Do, 21.09.2023 18:00 | Kategorie Seminare

Seminar_Zukunft der Demokratie - Wege ins Ungewisse

Welche Gefahren drohen der Demokratie im 21. Jahrhundert? Wie kann die Partizipation in einer Demokratie erhöht werden? Welche Mittel könnten zur Generationengerechtigkeit beitragen? Dürfen wir über institutionelle Änderungen nachdenken – oder müssen wir das vielleicht sogar? Diesen Fragen widmete sich das sechstägige Seminar in rechtswissenschaftlicher, politischer und philosophischer Hinsicht und gipfelte in einem gemeinsamen Enquête-Bericht. Danke an Michael Weilch für das Konzept und für eine tolle Umsetzung.

Fotocredits: Leandra Kreisser, Eva Schitter

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Wissenschaftliche Leitung: Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin, Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht

Ko-Leitung:Michael Weilch, Geförderter der Österreichischen Studienstiftung

Zeitraum:21.–27. September 2023 (Anreise am 21. September 2023)

Dauer:7 Tage

Sprache:Deutsch und Englisch

Zahl der Teilnehmer:innen: 20–25

Weitere Mitwirkende: Franziska Bereuter (Österreichisches Parlament, Abt. Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit), Dr. Christoph Konrath (Österreichisches Parlament, Abt. Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit), Prof. Dr. Sophie Loidolt (Technische Universität Darmstadt, Institut für Philosophie), Assoz.-Prof. Dr. Carolina Plescia (Universität Wien, Institut für Staatswissenschaft), Dr. Ingrid Siess-Scherz (Verfassungsgerichtshof), apl. Prof. Dr. Dr. Jörg Tremmel (Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Politikwissenschaft), Assoz.-Prof. Dr. Fabio Wolkenstein (Universität Wien, Institut für Politikwissenschaft)

Kurzbeschreibung: Die Demokratie gehört zum Selbstverständnis westlicher Werte, gilt als Eckpfeiler moderner Gesellschaften. Doch in der globalen Betrachtung feiert die Demokratie keinen Siegeszug, auch in Europa ist bisweilen von der Zersetzung der Demokratie die Rede. Situationen wie in Ungarn und Polen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck grundsätzlicher Gefahren, denen die Demokratie im 21. Jahrhundert gegenübersteht. Doch welche Gefahren sind das? Und wie können wir ihnen entgegnen? Das vorliegende Seminar will neben den Entwicklungen und Voraussetzungen demokratischer Willensbildung auch auf die Handlungsoptionen blicken: Wie kann die Partizipation in einer Demokratie erhöht werden? Welche Mittel könnten zur Generationengerechtigkeit beitragen? Dürfen wir über institutionelle Änderungen nachdenken – oder müssen wir das vielleicht sogar? All diesen Fragen wird sich das Seminar in rechtswissenschaftlicher, politischer und philosophischer Hinsicht widmen. Zum Abschluss erarbeiten die Geförderten einen gemeinsamen Enquête-Bericht, in dem Lösungs- und Verbesserungsvorschläge erörtert werden.

Programm (Auszug):

Donnerstag, 21. September 2023

 

 

18:00 Uhr

Begrüßung im JUFA Hotel Wien City, anschließend Abendessen

Freitag, 22. September 2023

 

 

Vormittag

Vortrag und Workshop von Carolina Plescia mit Schwerpunkt auf Politischer Theorie und Vorstellung eigener Forschungsprojekte

