiedlicher Stakeholder und der breiten Bevölkerung.
Die Beteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wird auch in der TA seit einigen Jahren eingehend diskutiert. Auf Grund unserer eigenen Erfahrungen zeigt sich in der einschlägigen Literatur dabei aber oft ein unklares, wenig ausgereiftes oder zu statisches Verständnis von «Partizipation». Zentral scheint aus unserer Sicht, dass Stakeholder sowie die Bevölkerung dem jeweiligen Kontext angemessen, entsprechend der anstehenden inhaltlichen Aufgabe mit angepasster Intensität und unter Kombination geeigneter Techniken einbezogen werden.
Im Rahmen eines transdisziplinären Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit der schweizerischen Energieindustrie erarbeiten wir Grundlagen zur Standortsuche für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Unser Beitrag zeigt die generelle Ausrichtung und Organisation des transdisziplinären Forschungsprojektes. Wir fokussieren dabei insbesondere auf die Konzeption und Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Wir zeigen, wie ein funktionaler, analytisch ausgerichteter und dynamisch organisierter Zugang zur Partizipation aussieht und was dieser leisten kann.
Gerald STEINHARDT, Hilda TELLIOGLU
Systemgestaltung und -entwicklung im ICT-Bereich folgen häufig nach wie vor dem Vierschritt a) Gestalten, b) Erproben, c) Überprüfen, ob das System funktioniert und welche Konsequenzen seine Verwendung hat, d) wenn unerwünschte Folgen oder Probleme auftauchen: Korrektur. Eine solche Vorgangsweise entspricht einer traditionellen reaktiven Technikfolgenabschätzung, bei welcher eine Evaluation und die Untersuchung auf Konsequenzen des Technikeinsatzes erst im Nachhinein erfolgen. Die prekären Implikationen eines solchen Procedere bestehen darin, dass die Folgen bereits eingetreten sind und eine Behebung zuweilen nicht mehr möglich oder aber sehr aufwändig und teuer ist. Wenn die unerwünschten Folgen und Probleme nicht beseitigt werden, resultiert daraus ein suboptimales oder unbrauchbares System.
In der Technikfolgenabschätzung gab es in der Zwischenzeit einen Paradigmenwechsel weg von der klassischen reaktiven TFA, welche die Folgen im Nachhinein untersucht und häufig am Prinzip der Gefahrenabwehr sowie an einer dem Emissions-Transmissions-Immissions-Schema folgenden Vermeidung von Gefahren für Umwelt und Gesundheit orientiert ist, hin zu stärker prospektiv orientierten Formen der Technikbewertung (z.B. konstruktive Technikbewertung, innovative/innovationsorientierte Technikbewertung, partizipative Technikbewertung).
Wir verwenden den Begriff „integrierte Technikbewertung“, um zu betonen, dass es bei der Gestaltung von ICT-Systemen erforderlich ist, Überlegungen und Erkenntnisse zu den möglichen Folgen einer Technik bereits in den Entwicklungs- und Gestaltungsprozess zu integrieren. Multidisziplinäres Systemdesign als Integrierte Technikbewertung orientiert sich an einem breiten Verständnis von Technikfolgen, bezieht insbesondere soziale Folgen mit ein und ist dem Vorsorgeprinzip verpflichtet. Denn die Gestaltung von ICTs ist nie bloßes Design von Technik, sondern immer Design von Soziotechnischen Interaktionsnetzwerken (Kling). Insofern ist auch eine prognostische Experten-Abschätzung möglicher Folgen technischer Neuerungen nicht ausreichend, sondern es ist erforderlich, mögliche Veränderungen für die Alltagspraxis und Organisationsstrukturen künftiger Nutzer in die Diskussion um die Ziele und die Gestaltung von Technikentwicklungsprojekten zu integrieren. Integrierte Technikfolgenbewertung beginnt bei der Planung und Gestaltung technischer Systeme und ist ein iterativer, diskursiver und partizipativer Prozess, der alle relevanten sozialen Akteure und Stakeholder von Anfang an mit einbezieht.
Im Rahmen des EU Forschungsprojektes MAPPER wurden in mehreren Arbeitsgruppen ethnographische Studien zur Erhebung der Anforderungen und zur Evaluation der entwickelten Technologien und Methodologien durchgeführt. In diesem Beitrag werden zwei Beispiele zur Verdeutlichung unserer Überlegungen erörtert:
Fall 1:
Die schwedische Arbeitsgruppe bekommt ein neues IT-System zur Verwaltung und Konfiguration der Arbeitsprozesse, die model-basiert automatisch generiert und gesteuert werden sollen. Das System wurde von den Entwicklern ohne die Partizipation der NutzerInnen produziert. Mehrmalige Versuche des Einsatzes sind gescheitert, weil das System überhaupt nicht dem entspricht, was die NutzerInnen haben wollten. Das System wird bei seiner Einführung bzw. Anwendung evaluiert, allerdings ist die Evaluation für eine Verbesserung bzw. Änderung nicht mehr brauchbar. Eine Modifikation der NutzerInnenschnittstelle bzw. der Funktionalität ist nicht oder sehr limitiert möglich. NutzerInnen wollen das System nicht einsetzen und die Entwicklung wird eingestellt.
