01.06.2023

Die Verwundbarkeit digitaler Infrastrukturen erkennen

Die digitale Transformation bringt Fortschritt und Beschleunigung. Sie macht uns als Gesellschaft aber auch von ihr abhängig. Eine ITA-Studie hat sich mit den Zusammenhängen zwischen der digitalen Transformation und der Vulnerabilität gesellschaftlicher Infrastrukturen befasst und zeigt erhebliche Spannungsfelder auf.

Von der Energieversorgung über moderne Haushaltsgeräte, Verkehr und Mobilität bis zum Gesundheitswesen – überall sind digitale Technologien enthalten und bringen auch viele Vorteile. Was aber passiert, wenn die Infrastrukturen dahinter plötzlich nicht mehr funktionieren? Wie können sich etwa staatliche Einrichtungen auf Cyberangriffe vorbereiten?

„Digitalisierung durchdringt längst unzählige Infrastrukturbereiche. Die Entwicklung folgt aber nicht immer einem klaren Konzept, sondern ist oft von technologischen Trends und wirtschaftlichen Interessen getrieben“, so Stefan Strauß, Projektleiter und Senior Scientist am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der ÖAW. Gemeinsam mit Steffen Bettin (ITA) hat er im Projekt „Digitalisierung, Vulnerabilität und gesellschaftliche Infrastrukturen“ anhand ausgewählter Fallbeispiele institutionelle, aber auch individuelle Auswirkungen dieser Entwicklung untersucht.

Aus der Studie geht hervor, dass digitalisierte Infrastrukturen immer komplexer und fehleranfälliger werden. Viele Probleme, vor allem wachsender Kontrollverlust, sind laut Strauß nicht unbedingt dem Technikeinsatz geschuldet, sondern mangelhafter Sicherheit und Geschäftsmodellen der Plattformökonomie. Technologieunternehmen könnten durch ihre wachsende Macht über den Markt immer mehr Druck ausüben: „Wachsende Informations- und Machtasymmetrien sind ein Grundproblem der Digitalisierung. Sie führen hier zu mehr technologischen und ökonomischen Abhängigkeiten, sowohl für Unternehmen als auch Haushalte und Individuen“, betont Strauß.

Resilienz stärken für eine sichere Grundversorgung

Diese Entwicklung hat auch Folgen für die Versorgungssicherheit und die Deckung gesellschaftlicher Grundbedürfnisse. Neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel Fernzugriffe auf digitale Systeme, können zum Kontrollverlust führen, wie die Studie zeigt. Wesentlich sei daher nicht nur, Infrastrukturen gegen Angriffe oder technische Risiken abzusichern, sondern es brauche ein erweitertes Verständnis für Vulnerabilität - auch um Schwachstellen und Abhängigkeiten zu erkennen: „Oft wird rasch digitalisiert, ohne Bewusstsein für die längerfristigen Folgen. Neben Cybersicherheit muss auch darauf geachtet werden, dass Versorgungssicherheit und Grundrechte nicht gefährdet sind“, sagt Strauß. Die fortschreitende Digitalisierung gesellschaftlicher Infrastrukturen werfe grundlegende Fragen auf, die gerade neu verhandelt werden. Wer kontrolliert Infrastrukturen? Welche Rolle haben staatliche und private Akteure bei der Daseinsvorsorge?  Wie lässt sich Resilienz stärken für eine sichere Grundversorgung im Einklang mit Grundrechten und Grundbedürfnissen? „Dieser Problematik müssen wir uns stellen, damit wir als Gesellschaft nicht vulnerabler werden, sondern resilienter“, so Strauß.