Digital, direkt, demokratisch?
Technikfolgenabschätzung und die Zukunft der Demokratie
Wann: 10.-12. Mai 2021
Wo: virtuell (Informationen folgen)
Das Netzwerk Technikfolgenabschätzung (NTA) und das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften laden zur Einsendung von Präsentationsvorschlägen im Umfang von etwa 300 Wörtern bis zum 14. Februar 2020 an tamail @ oeaw.ac.at ein.
Call geschlossen!
Demokratie ist ein Experiment mit offenem Ausgang. Demokratie kann man verlieren, abwählen oder durch politische Reformen so stark transformieren, dass der innere Zusammenhang zwischen Demokratie und Liberalismus zerreißt. Populistische Bewegungen und autokratische Regime mitten in Europa nähren heute die Befürchtung, dass die Demokratie zerfällt, und zwar ohne großen Knall und sichtbaren Umsturz, sondern lautlos und bei laufendem Normalbetrieb.
Besonders überraschend erscheint, dass der Digitalisierung eine zentrale Rolle in diesem Erosionsprozess zugeschrieben wird. Galt die Digitalisierung noch bis vor kurzem als Motor der Demokratisierung, weil durch Online-Partizipation Deliberations- und Abstimmungsprozesse leichter zugänglich werden, so ist heute Ernüchterung eingekehrt. Beunruhigende Befunde lauten: Freie Wahlen werden durch Microtargeting und Social Bots manipuliert; private Plattform-Giganten bestimmen die Spielregeln im Netz und schaffen den „gläsernen Kunden“; die demokratische Erwägungskultur ist durch zersplitterte und in sich geschlossene Teilöffentlichkeiten (sog. Echokammern) bedroht; eine zunehmend enthemmte Hasskommunikation fördert die Polarisierung der Gesellschaft; die ungefilterte Verbreitung von „Fake News“ und „Deep Fakes“ im Netz spielen dem Populismus in die Hände.
Natürlich hängt das Schicksal der Demokratie nicht allein von der digitalen Transformation ab. Außerdem lebt die Hoffnung weiter, die Digitalisierung könne die demokratischen Teilhabemöglichkeiten wirkungsvoll steigern – auch wenn der Begriff der „liquid democracy“ mittlerweile aus der Mode gekommen scheint. In Schlagwörtern wie „Postdemokratie“ oder „illiberale Demokratie“ spiegelt sich allerdings die Einsicht, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Demokratie und liberalem Rechtsstaat gibt. Während das Institutionensystem der Demokratie fortbesteht, können elementare Freiheitsrechte unter Druck geraten, demokratische Institutionen ausgehöhlt und demokratische Normen (wie Respekt oder Kompromissfähigkeit) konterkariert werden. Wenn auf diese Weise die Demokratie unter Druck gerät, stellt sich nicht zuletzt die Frage nach Aufgaben und Schicksal der Technikfolgenabschätzung (TA).
Die TA ist aus der Idee entstanden, demokratische Entscheidungsprozesse durch spezifisches Wissen zu unterstützen; der Optionenspielraum einer durch „technische Sachzwänge“ festgelegten Politik sollte erweitert werden. Der plakative Anspruch auf eine „Demokratisierung“ der Technik trug zur Entwicklung partizipativer Spielarten der TA bei und stärkte das demokratische Ethos der TA. Ob umgekehrt die Demokratie für die TA konstitutiv ist bzw. wie eng diese Verknüpfung ist, ob es also auch TA in nicht-demokratischen Systemen geben kann und was das für beide, die TA und diese Staaten, bedeutet, ist jüngst Gegenstand TA-interner Debatten geworden.
Das Spannungsverhältnis zwischen Technik und Demokratie ist also seit jeher ein zentrales Thema der TA. Auch wenn im Rahmen der NTA9–TA20 die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Demokratie im Mittelpunkt stehen, so sind jedenfalls auch Beiträge erwünscht, die auf Basis einschlägiger Praxiserfahrungen Nutzen und Grenzen TA-spezifischer Demokratisierungsbestrebungen beleuchten. Es geht also um so grundlegende Aspekte wie das Spannungsverhältnis zwischen digitaler Teilhabe und liberaler Demokratie, das Problem digitaler Souveränität oder auch das Verhältnis der TA zur Demokratie. Konkrete Fragen lauten in diesem Zusammenhang zum Beispiel:
Professor of Internet Studies, Direktor des Oxford Internet Institute, Autor des Buchs „Pax Technica“, Koordinator des „Computational Propaganda Project“
Professor für Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ehemaliges Regierungsmitglied in Deutschland, Autor des Buchs „Digitaler Humanismus“
Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Leiterin des Center for European Studies
Präsident des Leitungsausschusses von TA-Swiss, ehemals Anwalt und Regierungsmitglied in der Schweiz