Fall 2:
Die polnische Arbeitsgruppe versucht gemeinsam mit den EntwicklerInnen im Rahmen eines Wizard of Oz Experiments die richtige, von ihnen erwünschte Lösung in Form eines Prototyps zu produzieren. Das Ziel ist es virtuelle Sitzungen unter den Softwareentwicklern zu unterstützen, die im Rahmen von Bug Fixing oder Change Management Prozessen notwendig werden. Das Experiment ist ein interaktiver, partizipativer, multidisziplinärer und offener Prozess. Nutzer stellen fragen, bekommen Antworten, ändern ihre Anforderungen, wenn sie Teile des Systems (als Prototyp) sehen und ausprobieren können. EntwicklerInnen klären vieles gleich in der Sitzung, bevor sie anfangen, Systemteile relativ aufwendig zu entwickeln. Das Ergebnis wird dann dokumentiert und nochmals mit Nutzer evaluiert und schließlich entwickelt.
Im Fall 2 sehen wir ganz eindeutig die Partizipation in der Technikgestaltung und Technikbewertung, während der Fall 1 eine traditionelle TA anwendet. Während die Systementwicklung im Fall 1 scheitert, ist der Erfolg im Fall 2 sehr groß und die Nutzer sind sehr zufrieden. Der Fall 2 ist eine gute Illustration von integrierter Technikbewertung, die in Form eines multidisziplinären Systemdesigns passiert.
Karsten WEBER, William DINKEL
Angesichts der weitreichenden Folgen des Technikeinsatzes für viele Menschen, das soziale Gefüge der Gesellschaften und die Umwelt verwundert es nicht, dass zunehmend infrage gestellt wird, dass jene Personen, die Technik entwickeln, allein über ihren Einsatz entscheiden. Dies hat dazu geführt, dass das Instrument der partizipativen bzw. demokratischen Technikfolgenabschätzung entwickelt wurde. Hiermit soll versucht werden, den potenziell Betroffenen des Einsatzes von Technik schon vor deren Implementierung eine Stimme zu geben, um so Einfluss auf die Art und Weise des Technikeinsatzes zu ermöglichen. Diese dem demokratischen Selbstverständnis entsprechende Herangehensweise hat zudem den sicher nicht unwillkommenen Nebeneffekt, dass die Expertise der betroffenen Menschen (besser) genutzt werden kann, um Folgen und Nebenfolgen von Technik abschätzen zu können bzw. Hinweise zu bekommen, wie die infrage stehende Technik so gestaltet werden könnte, dass negative Folgen vermieden oder doch zumindest minimiert sowie positive Auswirkungen gesteigert werden können.
Allerdings zeigt sich hierbei, dass gerade die Bewertung von Folgen und Nebenfolgen keine reine objektive Sache ist, sondern Werturteile eine zunehmend wichtige Rolle spielen, die auf allgemeine normative Überzeugungen aufruhen. Schon im Triple-Helix-Modell der Entwicklung neuen Wissens treffen drei Systeme mit unterschiedlichen Rationalitätskonzepten und Gütekriterien für Wissen aufeinander – in der Wissenschaft geht es um Wahrheit, in der Wirtschaft um Profit und in der Politik um Durchsetzbarkeit. Gerade die Idee der partizipativen bzw. demokratischen Technikfolgenabschätzung oder sogar Technikentwicklung bzw. Wissensproduktion setzt eigentlich eine Erweiterung des Triple-Helix-Modells um eine weitere Helix voraus, denn wenn bspw. Bürgerinitiativen, Patientenvereinigungen, Umweltschutzgruppen, die Open Source-Bewegung oder ganz allgemein NGOs bei der Folgenabschätzung von Technik beteiligt sind, so lässt sich die Rationalität ihres Handelns nicht (nur) auf Wahrheit, Profit oder Durchsetzbarkeit reduzieren. Hier werden vielmehr, meist implizit, moralische Normen und Werte aktiviert und zur Beurteilung herangezogen.
