Projekt

INTERAKTIONEN ZWISCHEN MEDIZIN, POLITIK,  GESELLSCHAFT UND KUNST

Medical Humanities ist ein interdisziplinäres Feld, welches auf die Einbettung von humanistischen und soziokulturellen Perspektiven in der Medizin und im Gesundheitswesen abzielt. Durch die Verbindung mit Natur-, Sozial-, Geistes- und Kunstwissenschaften soll der klinische Ansatz der Medizin erweitert werden. Aspekte der bildenden Künste (Musik und Darstellende Kunst) sowie der geisteswissenschaftlichen Disziplinen (Literatur und Sprachwissenschaften) werden mit Blick auf die menschlichen Wahrnehmungen von Gesundheit, Krankheit und Patientenversorgung mitberücksichtigt. Medical Humanities befasst sich vor diesem Hintergrund mit der Stellung und der Bedeutung des Menschen im medizinischen System und in der Patientenversorgung.

Das Forschungsfeld Medical Humanities wurde im 21. Jahrhundert durch das interdisziplinäre Studiengebiet Health Humanities erweitert. Health Humanities rückt die Förderung von Gesundheit gemäß den konstruktivistischen Prinzipien der Geisteswissenschaften in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung und zielt auf ein intersubjektives dialogisches Verständnis in der Behandlung von Krankheiten ab.

Im Fokus der Medical/Health Humanities steht somit einerseits die Interaktion zwischen Medizin, Gesellschaft und Politik, welche auf eine dynamische Interdisziplinarität der Wissenschaften hinweist. Durch die Einbindung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Aspekte wird eine kritische Auseinandersetzung mit der Medizin und der medizinischen Versorgung angestrebt. Dies eröffnet zugleich ein differenziertes Verständnis von Gesundheit und Krankheit sowie der Heilungsprozesse nach sozialen und kulturellen Dimensionen von Krankheit und Gesundheit. Andererseits können auch einzelne Aspekte zu den Themen Medizin, Literatur und Kunst ins Blickfeld der Forschung genommen werden.

Während die Arbeitsgruppe „Geschichte der Medizin“ zuerst die wissenschaftlichen, politisch-ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen der Wiener Medizin zwischen 1848 und 2004 erforschte, wurde der Forschungsschwerpunkt nun um das interdisziplinäre Forschungsfeld Medical/Health Humanities erweitert. Diese Erweiterung ist aktuellen Entwicklungen sowohl in der Forschung als auch in der Lehre und Praxis der Humanmedizin sowie Pflege- und Gesundheitswissenschaften geschuldet. Sie ermöglicht den Mitgliedern der AG über die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte der Medizin in Wien (bzw. Österreich) hinaus, die Ergebnisse ihrer interdisziplinären Forschungen mit Fokus auf die Medical/Health Humanities vorzulegen.

(Afsaneh Gächter)

Geplante Publikation für 2025: Helmut Denk, Afsaneh, Gächter, Katrin Pilz, Ulrike Salzer-Muhar, Felicitas Seebacher, Estelle Weiss-Krejci (Hg.): Im Fokus: Medical und Health Humanities. Interaktionen zwischen Medizin, Politik, Gesellschaft und Kunst

cover picture: Faltenlinien 8 – Fußbandage 1 (Mapping), 2016-2018
Foto © Barbara Graf

In eine medizinische Gaze sind äußere Faltenstrukturen des Fußes gleichsam kartografisch mit rotem Faden und der Nähmaschine ins textile Gewebe gestickt. Die Linien erscheinen als innere körperliche Strukturen sowie als Wunden. Die Stickereien markieren Körperstellen und verrutschen in der fotografischen Inszenierung von ihrem vorgesehenen Ort oder lösen sich auf. Der medizinische Verband fungiert sowohl als Verkörperung der Verletzlichkeit als auch als schützende und heilende Schicht.

