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Die Carakasamhita ist eine der wichtigsten und ältesten Abhandlungen der klassischen indischen Medizin (Ayurveda); sie geht auf die ersten Jahrhunderte u.Z. zurück. Ihr drittes Buch, das Vimanasthana, ist eine reiche Quelle für unsere Kenntnis von grundlegenden Vorstellungen der frühklassischen indischen Medizin, insofern dort Themen wie das Wesen und die Klassifikation von Krankheiten zusammen mit ihrem speziellen Verhältnis zu den Geschmacksarten und den humores behandelt werden, ferner die Arten und Verbindungen von Heilsubstanzen, die in der Therapie eingesetzten Nahrungsmittel, Speiseregeln und -vorschriften und die verschiedenen Grundkonstitutionen von Patienten, die eine wichtige Rolle in der Therapie spielen.

Das Buch ist ferner von hoher Relevanz für die Kultur- und Religionsgeschichte des frühklassischen Indien u.a. wegen der Behandlung von Epidemien und Umweltthemen sowie der menschlichen Lebensspanne (ayus) in einem kosmologisch-mythologischen Kontext und in Verbindung mit Schicksal und menschlichem Handeln (karman). Außerdem ist das Vimanasthana unter mehreren Aspekten von großer Bedeutung für die frühe Geschichte der indischen Philosophie: im Rahmen der umfangreichen Darstellung der medizinischen Diagnostik in den Kapiteln vier und acht wird die Epistemologie der indischen Medizin, die mit derjenigen der frühklassischen Philosophie eng zusammenhängt, in ihrem besonderen Kontext präsentiert, während die detaillierte Behandlung der wissenschaftlichen Debatte im achten Kapitel, im Kontext der medizinischen Didaktik und des beruflichen Wettbewerbs, einen Einblick in frühklassische indische Dialektik und die Anfänge der indischen Logik sowie wissenschaftssoziologische Aspekte gibt. Trotz der hohen Relevanz der Carakasanhita insgesamt wurde der Text bisher noch nicht kritisch ediert, obwohl sein überlieferter Zustand problematisch ist. In der Folge eines Pilotprojekts zu Vimanasthana Kapitel 8 strebt das Projekt die kritische Ausgabe des Vimanasthana aufgrund aller verfügbarer Manuskripte und unter Berücksichtigung der Kommentare sowie des Zeugnisses anderer klassischer Werke des Ayurveda an. Der älteste vollständig erhaltene Kommentar, Cakrapanidatta's Ayurvedadipika (11. Jh.), wird hierbei eine besondere Rolle spielen; es wird deshalb eine Arbeitsausgabe, wiederum gemäß der Evidenz von Handschriften, des Kommentars zum dritten Buch erstellt werden, um einen verlässlichen Zugang zu diesem wichtigen Zeugen zu gewinnen. Der resultierende kritische Text, wohldokumentiert und durchdacht gemäß der modernen Textkritik, wird erstmals eine zuverlässige Quelle für Studien zu Einzelthemen darstellen. Eine philologisch und historisch annotierte Übersetzung des achten Kapitels, auf dem kritischen Text basierend, wird Indologen wie auch Wissenschafts- und Philosophiehistorikern einen authentischen und historisch kontextualisierten Einblick in die einmalige Verbindung von Medizin, Dialektik und Philosophie in diesem Kapitel gewähren.

Das in Kooperation mit dem Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde (Universität Wien) entstandene Projekt wird nach Beendigung der Mitarbeit von Cristina Pecchia an der Universität weitergeführt.

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