Projekt

Alois Riehl und der Philosophische Kritizismus

Die Frage, wie wir über eine bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit Wissen erlangen können, wird in der gegenwärtigen analytischen Philosophie intensiv und vielseitig diskutiert. Dabei ist der Beitrag A. Riehls bisher fast gänzlich unberücksichtigt geblieben, obwohl dieser am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in seinem dreibändigen Werk Der Philosophische Kritizismus eine elaborierte Philosophie des Realismus entwirft, in der er sowohl einen Realismus raumzeitlicher Gegenstände, einen mathematischen Realismus, einen wissenschaftlichen Realismus und einen moralischen Realismus systematisch verbindet.

Um den Philosophischen Kritizismus wieder zu einem immanenten Bestandteil der aktuellen Forschung zu machen und gleichzeitig einer größeren Leserschaft den Zugang zu erleichtern, widmet sich das Zentrum für Wissenschaftsgeschichte der Universität Graz in eingehenden Studien diesem epochemachenden Werk und seinen vielfältigen Verflechtungen mit den naturwissenschaftlichen Entwicklungen am Ende des 19. Jahrhunderts.

Dabei wird das dreibändige Hauptwerk erstens in der Reihe Philosophische Bibliothek des Meiner-Verlags neu ediert: Band 1 soll bereits 2021 erscheinen, gefolgt von Band 2 im Jahr 2022 und von Band 3 im Jahr 2023. Bis dato unveröffentlichte historische Quellen, wie der Briefverkehr mit Heinrich Rickert, Friedrich Jodl, Bartholomäus von Carneri, Hugo Münsterberg, Wilhelm Wundt, Eduard Spranger, Ernst Mach und Hans Vaihinger sowie die Aktenmaterialien der Universitäten Graz, Wien, Freiburg, Halle, Kiel und Berlin, werden dabei einen historisch-kritischen Zugang zum Text ermöglichen. Diese Studienausgabe wird eine profunde Grundlage für die weiteren Studien zu Riehls Philosophie bilden.

Um den Text auch für eine größere Leserschaft zugänglich zu machen, ist zweitens in der Reihe Klassiker Auslegen des Verlags de Gruyter (Reihenherausgeber: Otfried Höffe) ein kooperativer Kommentar geplant.

In der Forschung wurde bis heute zu wenig berücksichtigt, dass Riehls Realismus neben den philosophischen Konzepten von R. Hönigswald und R. Reininger eine durchaus eigenständige Tradition des österreichischen Neukantianismus bildet, die zudem für die Entstehung des logischen Positivismus eine zentrale Rolle spielt. Um diese Forschungslücke zu schließen, erscheint drittens 2021 im Verlag de Gruyter (Reihe Meinong Studien) eine Anthologie mit dem Titel Kant in Austria. Alois Riehl and the Realist Way to Critical Philosophy.

Viertens wird im Jahr 2024, in dem sich der Todestag Riehls zum 100. Mal jährt, ein internationaler Kongress an der Universität Graz abgehalten.

Bibliografie (Auswahl)

Abbildung: Portraitsammlung Ismael Gentz, Archiv Edition Raetia

Projektleitung

Prof. Dr. Simone De Angelis
Universität Graz

Mag. Dr. Rudolf Meer
Universität Graz


Veranstaltungshinweis

Vortragsreihe
Integrating History and Philosophy of Science
Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Universität Graz
PROGRAMM

Publikationen