10.11.2021

Karen Kastenhofer: „Die Pandemie kann auch Dinge möglich machen“

Die Pandemie hat unser Leben verändert, aber wie geht es jetzt weiter? Karen Kastenhofer befasst sich mit den zahlreichen Nebenwirkungen von Corona, die über die medizinische Forschung hinausgehen, und sieht Licht in der Dunkelheit.

Die Pandemie hat unsere Lebensweise verändert, aber wie geht es jetzt weiter?

Frau Kastenhofer, Sie haben schon zu Beginn der Pandemie letzten Frühling gemeint, dass Sie in der Krise auch die Chance sehen, dazuzulernen, etwa indem Nicht-Wissen endlich offen und öffentlich diskutiert wird, statt hinter vorgehaltener Hand. Wie sehen Sie das heute?

Die Digitalisierung hat einen Schub erfahren, wir haben uns neu kennengelernt, vielleicht sogar eine bessere Work-Life Balance gehabt. Auch der Klimawandel wird neu diskutiert, da gibt es also sehr wohl Möglichkeiten. Wir haben durch die Corona-Krise auch erlebt, wie unterschiedliche Disziplinen wie z.B. die Medizin aber auch die Sozialwissenschaften mobilisiert wurden, neue Fragen zu stellen und global neu zusammen zu arbeiten. Dabei sollen die negativen Seiten der Pandemie nicht vergessen werden, es geht eher darum zu fragen: Wie geht es jetzt gut weiter? Was hat an Bedeutung gewonnen, was verloren?

Glauben Sie, dass die menschliche Seite auch bei Forscherinnen und Forschern eine Rolle spielt?

Ganz bestimmt, ich finde es sogar sehr wichtig andere Forscherinnen und Forscher zu fragen, wo sie Potentiale sehen, und wie wir uns für die Zukunft besser vorbereiten können, da wir einen anderen Blick auf die letzten zwei Jahr haben als etwa politische Entscheidungsträger*innen oder Vertreter*innen der Wirtschaft. Es gibt viele Ansätze das zu tun, dazu gehören internationale Befragungen. In Kanada gibt es viel Begleitforschung zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie, und auch wir am ITA haben für die ÖAW dazu vor kurzem eine Befragung durchgeführt. Diesen Freitag sind wir zu einer Konferenz in Australien geladen, wo wir wieder neuen Input aus diesem Teil der Welt erhalten werden, denn die Situation dort war und ist wieder ganz anders als bei uns.

Was für Erfahrungen haben Sie mit dem globalen Austausch zu Covid-19 gemacht? Reagieren da alle Länder gleich?

Überrascht war ich von den verschiedenen Zugängen zum Internet: Wir denken vielleicht, dass alle wissenschaftlichen Einrichtungen es auf die gleiche Art und Weise verwenden wie wir, aber das ist nicht der Fall. Aus Afrika haben wir etwa auf unsere E-Mail-Einladung zur Teilnahme an der Befragung gar keine Rückmeldungen bekommen. In asiatischen Ländern war es teilweise schwierig personalisierte E-Mail-Adressen von Wissenschaftler*innen zu erheben. Von Wissenschafter*innen aus Brasilien bekamen wir wieder viele Rückmeldungen. Wir wollten auch gezielt nicht Forschungsergebnisse abfragen, sondern uns ein Bild von der Situation vor Ort machen: Was wird gebraucht, was wird vermisst? Wo waren positive Erfahrungen? Unsere Befragung war auch ein Austausch- und Meinungsbildungsprojekt.

Worauf freuen Sie sich in nächster Zeit?

Ich hoffe, dass wir eine neue Bereitschaft zu Veränderungen im Umgang mit dem Klimawandel gewinnen. Die Corona-Pandemie hat das Thema neu aufgerollt - wir alle mussten neue Dinge ausprobieren und herausfinden, wie wir unseren Alltag neu gestalten können. Dadurch haben wir einiges erlebt und viel gelernt. Wir bekamen auch eine Vorstellung davon, wie tiefgreifende Einschnitte im Alltag, wie sie bei weiteren Klimaveränderungen auf uns zukommen würden, tatsächlich aussehen könnten. Die letzte Zeit brachte viel Leid und viel Verlust, das steht fest. Aber da war auch noch etwas Anderes, eine Art positives Strandgut, und das müssen wir jetzt festhalten, sonst haben wir es wieder vergessen.

Karen Kastenhofer ist Senior Researcher am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

 

Weitere Infos

Die Erkenntnisse aus der Internationalen Befragung im Auftrag der ÖAW können ab sofort unter dem Titel „Covid-19 – Voices from Academia“ hier heruntergeladen werden.

Konferenz: Recovery, reconfiguration, and repair: Mobilising the social sciences and humanities for a post-pandemic world
Karen Kastenhofer leitet hier das Panel zu „(Re-)connecting academia during a sudden, global crisis“ , die Konferenz kann auch online mitverfolgt werden. Alle Infos dazu gibt es hier
Wann: 11. Und 12. November
Wo: Alfred Deakin Institute for Citizenship and Globalization (University of Melbourne) und auch online