Di, 15.03.2016 16:00

Die Geburt der Wissenschaften und deren Wiedergeburt im Islam

ITA-Seminar, Manfred SCHMUTZER (TU Graz/TU Wien)

Manfred Schmutzer ist emeritierter Universitätsprofessor, Autor zahlreicher Bücher und absolvierte u.a. Gastprofessuren in Zürich und den USA.

Entgegen landläufiger Auffassungen, dass Wissenschaften aus dem Bedürfnis entstehen, die Natur zu beherrschen, entstehen sie aus meiner Sicht aus dem Bedürfnis, gesellschaftliche Entwicklungen zu beherrschen. Das Verlangen, Natur zu beherrschen, kreiert Technologien, das andere kreiert Wissenschaften, die sich verbal artikulieren und dafür Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Die Ergebnisse dieser Art von Arbeit werden dann landläufig als „Beweisverfahren“ bezeichnet. Meine historischen Studien weisen solche Entwicklungen in unterschiedlichen Kontexten nach: in Athen, bei der Entstehung des Islam und auch im europäischen Mittelalter.

Die Beherrschung gesellschaftlicher Entwicklungen kann zumindest in zweifacher Weise erfolgen. Die naheliegendste Art ist die Ausübung von Gewalt. Gesellschaften mit dieser Neigung benötigen keine Wissenschaften, weil ähnlich wie bei technischen Verfahren - wo Technik selbst der Beweis für die Richtigkeit des Verfahrens ist - die errungene Dominanz sich selbst ihre Legitimation schafft. Einprägsame Anschauungsbeispiele dafür liefert die Geschichte von Sparta oder Rom.

In Fällen aber, wo die Anwendung von Gewalt unter den jeweiligen historischen Vorgaben nicht zielführend ist, muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Unterschiedliche Vorgehensweisen sind dabei möglich, alle basieren aber durchgängig auf sprachlichen Äußerungen. Deshalb entstand Wissenschaft zunächst im krisengeschüttelten Athen und dann im nicht weniger zerrütteten Yathrib, dem heutigen Medina.

Schon diese Kurzdarstellung legt es folglich nahe, auch zwischen unterschiedlichen Gesellschaftssystemen zu unterscheiden, die u.a. auch die jeweiligen Ausprägungen ihrer Wissenschaften und auch ihrer Technologien beeinflussen.

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