Tagung: Biographien, Netzwerke und Mobilität
Die Begriffe Biographie, Mobilität und Netzwerk haben in den letzten Jahren vielfach an Bedeutung gewonnen. Für die Erforschung dieser sich wechselseitig beeinflussenden Phänomene, die oft gleichermaßen mit Vielfalt und Komplexität verbunden werden, hat die Entwicklung digitaler Methoden und Werkzeuge neue Möglichkeiten bereitgestellt. Bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse lassen sich auch Bezüge zu aktuellen Themen herstellen. Grundlage für diese Forschung bilden dabei verstärkt nicht nur Archivquellen, sondern auch biographische Nachschlagewerke. Während eine quantitativ orientierte historisch-geographische Migrationsforschung bisher, außer bei internationaler Emigration, im Wesentlichen nur auf Basis von stock data durchgeführt werden konnte, bieten durch Methoden der Digital Humanities auswertbare Biographiedaten nun die Möglichkeit einer direkten Analyse der raumbezogenen Lebensstationen biographierter Personen und somit von flow data zu räumlicher Mobilität.
Block I: Digitale Werkzeuge und Methoden
Stehen Biographien in digitaler Form zur Verfügung, sind in der Regel auch Metadaten vorhanden. Die in den Fließtexten enthaltenen Informationen können mittlerweile nicht nur allein durch manuelle Annotation erschlossen werden. Für die Bearbeitung von Textkorpora werden darüber hinaus computerlinguistische Verfahren ebenso eingesetzt wie Neuronale Netzwerke, die auf menschlichen Vorarbeiten aufbauen und systematisch trainiert werden. Mögliche Fragestellungen:
Welche Werkzeuge für die Datengewinnung haben sich im Kontext bestehender virtueller Forschungsumgebungen/Ökosysteme bereits etabliert?
Nach einer kritischen Reflexion der bekannten Methoden schließt sich die Frage an, welche Anforderungen sich für die Zukunft stellen werden.
Block II: Quellen- und Methodenkritik
In Anbetracht der zunehmenden Vernetzung von biographischen Datenbeständen, der Möglichkeiten zur kollektiven Wissens(v)erarbeitung und der Entwicklung von Online-Publikationsformen stellt sich auch die Frage nach dem Stellenwert von digitalen/digitalisierten Quellen und den daraus abgeleiteten Forschungsergebnissen. Einflussfaktoren wie Suchalgorithmen und künstliche Intelligenz sind die neuesten Themen, die den wissenschaftlichen und zunehmend auch den öffentlichen Diskurs prägen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit biographischen Daten, die mit digitalen Methoden erfasst und untersucht wurden, ist darüber nachzudenken, welche Fehlerquoten wissenschaftlich vertretbar sind und ob diesbezüglich disziplinäre Unterschiede existieren. Mögliche Fragestellungen:
Für welche Analysen und Forschungsparadigmen eignen sich biographische Daten als Grundlagen und für welche nicht?
Welche Bedürfnisse stellen sich auf Basis einer kritischen Reflexion der digitalen Methoden für die Zukunft?
Wie ist mit digital entstandenem Wissen in Zukunft umzugehen?
Welcher Stellenwert wird biographischen, personenbezogenen Daten in einer zunehmend digitalisierten Wissenschaftskultur eingeräumt werden?
Block III: Historische Netzwerk- und Mobilitätsforschung
Große Bestände an biographischen Daten erlauben eine makroskopische Perspektive auf Lebens- und Karrierewege historischer Personen, die allein durch die Auswertung heterogener Quellen nicht möglich wäre. Dabei spielen quantitative Methoden wie jene der historischen Netzwerkanalyse bei der Aufdeckung biographischer Strukturen und Muster eine wichtige Rolle. Durch die Berücksichtigung verschiedener Aufenthaltsorte können Lebens- und Migrationsverläufe der biographierten Personen – und somit deren Karrierewege auch in raumbezogener Hinsicht – analysiert werden. Mögliche Fragestellungen:
Welche Aussagen lassen sich durch die Analyse biographischer Daten in Bezug auf historische oder humangeographische Fragestellungen treffen?
Wie lassen sich diese Ergebnisse im Vergleich zu bisherigen Untersuchungen einordnen?
Auf welche Weise können darauf aufbauend Desiderate für zukünftige Forschungen abgeleitet werden?
Die Veranstaltung findet am Do., 17. und Fr., 18. Oktober 2019 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien (1020, Hollandstraße 11-13) im Rahmen des Forschungsprojektes “Mapping historical networks: Building the new Austrian Prosopographical/Biographical Information System (APIS)” statt. Dieses Forschungsprojekt ist Teil des Forschungsprogramms „Digital Humanities – Langzeitprojekte zum kulturellen Erbe“ der ÖAW, finanziert von der Österreichischen Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. Mehr Informationen finden Sie unter der Webadresse https://apis.acdh.oeaw.ac.at/. Die Veranstaltung wird von drei Instituten der ÖAW gemeinsam organisiert: dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung (INZ), dem Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH) und dem Institut für Stadt- und Regionalforschung (ISR).
Um Anmeldung wird gebeten unter ulrike.rack(at)oeaw.ac.at.