26.07.2021

Gemeinsam gegen den Klimawandel

Was bedeutet der Klimawandel für die Menschheit? Wie können wir damit umgehen? Und warum ist die Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Disziplinen entscheidend? Das loteten die Geographin Margreth Keiler und der Demograph Roman Hoffmann im Gespräch aus.

Margreth Keiler und Roman Hoffmann vor einem Diagramm zu den Wechselwirkungen zwischen Bevölkerungsentwicklung, sozialen Faktoren, ökonomischen Veränderungen, Naturgefahren und Landnutzung, die beim Klima alle zusammenwirken. © ÖAW/Klaus Pichler

Die Hochwasser-Katastrophen, Unwetter und Perioden extremer Hitze machten in den vergangenen Monaten einmal mehr deutlich: Der Klimawandel betrifft alles und alle. Längst suchen unterschiedlichste Bereiche der Wissenschaften nach Lösungen und Antworten, um dem Klimawandel begegnen und dessen Folgen eindämmen zu können. Im Gespräch dazu diskutieren Geographin Margreth Keiler vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Demograph Roman Hoffmann vom Institut für Demographie der ÖAW, warum nicht nur Grundlagenforschung in unterschiedlichsten Bereichen, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig sein wird, um dem Klimawandel entschlossen entgegentreten zu können.

Neben der Coronapandemie sind die Veränderungen des Klimas das drängende Thema der Gegenwart. Wo sehen Sie in Ihrer Forschung die Auswirkungen des Klimawandels?

Margreth Keiler: Manche Veränderungen durch den Klimawandel können wir sehr zeitnah sehen, wie die Zunahme von Hochwasser oder den Rückzug der Gletscher. In meiner Forschung beschäftige ich mich mit Naturgefahren, Risikoforschung und der Frage, welche Resilienz unsere Gesellschaft hat, damit umzugehen. Es geht um geomorphologische Prozesse wie Murenabgänge oder Hangrutschungen und Lawinen, also salopp gesagt um alles, was vom Berg runterkommt und dessen Auswirkungen.

Der Klimawandel kann so auch zu einer Ursache für Migration und Flucht werden."

Roman Hoffmann: Auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung sehen wir, dass sich der Klimawandel auf verschiedene Lebensbereiche von Bevölkerungen auswirkt. Hierzu zählen zum Beispiel Auswirkungen auf die Gesundheit, das Wohnen und Arbeiten oder die Landwirtschaft und Ernährung. Global betrachtet sind manche Regionen der Welt deutlich stärker von den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Diese können sogar dazu führen, dass Menschen sich gezwungen sehen, aus ihrer Heimat zu flüchten. Der Klimawandel kann so auch zu einer Ursache für Migration und Flucht werden.

Blicken wir nach Österreich: Wien hat sich in den vergangenen Jahren zu einer „Hitzeinsel“ entwickelt. Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders von Hitze betroffen?

Hoffmann: Den Zusammenhang zwischen extremen Temperaturen und Gesundheit in der Metropolregion Wien untersuchen wir aktuell. Städtische Räume sind allgemein sehr stark von Perioden mit hohen Temperaturen betroffen, weil sich die Hitze aufgrund der Bebauung stärker ansammeln kann. Zu den besonders vulnerablen Personengruppen in der Stadt zählen ältere Personen, aber auch Kinder. In unserer Forschung analysieren wir beispielsweise, wie sich Hitzeextreme auf Risiken für Arbeitsunfälle oder auf das Risiko für Hospitalisierungen auswirken können. Während bei den Hospitalisierungen das Alter eine entscheidende Rolle spielt, sind bei den Arbeitsunfällen eher bestimmte Berufsgruppen, die eine höhere Exposition gegenüber Hitze haben, wie zum Beispiel Bauarbeiter, betroffen.

Keiler: Die Hitze in der Stadt wirkt sich auch auf die Gebirgsräume aus. In Tourismusgebieten in höheren Lagen sehen wir im Sommer bereits einen Anstieg von Personen, die aus den flachen Gebieten der Hitze wegen in höhere Lagen ausweichen. Wer mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung hat, wechselt deshalb vielleicht sogar den Wohnort und zieht in kühlere Gebiete, was wiederum in den Berggemeinden zu gesellschaftlichen Veränderungen führt. Die zunehmende Hitze kann also auch ein Grund dafür sein, dass Bodenpreise steigen, dass das Leben im Dorf teurer wird und dass es zu Verdrängungsprozessen kommen kann.

Was kann eine Stadt gegen extreme Temperaturen tun?

Hoffmann: Neben Bebauungsmaßnahmen wie der Begrünung von Gebäuden sollte man auch im sozialen Bereich ansetzen und den Gesundheitssektor auf Hitzewellen vorbereiten, sodass etwa sozialmedizinische Dienste ausreichend in der Lage sind, besonders verletzliche Personengruppen zu schützen.

Wir brauchen eine Vielfalt an Maßnahmen und Anpassungsstrategien. Um diese ergreifen zu können, müssen wir den Einfluss des Klimawandels verstehen."

Welche Gegenmaßnahmen zum Klimawandel braucht es jetzt?

Keiler: Wir brauchen eine Vielfalt an Maßnahmen und Anpassungsstrategien. Um diese ergreifen zu können, müssen wir den Einfluss des Klimawandels verstehen, etwa auf die Stabilität von Felswänden. Ein Beispiel: Wenn wir sehr hohe Temperaturen im Sommer haben, taut Permafrost in einer Felswand und dadurch kann es vermehrt zu Sturzprozessen kommen. Sediment, das normalerweise das ganze Jahr über gefroren ist, bröckelt ab und wird durch Hochwasser in die Täler transportiert, wo es große Schäden verursachen kann. Treten diese Prozesse jetzt häufiger und in größeren Dimensionen durch den Klimawandel auf? Oder sind wir auch deswegen stärker gefährdet, weil wir in Gegenden siedeln und Gebiete bewirtschaften, die in diesen durch Naturgefahren betroffen Flächen liegen? In unserer Forschung berechnen wir das Risiko aus naturwissenschaftlicher Sicht und untersuchen, wie es die Gesellschaft verändern wird. Dazu arbeiten wir mit Expert/inn/en aus Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Demographie zusammen.

Zeigt das, dass dem Klimawandel nur interdisziplinär entgegenzutreten ist?

Hoffmann: An den Schnittstellen von Umwelt, Klima und Bevölkerung kommt man nur mit interdisziplinärer Forschung weiter. Schließlich geht es um die fundamentalen Wechselbeziehungen von Natur und Mensch.

 

Auf einen Blick

Roman Hoffmann hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Soziologie und Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Er forscht am Wiener Institut für Demographie der ÖAW sowie am deutschen Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Margreth Keiler hat in Innsbruck und Aberdeen Geographie studiert. Von 2011 bis 2020 war sie Dozentin für Geomorphologie, Naturgefahren- und Risikoforschung am Geographischen Institut der Universität Bern. Seit März 2021 ist sie Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW in Innsbruck.