http://barbara-graf.at/

Projektleitung

w. M. Helmut DENK
Felicitas SEEBACHER

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

w.M. Patrizia GIAMPIERI-DEUTSCH
k. M. Florian STEGER
Heiner FANGERAU 
Eberhard GABRIEL
Hans-Georg HOFER
Birgit NEMEC

WEITERE (EHRENAMTLICHE) MITGLIEDER DER ARBEITSGRUPPE

Daniela ANGETTER-PFEIFFER
Afsaneh GÄCHTER
Barbara GRAF
Eva HALLAMA
Andreas HASSL
Franz X. LACKNER
Henriette LÖFFLER-STASTKA
Gabriele MELISCHEK
Johannes MIHOLIC
Monika PIETRZAK-FRANGER
Katrin PILZ
Ursula ROKITANSKY
Katharina SABERNIG
Ulrike SALZER
Peter SCHWARZ
Herwig SWOBODA
Franz WALDHAUSER
Carlos WATZKA
Estelle WEISS-KREJCI
 

News

JOUR FIXES DER ARBEITSGRUPPE

In monatlichen Abständen hält die Arbeitsgruppe Jour Fixes ab. Die darin gehaltenen Vorträge widmen sich jeweils einem bestimmten Themenfeld.
Es wird um verbindliche Anmeldung zur Teilnahme an felicitas.seebacher(at)aau.at gebeten.

31. Jänner 2025, 15:00 bis 17:00 Uhr
HERMANN VON SCHRÖTTER, EIN PIONIER DER LUFTFAHRT- UND ÜBERDRUCKMEDIZIN UND DIE KLINISCHE ANWENDUNG DER ÜBERDRUCKMEDIZIN

Museumszimmer der ÖAW 
Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 2, 1. Stiege, 2. Stock
1010 Wien

Bernhard Schober:
Geschichte und Entwicklung der Luftfahrtmedizin

Jörg Lindenmann:
Hyperbare Oxygenierung (HBO) und ihre klinische Anwendung bei Long-COVID-Syndrom

Teilprojekte

Medizin in Philosophie, Wissenschaft und Kultur um 1800

03.05.2024, Campus Universität Wien

Mit der Romantik um 1800 verbinden sich nicht nur Philosophie und Literatur, sondern ebenso und weitaus weniger beachtet auch Medizin und Naturwissenschaften
mit empirisch-philosophischen Auffassungen zur Überwindung der Gegensätze von Leib und Seele, Gesundheit und Krankheit, Natur und Kultur. Das philosophische Verständnis dieser Mediziner und Naturwissenschaftler mit ihren programmatischen Zielen, „sich in die Natur einzufühlen“ oder „im Einklang mit der Natur zu leben“, beeinflusst bis in die Gegenwart die Suche nach Bewahrung
und Pflege der Natur sowie das Konzept einer menschlichen Humanmedizin in Diagnostik und Therapie sowie vor allem der Arzt-Patienten-Beziehung. Das Symposion wird das Thema in der Vielfalt der multidisziplinären Perspektiven behandeln und zur Diskussion stellen.

Veranstaltet in Kooperation mit dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Forschungsplattform der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien

Organisiert von em. Univ. Prof. Dr. phil. med. habil. Dietrich von Engelhardt, Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung, Universität zu Lübeck/Karlsruhe
O. Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Ulrich H.J. Körtner, Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Forschungsplattform der Universität Wien & der Medizinischen Universität Wien
w. M. Univ.-Prof. em. Dr. med. Helmut Denk, Mag.a Dr.in Felicitas Seebacher und w. M. Univ.-Prof.in Dr.in Patrizia Giampieri-Deutsch, Kommission für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften, AG Geschichte der Medizin und Medical/Health Humanities



Internationale Konferenz: Transformationen der Gesellschaft in der Krise: Zwischen "normal" und "verrückt" - Spannungsfelder einer erodierenden Differenz

