Berichte rund um Nanotechnologien reichen von gefährlichen Nanopartikeln in der Sonnencreme bis hin zu neuen medizinischen Durchbrüchen. Gudrun Lettner und Jean Schmitt haben am ITA vor kurzem das NanoTrust-Projekt übernommen. Aktuell beschäftigen sich die beiden unter anderem mit den Auswirkungen von Nanomaterialien am Arbeitsplatz. Warum es wichtig ist, Wissenschaft nahe am Menschen zu betreiben und wie sie Forschende und Start-Ups erreichen wollen erzählen sie im Interview.
Gudrun Lettner und Jean Schmitt, Sie haben am ITA den Bereich Nanotechnologien übernommen, dazu wird bei uns bereits seit 17 Jahren geforscht. in welche Richtung soll es nun gehen?
Gudrun Lettner: Wir wollen Ansprechpartner sein für alle Themen rund um Nano. Bei Nanotechnologien geht es ja nicht nur darum, Folgen zu erforschen, sondern auch Ängste zu adressieren. Dafür brauchen wir unter anderem einen besseren Überblick, wo überall in Österreich Forschung dazu passiert. Welche Unis erforschen zum Beispiel Nano in Beschichtungen, etwa bei keramischen Technologien. Ich möchte aber unsere Arbeit auch in der Grundlagenforschung besser bekannt machen.
Jean Schmitt: Ich bin zunächst mal begeistert, hier am ITA Forschungsergebnisse gleich an die richtigen Stellen weiter kommunizieren zu können. Durch die Arbeit des vorherigen Projektleiters André Gazsó, der ja weiter der Vorsitzende der Nano-Informationskommission des Gesundheitsministeriums ist, haben wir einen ausgezeichneten Draht zu vielen Ministerien und Organisationen wie der AUVA (Anm.: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt). Damit kann man dann auch Ergebnisse gleich an die richtigen Stellen bringen, etwa mit unseren NanoTrust-Dossiers, und die Diskussionen auf der jährlichen Tagung am ITA weiterführen. Jetzt geht es darum, Verbindungen mit Forschenden und Start-Ups auszubauen
Wo tauchen Nanomaterialien denn überall auf, gibt es da konkrete Beispiele?
Schmitt: Da gibt es viele Anwendungen, etwa in der Medizin oder bei Beschichtungen. Ein Beispiel ist etwa Graphen, das ist ein Kohlenstoff mit einer atomaren Schicht und wird meist für elektrische Eigenschaften benutzt, etwa bei Sensoren als Material, das sehr empfindlich ist und sehr stark reagiert, z.B. auf Temperatur- oder pH-Wert-Änderungen.
Lettner: Raumfahrtechnik ist ein anderes Feld in dem Nanomaterialien Anwendung finden. Man kann so Materialien herstellen, die viel leichter und widerstandsfähiger sind beim selben Volumen. Die Temperaturbeständigkeit kann ebenso verbessert werden.
Was sind die wichtigsten Fragen zum Thema Nanotechnologien?
Lettner: Immer wieder geht es bei Nano um den Bereich Gesundheit. Die Herausforderungen bei der Erforschung von Nanomaterialien, also etwa die Bestimmung der zulässigen Dosis oder die Einschätzung von Risiken, sind ähnlich wie jene im Bereich Umweltgesundheitsforschung. Im Rahmen von Nano EHS (Environment, Health and Safety) erforschen wir in NanoTrust aber nicht nur den Einsatz von Nano in der Medizin sondern auch mögliche Risiken am Arbeitsplatz.
Gerade erstellen wir gemeinsam mit der AUVA einen Überblick über nationale und internationale Grenzwerte von Nanomaterialien am Arbeitsplatz. Derzeit ist es so, dass man sich bei der Beurteilung von Grenzwerten auf die Masse des jeweiligen Nanomaterials bezieht. Da wir hier aber von unvorstellbar kleinen Teilchen sprechen geht es mehr um die Konzentration eines Stoffes, das heißt wie viele oder wenige Nanopartikel ich etwa in einem Kubikmeter finde. Relativ neu ist, dass wir jetzt auch die Auswirkungen von Advanced Materials untersuchen.
Was genau sind Advanced Materials?
Lettner: Advanced Materials sind Materialien, die für einen bestimmten Zweck hergestellt werden und so in der Natur nicht vorkommen. Eine wissenschaftliche Definition, was ein Advanced Material ausmacht, gibt es noch nicht.