Inhaltliche Beschreibung: Bürger*innen haben eine Reihe von Rechten und Pflichten, wie das Recht, aber auch die Pflicht, sich an Entscheidungen, die das Gemeinwohl betreffen, zu beteiligen. Um sicherzustellen, dass die Regierung tatsächlich für das Wohl der Allgemeinheit arbeitet, braucht es die Teilnahme von informierten, organisierten und friedlichen Bürger*innen. Bürger*innen sollen also teilnehmen und sie brauchen Wissen, um policy -Entscheidungen zu treffen und Regierungsmitglieder zur Verantwortung zu ziehen. Wir beginnen die Diskussion damit, uns anzuschauen, wie Bürger*innen weltweit „Wählen“ konzeptualisieren - Sehen sie es als Recht, als Pflicht [duty] oder fühlen sie sich verantwortlich [responsibility]? Dann untersuchen wir, wie das Verständnis von Wählen mit politischem Wissen und politischer Partizipation zusammenhängt. Wir enden damit, zentrale Fragen für die heutigen Demokratien zu reflektieren: Ist Teilnahme tatsächlich gut für Demokratien? Können Bürger*inneninitiativen oder Digitalisierung helfen?

Diese Einheit findet (teilweise) in englischer Sprache statt.

Nachmittag

Vortrag und Workshop zu den rechtlichen Grundlagen der Demokratie von Ewald Wiederin und Ingrid Siess-Scherz

 

Samstag, 23. September 2023

 

 

Vormittag

Vortrag und Workshop zu „Democratic Backsliding” von Fabio Wolkenstein

Inhaltliche Beschreibung: Was sind demokratische Fort- und Rückschritte? Die meisten Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler scheinen sich einig zu sein, dass die Demokratie aktuell in großer Gefahr ist. Unzählige wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Studien problematisieren den angeblich allgegenwärtigen „Populismus“ und die „Spaltung“ westlicher Gesellschaften. Oft werden diese Phänomene als Ausdruck wieder erstarkter illiberaler, anti-pluralistischer und allgemein demokratisch zweifelhafter Tendenzen interpretiert. Demnach sind die Wahlerfolge sogenannter „populistischer“ Parteien nicht nur innenpolitisch destabilisierend, sondern auch Einfallstor für „demokratische Regressionen“ bzw. democratic backsliding – also Rückfälle hinter einen bereits erreichten Grad demokratischer Entwicklung. Diese Diagnose mag plausibel klingen, ist jedoch enorm voraussetzungsvoll: Um sinnvollerweise von einer Rückentwicklung demokratischer Regime sprechen zu können, müssen wir nämlich bestimmte Annahmen über die historische Entwicklung von Demokratien vorausschicken, die uns schnell auf das dünne Eis teleologischer und eurozentrischer Geschichtsphilosophien führen. Wie gezeigt werden soll, können die in der einschlägigen Literatur gewählten Argumentationsstrategien dieses Problem nicht überzeugend lösen; die gegenwärtige Demokratieforschung bleibt unwissend einem längst überholten Geschichtsdenken verhaftet, das im Topos des „Endes der Geschichte“ (Fukuyama) seinen wohl bekanntesten Ausdruck findet. Welche alternative Denkmodelle stehen zur Verfügung? Und können wir überhaupt über die Gefährdung der Demokratie sprechen, ohne normative Annahmen über den Lauf der Geschichte zu machen?

 

Nachmittag

Besuch inkl. Führung im Haus der Geschichte Österreich (Neue Burg, Heldenplatz, 1010 Wien) zum Thema „Meilensteine der Demokratieentwicklung“

 

Abend

Tanzkurs

Sonntag, 24. September 2023

 

 

Vormittag

Ausarbeitung des Enquête-Berichts (eigenständige Arbeit)

 

Nachmittag

Freizeit

Montag, 25. September 2023

 

 

Vormittag

Vortrag und Workshop von Jörg Tremmel

Inhaltliche Beschreibung: Wie werden zukünftige Generationen repräsentiert? Welche Rechte haben sie? Und wie können wir dafür sorgen, dass Demokratien langfristig und nachhaltig wirtschaften, um auch allen nachfolgenden Menschen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen? Um diesen Fragen nachzugehen, suchen wir nach den Möglichkeiten, demokratische Prozesse zu modifizieren. Dabei analysieren wir, welche Vor- und Nachteile institutionelle Veränderungen mit sich bringen und versuchen, konkrete Modelle zu entwerfen. Dabei legen wir den Fokus auf nationale Lösungen in der DACH-Region ebenso wie auf die europäische Ebene.

