17.12.2015

SPEZIAL! Was wurde aus... Trends 1985 und heute

Von der Kernfusion bis zum smarten Auto - welche der 1985 vorhergesagten Phänomene trafen ein, welche nicht? Zum Jahresende haben wir die Antworten für Sie.

Kernfusion: Seit Jahrzehnten glaubt die Wissenschaft daran, sich die Energie der Sterne nutzbar machen zu können. (Foto: Wiki Commons)

Andre Gazsó über: Kernfusion – Grenzenlose Energievorräte

Unbegrenzte Energiereserven. Das Ende der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Das alles versprach 1985 der weltgrößte Kernfusionsreaktor im englischen Culham mit dem beeindruckenden Namen Joint European Torus. Kernfusion, also die Kernreaktion, bei der zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen und dabei Energie freisetzen, sollte bis heute eigentlich unsere primäre Energiequelle sein.

Und 30 Jahre später, lächelt Andre Gazsó, Risikoforscher am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) und ehemaliger EURATOM Projektleiter, sei es nun wieder soweit: „Es ist faszinierend zu beobachten, wie jede Generation seit der Geburt der Kernfusionsidee vor ca. 60 Jahren denkt, sie würde es schaffen.  Das aktuelle Cover des TIME Magazins titelt ganz groß, dass es jetzt „wirklich funktionieren könnte“. In den 70-er Jahren entschied sich Europa, den JET Reaktor nach russischem Konzept zu bauen. Mitte der 80er-Jahre wurde unter Reagan und Gorbatschow der Beschluss gefasst, die Kernfusionsforschung noch stärker zu internationalisieren. Die internationale Zusammenarbeit hat deswegen so gut funktioniert, weil wir damals noch Lichtjahre von rentablen Anwendungen entfernt waren. Und das sind wir heute auch noch“, betont Gazsó.

Und trotzdem wollen Startups in den USA wieder einmal kurz vor dem Durchbruch sein. Die Botschaft kommt bei zahlreichen US-Privatinvestoren an. Für Gazsó ist klar, dass es bei vielen Prognosen natürlich darum geht, Forschungsförderungen zu generieren.  Trotzdem glaubt man weiter an die Möglichkeit, die Energie der Sterne in der Zukunft  für uns nutzbar machen zu können. Europa arbeitet jedenfalls weiter konsequent an der Umsetzung des Kernfusionsprinzips. Mit gutem Grund, gilt es doch als die einzige Hoffnung auf die Erhaltung des derzeitigen Energieniveaus. Der ITER-Reaktor, (englisch für International Thermonuclear Experimental Reactor, lateinisch für Weg) ist ein seit 2007 im Bau befindlicher Kernfusionsreaktor nach dem russischen Tokamak-Prinzip, „das heißt der Reaktor hat eine Donut-ähnliche Ringform“, erklärt Gazsó. Das Besondere daran:  ITER wird als gemeinsames Forschungsprojekt der sieben gleichberechtigten Partner Europäische Atomgemeinschaft, Japan, Russland, Volksrepublik China, Südkorea, Indien und USA entwickelt, gebaut und betrieben. „Das zeigt, dass manches, was 1985 als große Hoffnung der Zukunft galt, auch im Jahr 2015 nicht durch Alternativen ersetzt wurde. Heute verspricht man uns einen Durchbruch für ca. 2050. Wir werden sehen, was die nächste Generation WissenschafterInnen erreichen wird“, so Gazsó.
 

Walter Peissl über: Das Papierlose Büro

Im Jahre 1985 als „das Papier verboten“ wurde, „Bücher am Aussterben“ waren, versetzen diese und ähnliche Slogans eine ganze Industrie in Panik. Grundlos, wie sich zeigte, denn der Verbrauch von Papier ist, zumindest in Europa, ungebrochen hoch. Dokumente werden auch heute noch nicht nur eingescannt und gespeichert, sondern meistens auch abgelegt.