Gleichzeitig ist sowohl in der Wissenschaft (die hier nicht im Vordergrund steht, aber immer mitgedacht werden muss) als auch in der Technikfolgenabschätzung selbst wenig klar, was sich hinter den Ausdrücken der Inter- und Transdisziplinarität verbirgt; zudem findet sich in der Literatur auch noch der Terminus „Multidisziplinarität“, der offensichtlich noch einmal etwas anderes als die ersten beiden Ausdrücke bedeutet. Da die institutionalisierte Technikfolgenabschätzung ihre wissenschaftlichen Wurzeln weder verleugnen kann noch will, steht für sie als Ideal wahres Wissen fast unweigerlich im Vordergrund. Doch schon bei der interdisziplinären Arbeit bspw. von Ingenieuren, Wirtschafts- und Sozial- bzw. Kulturwissenschaftlern zeigt sich, dass die Kriterien für die Akzeptanz der Forschungsergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Wissenschaft ist hier bereits in sich alles andere als homogen. Ist der Auftraggeber eines Forschungsprojekts gar die Politik und hat das Projekt bspw. das Ziel, technische Innovationen zur Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit zu befördern, so kollidieren unterschiedliche Gütekriterien für die Ergebnisse eines solchen Projekts. Dies gilt sowohl für die beteiligten gesellschaftlichen Teilsysteme als auch für die involvierten Personen. Wenn nun noch die Perspektive der Betroffenen einer technischen Innovation einbezogen werden sollte, verkompliziert sich die Situation noch einmal. Das Problem der unklaren Definition von Multi-, Inter- und Transdisziplinarität ist deshalb darin zu sehen, dass verbindliche Aussagen bzw. Festsetzungen zu den Gütekriterien der Ergebnisse fehlen. Der Versuch, diesem Problem durch Kompromisse gerecht zu werden, wird wohl meist in Enttäuschung auf allen Seiten enden – Konsequenz ist dann, dass entsprechende Ergebnisse schlicht nicht anerkannt werden. Multi-, inter- und transdisziplinäre Projekte leiden also unter Qualitätssicherungsproblemen, da nicht klar ist, welche Qualitätsmaßstäbe eigentlich angewendet werden sollen.
Der Vortrag wird dreigeteilt sein: Im ersten Teil werden einige Anmerkungen zum Begriffsfeld der Inter-, Trans- und Multidisziplinarität gemacht. Im zweiten Teil wird sehr kurz ein Forschungsprojekt vorgestellt. Im Projekt „Geschäftsprozesse und Nutzerschnittstellen im Mobile Business“, das vom BMB gefördert wird, werden in sieben Teilprojekten mögliche neue Anwendungen mobiler digitaler Kommunikation bzw. deren soziale Auswirkungen untersucht. Mithilfe einer qualitativen Studie wurde das Gesamtprojekt hinsichtlich seiner Inter-, Trans- und Multidisziplinarität untersucht und evaluiert, welche Qualitätskriterien die beteiligten Personen und Institutionen verwenden. Im dritten Teil schließlich sollen die bisherigen Überlegungen zusammengeführt werden. Die Probleme der Zusammenarbeit und der Ergebnisproduktion, die sich bei der Evaluation des BMBF-Projekts zeigten, lassen sich auf die nicht völlig klare Zielsetzung, auf Probleme der Kommunikation zwischen den Teilprojekten und vor allem auf unterschiedliche Qualitätskriterien der beteiligen Institutionen zurückführen. Das Fazit wird sein, dass Projekte, bei denen mehrere Disziplinen, Forschungsförderungs- und Forschungsmanagementinstitutionen involviert sind, wesentlich durch nichtwissenschaftliche Konflikte geprägt sind, die ohne Klärung zu suboptimalen Ergebnissen führen müssen.
Antonia WENISCH
Transdisziplinarität darf nicht nur als Forschungsmethode betrachtet werden, die zum Nutzen des Auftraggebers besonders effizient die Bedürfnisse und Einwände der BürgerInnen erfasst. Die Einbeziehung nicht-wissenschaftlicher AkteurInnen muss auch für diese selbst Nutzen haben: Können sie das Projekt beeinflussen? Finden ihre Werthaltungen Eingang in die Indikatorengewichtung? Werden ihre Vorschläge zur Vermeidung von Risiken oder zur Kompensation von Schäden und Nachteilen berücksichtigt?
Anhand praktischer Erfahrungen aus UVP und SUP Verfahren im Bereich der Lagerung radioaktiver Abfälle (Technologien der Brennstoffentsorgung, Lagertypen, Standorteignung) wird die Teilnahme und Rolle von NGOs und BürgerInnen beleuchtet. Bei derartigen Verfahren werden die Pläne und Gutachten im Auftrag der zukünftigen Betreiber (staatsnahe Agenturen) erstellt. Inhaltlich geht es hier zum einen um Technikbewertung und zum anderen darum den politischen Handlungsspielraum durch Entwicklung (vor allem regionaler) Alternativen zu erweitern.