 

Nachmittag

Vortrag und Workshop von Sophie Loidolt (Prof. für Philosophie) zu Überlegungen der Demokratie in Anlehnung an u. a. Hannah Arendt, Hans Kelsen und Jürgen Habermas

Inhaltliche Beschreibung: Die Philosophin und politische Theoretikerin Hannah Arendt hatte ein bemerkenswertes Gespür für einige der tiefsten Probleme, Komplexitäten und gefahrvollen Tendenzen des modernen politischen Lebens. Ihre Überlegungen zu Flucht und Staatenlosigkeit, zum schwierigen Verhältnis von Wahrheit und Politik und zu scheinbarer politischer Alternativlosigkeit in einer zunehmend globalisierten Welt treffen mehr als nur den Zeitgeist ihrer Zeit. Sie sprechen immer noch tiefliegende Probleme der gegenwärtigen Verfassung unserer Gesellschaften und deren Grenzen an. Gleichzeitig regt Arendt zum Nachdenken an, mit welchen Strategien man diesen Schwierigkeiten begegnen kann: Ihr Plädoyer für Pluralität, ihre Überzeugung, dass Politik, salopp gesagt, „Spaß machen“ kann, ihre Insistenz auf bottom-up Prozesse und handlungsorientierte Formen der Partizipation, sowie auf ein Recht auf Zugehörigkeit („das Recht, Rechte zu haben“) sind Vorschläge, die ohne ein ideologisches Gesamtgebäude auskommen und gleichzeitig humanistischen, aufklärerischen und demokratischen Grundwerten verpflichtet sind.

Im Seminar werden wir Auszüge aus Texten von Hannah Arendt lesen (Vita activa, Wahrheit und Politik, Was ist Politik?) und diese – sofern dies die Zeit erlaubt – zu den Überlegungen eines weiteren Autors in Beziehung setzen, der sich sowohl mit den Krisen der Demokratie als auch mit deren rechtlicher und politischer Architektonik auseinandersetzte: der Rechtstheoretiker und Mitgestalter der österreichischen Verfassung, Hans Kelsen (Vom Wesen und Wert der Demokratie).

Dienstag, 26. September 2023

 

 

 

Ganztätiger Workshop im Österreichischen Parlament von Christoph Konrath und Franziska Bereiter (Abteilung Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit)

 

19:00 Uhr

gemeinsames Abendessen der Seminare 2023-05_Demokratie, 2023-06_Quantenphysik, 2023-08_Erinnerungskultur und 2023-10_Astronomie

Mittwoch, 27. September 2023

 

 

Vormittag

Vorstellung des Abschlussberichts der Enquête-Kommission sowie anschließende Diskussion und Zusammenfassung des Seminars mit Ewald Wiederin und Michael Weilch

 

17:00 Uhr

gemeinsame Abschlussveranstaltung der Seminare

2023-05_Demokratie, 2023-06_Quantenphysik, 2023-07_China, 2023-08_Erinnerungskultur, 2023-10_Astronomie

im Top-Kino, Rahlgasse 1, 1060 Wien, Großer Saal

Inhaltliche Beschreibung: In intimen Portraits, gespickt mit absurd-komischen Momenten, bringt uns ‘Weiyena’ das aktuelle China und hundert Jahre seiner Geschichte näher. Der Film berührt Themen von universeller Bedeutung: Vergangenheitsbewältigung, Migration und Identität.

mit der Filmvorführung „Weiyena“ von Weina Q. Zhao

und anschließender Diskussion mit der Regisseurin und Buffet/Get Together im Kino-Foyer