10. bis 11. Juni 2024, Theatersaal der ÖAW

Die Geschichte der Psychiatrie war früher eine Geschichte der Differenz von „normal“ und „verrückt“. Heute kann konstatiert werden, dass diese Differenz zunehmend brüchig geworden ist. Die Grenzen zwischen gesund und pathologisch sind nicht immer klar zu bestimmen. Die Deinstitutionalisierung von Patienten und Patientinnen geht einher mit dem Entstehen neuer
Institutionen. Selbstermächtigung sowie Machtlosigkeit von vermeintlich Betroffenen stehen in einem kaum zu lösenden Spannungsverhältnis. Das Symposium wendet sich der Frage zu, ob und inwiefern die so zu beobachtende erodierende Differenz durch gesellschaftliche und politische Krisen besondere Wendungen erfahren, wie diese artikuliert werden und welche Konsequenzen sie für die ärztliche Praxis und Gesundheitspolitik haben. Wie kann eine „psychiatrische Zeitgeschichte“, dazu beitragen, die Transformation von Gesellschaften in der Krise zu verstehen?

Projektleitung und Organisation:
Univ.-Prof. Dr. med. Heiner Fangerau, Sprecher der DFG Forschungsgruppe 3031: normal#verrückt
w. M. Univ.-Prof. em. Dr. med. Helmut Denk, Mag.a Dr.in Felicitas Seebacher und w. M. Univ.-Prof.in Dr.in Patrizia Giampieri-Deutsch, Kommission für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften, AG Geschichte der Medizin und Medical/Health Humanities

 


In Planung:
Internationales Symposium: "Die verstimmte Gesellschaft". Musik und Medizin im Antlitz der Krise

18.-19. September 2025

Unsere westlich orientierten Gesellschaften erleben eine Krise, die sich aber aus zeithistorischer Sicht vielleicht schon länger angedeutet hat. Alte Gewissheiten geraten an ihre Grenzen, der gesellschaftliche Zusammenhalt wird strapaziert. Gesellschaftliche Transformationen werden dabei als Belastung und nur selten als Chance empfunden. Die Krisenwahrnehmung erfasst verschiedenste gesellschaftliche Teilsysteme und reicht von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Medizin. Etwas Orientierungswissen vermag hier die (Zeit-) Geschichte sowie Wissenschafts- und Medizingeschichte zu geben, die reich an früheren gesellschaftlichen Transformationen und Krisen ist und die zeigt, wie vergangene Krisen gelebt wurden. Aus der Medizin wissen wir, dass Musik zur Heilung eingesetzt wird und positive Wirkungen haben kann. Die Gesundheit der Gemeinschaft und Gesellschaft kann durch Klänge und Klangwelten beeinflusst werden und Toleranz, Empathie und Gleichklang fördern („healing soundscapes“).  

In diesem Symposium möchten wir einen besonderen Blick auf die konstatierte Krise der gegenwärtigen Gesellschaft und die Genealogie der Gegenwart werfen, indem wir uns besonders der Musik als Symptom, Ausdrucksform,  Vehikel und möglichem Spiegel von Transformations- und Krisenerfahrungen zuwenden.

Wissenschaftliche Leitung und Organisation

Univ.-Prof. Dr. med. E. Sebastian Debus, FEBVS, FEBS, Klinikdirektor – Chairman, University Heart and Vascular Center Department for Vascular Medicine, University Hospital Hamburg-Eppendorf, Brahms Billroth Stiftung für Musik und Medizin, Hamburg und Wien, Gesellschaft der Ärzte in Wien, Univ.-Prof. Dr. med.Heiner Fangerau, Prodekan für Strategische Entwicklung der Medizinischen Fakultät, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Centre Health & Society, Univ.-Prof. Dr. phil. Peter Becker, Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Universität Wien, mit w.M. em. o. Univ.-Prof. Dr. med. FRC Path. Helmut Denk, em. Univ.-Prof. Dr. Karl Acham und Mag.  Dr. phil. Felicitas Seebacher für die AG Geschichte der Medizin und Medical & Health Humanities, Kommission für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

 


Kooperationen


Publikationen

entstanden aus bzw. in Zusammenhang mit der Arbeit der Arbeitsgruppe:

Johannes Miholic, Die Hochenegg-Affäre 1924, in: Medizinhistorisches Journal 58 (2023) 4, 294 –312. DOI 10.25162 MHJ–2023 –0011.