In unterschiedlich gestalteten Verfahren werden die Kräfteverhältnisse, der Einfluss dieser AkteurInnen auf die Ergebnisse und die Entscheidungen von Verwaltung und Politik untersucht. Kritische Fragen zu Ausgang und Zweck der Verfahren werden aufgeworfen.
Von der Sache her ist in solchen Verfahren die Einschätzung vieler unterschiedlicher Disziplinen gefragt, von der Geologie bis zum Strahlenschutz, wenn es beispielsweise um die Standorteignung oder die Lagertechnik geht. Es wird analysiert, wieweit solche Verfahren tatsächlich interdisziplinär sind, also mehr als die Berichte der Einzeldisziplinen ergeben, und wer auf welche Weise in die Kriterien- und Indikatorenentwicklung einbezogen wird.
Erfahrungen mit UVP Verfahren in der Slowakei, Tschechien und Ungarn zeigen, dass die Zusammenführung und Bewertung der Einzelergebnisse (meist in Form einer Multikriterien-Analyse) nicht Gegenstand der Auseinandersetzung mit BürgerInnen und NGOs ist. Eine Begründung der Auswahl der Kriterien, sowie deren Gewichtung ist beispielsweise im Allgemeinen nicht Teil der Methodenbeschreibung.
Die Errichtung von Endlagern für nukleare Abfälle ist ein wesentlicher Schritt zur Verringerung des Risikos der Nutzung der Kernenergie. Die Erforschung unterschiedlicher Lagertechnologien und Wirtsgesteine für solche Lager wurde lange Zeit vernachlässigt. In mehreren europäischen Staaten wurden Verfahren zur Endlagersuche in den 70er Jahren begonnen. Damals getroffene Entscheidungen wurden wesentlich durch naturwissenschaftlich-technische Analysen bestimmt. Die Ergebnisse (Probebohrungen, Untertagelabors) wurden jahrelang von Bürgerinitiativen bekämpft. Bereits ausgewählte Standorte mussten aufgegeben werden. In den letzten Jahren wurde die Endlagersuche beispielsweise in der Schweiz und Deutschland neu aufgerollt. Von Beginn weg sollten die Verfahren transparent sein und BürgerInnen und NGOs eingebunden werden.
In Deutschland hat sich der AKEnd (Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte) ausführlich damit befasst eine transparente Vorgangsweise im Auswahlverfahren zu entwickeln, sodass unter Einbeziehung von Öffentlichkeit, BürgerInneninitiativen und der Regionen eine Standortsuche ermöglicht wird. Der AKEnd hat grundlegende Anforderungen an den Standort formuliert, wobei insbesondere Ausschlusskriterien definiert wurden (geologische und raumplanerische). Die Beteiligunsgbereitschaft der Region wird als wesentliches Element im Auswahlverfahren angesehen. Ein glaubwürdiges Verfahren erfordert, dass zumindest an zwei Standorten die untertägige Erkundung und Sicherheitsbewertung sowie eine Analyse des Entwicklunspotentials in der Region bewertet wird. Die Freiwilligkeit der Beteiligung der Regionen ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Erkundung.
Gerade bei der Bewertung der Chancen und Risiken müsste der Einfluss nicht- wissenschaftlicher AkteurInnen gestärkt werden. Wieweit das angestrebt wird und wieweit es gelingt, wird anhand der Verfahren zur Suche von Endlagern für hochradioaktiven Müll (AkEnd) in Deutschland, Tschechien und der Schweiz und Schweden betrachtet. Untersucht werden Unterschiede in der Organisation und den Zielsetzungen der Verfahren sowie die unterschiedliche Qualität der Beteiligungs-möglichkeiten. Es wird diskutiert, ob ein Empowerment der betroffenen BürgerInnen und NGOs zur qualitativen Verbesserung der Projekte führen kann und welche Voraussetzungen und Verfahrensabläufe nötig sind, damit die Verwirklichung eines Endlagerprojektes möglich wird.
Sowohl in Schweden als auch in der Schweiz wird die Standortprüfung in einem gestuften Verfahren als wichtige Voraussetzung für die spätere Zustimmung der Bevölkerung für ein Lagerungskonzept bzw. einen Endlagerstandort angesehen. In jedem Prüfschritt gibt es eine Debatte über die Einhaltung der Kriterien und die Bewertung des Verfahrens. Eine Vorgehensweise "Schritt für Schritt" ist die wesentliche Voraussetzung für die Überprüfbarkeit durch die Bürgerinnen und Bürger.
Wesentlich für die Partizipation der Bevölkerung sind der Aufbau von Kompetenz und die unabhängige Kontrolle des Prozesses durch die von der BürgerInnen eingesetzten ExpertInnen. Steht beides in einem Dienstleistungsverhältnis zur BürgerInnen, dann kann sich eine fachlich orientierte und gegenüber populistischen Argumenten resistente Partizipation entwickeln.