Für Walter Peissl, Sicherheitsforscher am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA), ist das keine Überraschung: „Wir müssen uns die Büro-Revolution der 80-er Jahre bildlich vor Augen halten: Damals kamen erstmals absolute Neuheiten wie digitale Nebenstellenanlagen, Sprachboxen oder interne Mailsysteme zum Einsatz. ISDN-Leitungen und Fax-Geräte schienen die Zukunft zu sein. So wollte man Kosten sparen, Arbeitswege verkürzen und die Produktivität steigern. Heute wird mehr Papier produziert als damals. Das zeigt, dass die persönliche Einstellung der technischen Entwicklung manchmal einfach nicht folgen kann. Wir wollen weiter bestimmte Dinge in den Händen halten. Auf Nummer sicher gehen. Und nur, weil ein elektronisches Mailsystem Akten schneller übermittelt, heißt das nicht unbedingt, dass sie schneller gelesen werden. Die Realität der Büroarbeit ist eine andere. Die Menschen brauchen eine ‚Rüstzeit’, das heißt sie müssen sich gedanklich auf etwas einlassen, bevor sie Entscheidungen treffen“.

Peissl veröffentlichte vor fast 30 Jahren eine Studie mit dem klingenden Namen „Lokale innerbetriebliche Telekommunikationsnetze“. „Damals war zum Beispiel auch noch keine Rede von digitaler Archivierung. Elektronische Signaturen, die die Echtheit eines digitalen Dokuments bestätigen, sind zum Beispiel erst seit 1.1. 2000 vor dem Gesetz verbindlich.  Zuvor musste alles einen Eingangsstempel haben.“ Trotzdem ist in den Betrieben Papier als Informationsträger heute wie damals unverzichtbar. Das ist so, weil wir Menschen sind. „Was immer wir tun, jede Veränderung in unserer Lebens- und Arbeitswelt, hat natürlich auch eine soziale und kulturelle Dimension. Veränderungen müssen langsam anerkannt, der Umgang mit Ihnen erlernt und Vertrauen in neue Lösungen aufgebaut werden. Damit hinken wir der Technikentwicklung beständig nach.“ 
 

Michael Nentwich über: Die Technisierung des Alltags

Ein Feuerschweif, ein Knall, ein Mann. Am 21. Oktober 2015 landet Marty McFly mit einem zur Zeitmaschine umgebauten DeLorean in der Zukunft – zumindest in Hollywood-Film Back to the Future 2. Das Auto der Zukunft ermöglicht uns leider bis heute keine Zeitreisen.  Auch fliegen können Autos immer noch nicht.

Stattdessen beschäftigt sich die Industrie heute primär mit Fragen der Vernetzung.  Das ist auch beim modernen Wohnbau  nicht anders. Vom intelligenten Stromzähler bis hin zum Kühlschrank, der Alarm schlägt wenn die Milch leer wird, sollen Technologien unsere Wünsche und Bedürfnisse des Alltags schon schneller als wir selbst erkennen.  Die „Roboterisierung“ unserer Arbeitswelt ist ein weiteres Beispiel für die voranschreitende Technisierung unserer Lebenswelten. Trotzdem sind in den 80-er Jahren gerne hervor gerufene Zukunftsvisionen vom nicht ermüdenden Roboterkrieger a la Terminator noch nicht Realität geworden.

Was wir aber heute bereits erleben, ist subtiler – denken wir nur an die Beschneidung unserer Privatsphäre durch soziale Medien, GPS oder die Speicherung medizinischer Daten. Für Michael Nentwich, Leiter des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung, sind neue Technologien zentrales Thema einer gesellschaftlich verantwortlichen Forschung: „Nehmen wir Drohnen als Beispiel: Wir erleben hier gerade einen kommerziellen Boom, unbemannte Flugkörper können uns außerdem sowohl bei Rettungseinsätzen aber auch in der Landwirtschaft oder in der Archäologie unterstützen. Bedenken kommen erst dort auf, wo das Recht auf Privatsphäre verletzt wird und Technologien in unsere Intimsphäre eindringen. Wenn der Sensor im Bad weiß, wie oft ich mich dusche, hat das Folgen. Wir müssen wir uns bei der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung fragen: Wie wirkt sich technologischer Fortschritt auf menschliche Bedürfnisse und Empfindlichkeiten aus. Das ist manchmal unbequem, aber dazu sollten wir uns als demokratische Gesellschaft verpflichtet fühlen.“