Schmitt: Ein Charakteristikum ist, dass Advanced Materials neue Eigenschaften haben. Wenn ein solches Material aber dann öfter zum Einsatz kommt, ist es nicht mehr „advanced“, also fortschrittlich, sondern es wird normal. Wenn es also in drei von zehn Produkten verwendet wird, wie neu ist es dann noch? Daher ist es so schwer, für diese Stoffe eine eindeutige Definition zu finden.
Wie seid ihr zur Technikfolgenabschätzung gekommen?
Schmitt: Die Pandemie hatte mir meine Doktorarbeit ganz schön durcheinandergebracht. Ich hatte gerade einen Durchbruch erzielt und konnte es kaum abwarten, die nächsten Schritte zu machen, als es hieß: Alle Labors sind für die nächsten Monate geschlossen. Da habe ich mich freiwillig gemeldet, Forschung zu Covid zu betreiben. Ich habe dann eine Studie zur Schutzeffizienz von verschiedenen Masken durchgeführt. Wir haben auch 3D-gedruckte Adapter untersucht, die in der Anästhesie für künstliche Beatmung eingesetzt werden sollten. Auch die selbstgemachten Stoffmasken, die die Leute am Anfang getragen haben, habe ich untersucht. Im Modell haben wir simuliert, was mit den Atemluft-Partikeln passiert, je nachdem, wie man die Maske trägt und welche man verwendet. Danach habe ich an der Universität Toronto zu E-Mobilität im Zusammenhang mit Luftverschmutzung geforscht. Wir haben herausgefunden, wie viele Vorteile Elektroautos gegenüber Verbrennern haben, das ist außer Diskussion. Da wir aber kaum Zugang zu politischen Entscheidungsträger:innen hatten, blieben unsere Ergebnisse ohne Folgeauftrag.
Beides waren also Themen, die nahe am Menschen waren und bei denen es um unmittelbare Auswirkungen auf die Gesellschaft ging. Mir wurde auch klar, wie wenig wir erreichen können, wenn die Brücke zwischen Wissenschaft und Politik nicht existiert. Genau hier setzt Technikfolgenabschätzung an und das fasziniert mich.
Lettner: Ich komme eigentlich aus den Geisteswissenschaften und habe lange Zeit als Bibliothekarin an der Uni Wien gearbeitet. Nachdem ich das erste Mal Mutter wurde, hatte ich plötzlich das Verlangen, zukunftsorientierter zu arbeiten. In einer Orientierungsveranstaltung zu Verfahrenstechnik hörte ich einen Chemieprofessor, dessen Zugang mich faszinierte. Er sprach darüber was für ein Wahnsinn es ist, dass wir Erdöl, einen der wertvollsten Stoffe die wir haben, zu 95 Prozent einfach verbrennen. Da wusste ich, dass ich hier am richtigen Platz bin. Ich wollte schon lange mehr über Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung erfahren. Ich wollte etwas dazu beitragen.
Am ITA zu arbeiten hat mich deswegen interessiert, weil es mir die perfekte Gelegenheit bietet meine Fähigkeiten aus den Geistes- und Kulturwissenschaften mit jenen aus den Ingenieurwissenschaften zusammen zu führen. Mir war schon lange bewusst, dass wir uns als Ingenieurinnen und Ingenieure nicht nur auf Forschung und Entwicklung, sondern auch auf die damit verbundenen Risiken konzentrieren sollten. Wir müssen die Gesellschaft mitdenken. Welche Auswirkungen hat die jeweilige Technologie an der ich arbeite auf Mensch und Umwelt? Das ist eine Kernfrage, die uns immer bewusst sein muss.
Gudrun Lettner ist Kultur- und Sozialwissenschafterin sowie Verfahrenstechnikerin. Sie studierte Japanologie und Koreanologie an der Universität Wien. In ihrem noch laufenden Masterstudium der Verfahrenstechnik an der TU Wien fokussiert sie auf Nachhaltigkeitsthemen wie Kreislaufwirtschaft im Bauwesen, Biofuels oder Umweltchemie. Zur Bio
Jean Schmitt ist promovierter Umweltingenieur und hat eine Ausbildung in Mikromechatronik und Maschinenbau. Er verfügt über berufliche Erfahrungen sowohl in der Industrie als auch in der Wissenschaft. Während seiner Promotion in Umweltingenieurwissenschaften, die er 2022 an der ETH Zürich (Schweiz) abschloss, arbeitete er an der Entwicklung von Mikrosensoren zur Überwachung der Luftqualität. Zur Bio