Birgit Nemec / Hans-Georg Hofer / Felicitas Seebacher / Wolfgang Schütz (Hg.), Medizin in Wien nach 1945. Strukturen, Aushandlungsprozesse, Reflexionen (650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 6, hg. Friedrich Stadler), Göttingen: Brill, V & R unipress, Vienna University Press: 2022.
Open access: https://www.vr-elibrary.de/doi/book/10.14220/9783737013932

Franz Kainberger, Thomas Binder, Anahit Anvari-Pirsch (Hg.) Strada Medici, Wien: facultas 2021.

Ursula Rokitansky-Tilscher, Beethoven’s influence on Rokitansky’s methodology. “The facial nerves were of considerable thickness; the auditory nerves, on the other hand, were shrunk and marrowless” in: Wiener Medizinische Wochenschrift (2021) 171, 373‒380. URL: https://rdcu.be/chvZB     

Ursula Rokitansky-Tilscher, Beethoven’s death as the starting point for Rokitansky’s family ties to the art world. “We were there when they buried him and when he died, we wept,”  in: Wiener Medizinische Wochenschrift (2021) 171, 363‒372. URL: https://rdcu.be/cjMdm

Margret Jäger/ Afsaneh Gächter, Teaching Medical Anthropology in Front of the Screen. A Short Essay on Online Teaching with Medical Students During Summer Term 2020 in Austria. Curare - Journal of Medical Anthropology, 43 (2020) 1-4, 156‒159. 

Wolfgang Schütz/Katrin Pilz, Interactions between Medicine and the Arts. International Conference of the Medical University of Vienna and the Austrian Academy of Sciences (Commission for the History and Philosophy of Sciences) held in Vienna on 11th and 12th October 2019, in: Wiener klinische Wochenschrift (2020) 132, Supplement 1, 1‒65.

https://link.springer.com/epdf/10.1007/s00508-020-01706-w?sharing_token=2DGUXn1ZK8OfbpXtuaTDzPe4RwlQNchNByi7wbcMAY4otKd1OAI-jrNsK37Q1x3L1rBzWIcgPO310AHo4Sg8spEqq4VjJa0agP-mk_9Vdj8u7RbNi9_Kx0pSZpVGGhCtLdL4HxQMKqlI1lFu9vq7uQaPr7XUepsDvMvtEwaEYsI%3D

Ursula Rokitansky-Tilscher, "The Influence of neighboring countries and sciences and the international spread of Viennese medicine: Carl Freiherr von Rokitansky’s international relations", in: Wiener Medizinische Wochenschrift (2020) 170, 274‒283. URL: https://doi.org/10.1007/s10354-019-00725-1

Ursula Rokitansky-Tilscher, Carl Freiherr von Rokitansky’s Manual and Rudolf Virchow’s criticism: The controversial subject of Rokitansky’s doctrine of crases and dyscrases and the groundwork for modern humoral pathology, in:  Wiener Medizinische Wochenschrift (2020) 170, 284‒289. URL: https://doi.org/10.1007/s10354-020-00760-3

Ursula Rokitansky-Tilscher, Kunst und Psyche. Zur heilenden Wirkung von Kunst, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (2020) 58, 9‒12. URL: https://doi.org/10.1007/s00337-019-00628-7

Daniela Angetter/Birgit Nemec/Herbert Posch/Christiane Druml/Paul Weindling (Hg.), Strukturen und Netzwerke – Medizin in Wien 1848–1955 (650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 6, hg. Friedrich Stadler) Göttingen: Vienna University Press|V & R unipress 2018.
Open access: Strukturen und Netzwerke | V&R eLibrary (vr-elibrary.de)

Rezension
Rezension Wiener. Geschichtsblätter