Das Mikroklima am Tisenjoch

Project lead: Univ.-Prof. Dr. Mathias Rotach

Project staff: Wolfgang Gurgiser

Duration: Spring – Autumn 2022

Hintergrund

Die Gletschermumie Ötzi steht seit ihrer Entdeckung im Fokus von Forschung (>80 Publikationen laut Web of Science, LFUI federführend) und im Interesse der Öffentlichkeit (>90 000 Besucher pro Jahr im Archäologiemuseum in Bozen, ca. 30 000 pro Jahr im Archeoparc Schnals). Umfangreiche Untersuchungen durch Archäologinnen, Historiker, Biologen, Glaziologinnen und Wissenschaftlerinnen aus weiteren Disziplinen haben zu einem umfangreichen Wissenstand über das Leben des Eismannes beigetragen.

Nach wie vor relativ ungenau ist jedoch das Wissen über mögliche Wetter-/Klimabedingungen und deren Änderung zur Zeit Ötzis. Es stellt sich dabei u.a. die Frage, welche Bedingungen die sehr gute Konservierung der Mumie vor der vollständigen Bedeckung mit Eis ermöglicht haben und wie sensibel die nur kleinräumige Vergletscherung am Fundort auf Klimaschwankungen verschiedener Art (Temperatur, Niederschlag etc.) reagiert. Auch eine erste Abschätzung, ob eine durchgehende Eisbedeckung der Fundstelle in den letzten Jahrtausenden aus klimatologischer Sicht möglich erscheint, ist spannend und wissenschaftlich relevant. Für eine klimatologische Einordnung ist in der Regel eine klimatologische Messreihe (also >30 Jahre kontinuierliche Messung) nötig. Um nicht so lange warten zu müssen, werden in diesem Projekt kürzere Messungen, mit statistischen Methoden und numerischer Modellierung kombiniert.

Das Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der University Innsbruck betreibt seit Herbst 2018 eine hochauflösende automatische Wetterstation (‚AWS Ötzi‘) mit Kamera in der Nähe der Fundstelle am Tisenjoch. In einer laufenden Masterarbeit (Pfeiffenberger 2022) wird ein Verfahren aus der Literatur (Rajczak et al. 2016) anhand der ersten drei Messjahre am Tisenjoch angewendet, um mit Hilfe statistischer Verfahren und Daten von anderen, ähnlichen Messstationen, die lange Messreihen aufweisen,  das heutige Klima am Tisenjoch zu charakterisieren.

Ziel

Erstes Ziel dieses Projekts ist es, das Klima der letzten 3 Jahrzehnte an der Fundstelle von ‚Ötzi‘ einigermassen genau zu charakterisieren, im breiteren Bereich des Alpinen Klimas einzuordnen und die Resultate aus der Masterarbeit (Pfeiffenberger 2022) in der Fachliteratur zu publizieren. Darüber hinaus werden ergänzende Untersuchungen, die über den Rahmen der Masterarbeit hinaus gehen, die Grundlage zu schaffen, in einem Kooperationsprojekt mit einer Forschungsgruppe, die auf paläoklimatologische Modellierung spezialisiert ist, die paläoklimatologischen (Modell-) Daten in einem Downscaling Verfahren auf die Lokalität des Tisenjoch anzuwenden.

Literatur:
Rajczak, J., Kotlarski, S., Salzmann, N., and Schär, C.: 2016. Robust climate scenarios for sites with sparse observations: a two-step bias correction approach, International Journal of Climatology, 36 (3), 1226–1243, doi: 10.1002/joc.4417