Birgit Niessner, OeNB, Hauptabteilung Volkswirtschaft
„Umwege erweitern die Ortskenntnis.“
Otto Pötter
Wenige Zitate beschreiben den Lebensweg von Birgit Niessner, der derzeitigen Chefökonomin der Österreichischen Nationalbank, so gut wie dieses. Für ihre aktuelle Position und Branche untypisch hat ihre berufliche Laufbahn nämlich in der Entwicklungshilfe begonnen. Dabei hatte sie die Möglichkeit mehrere afrikanische Staaten zu besuchen und Erfahrungen über die Ausverhandlung sowie praktische Umsetzung von Entwicklungshilfe mit diesen zu sammeln, unter anderem auch bei Friedensverhandlungen in Burundi.
Auf diesen Ausflug in die Welt der Entwicklungshilfe folgten sechs Jahre in der Erste Bank sowie sieben Jahre in der Raiffeisen Bank, in denen sie ihre Kenntnisse und Interessen in internationaler- sowie Makroökonomie ein- und umsetzen konnte, und schließlich ihre Arbeit in der Österreichische Nationalbank seit 2021.
Das einzige und größte Problem dieses Studienstiftungsgespräches war, dass wir zu viele spannende Fragen und zu wenig Zeit hatten. Dennoch konnten uns Dr. Niessner einige Antworten liefern, beginnend mit dem Thema der Inflation. Besonders betont hat sie dabei, dass, obwohl die Leitzins- und Inflationsdebatte medial sehr präsent ist, viele wichtige Begriffe und ihre Bedeutung noch nicht in den Wortschatz vieler Menschen gelangt sind, wie z.B. der Begriff der Kerninflation.
Weiter ging es zum digitalen Euro und wie dieser in aktuellen Projekten der Österreichischen Nationalbank ausgearbeitet wird. Zeitnah zu unserem Gespräch im November 2023 hatte nämlich der EZB-Rat entschieden, die Vorbereitungsphase für den digitalen Euro zu starten.
Zuletzt erzählte Dr. Birgit Niessner noch von Dynamiken innerhalb der OeNB, von der Wichtigkeit des Netzwerkens und von langfristigen gesellschaftlichen Trends, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahrzenten beeinflussen werden. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei folgende Analyse: Während der Wohlstand in der Generation der Babyboomer hauptsächlich durch die eigene Arbeit definiert war, wird im Gegensatz dazu der Wohlstand der heutigen jüngeren Gesellschaftsschichten (aufgrund von schwer leistbaren Wohnungen, etc.) eher durch das Erbe ihrer Eltern beeinflusst. Dass somit der eigene Einsatz im Arbeitsleben irrelevanter für den Aufbau von Wohlstand wird und das Erbe relevanter, ist ein systematisches gesellschaftliches Problem, welches kluge Köpfe und gute Lösungsansätze brauchen wird.
Wir freuen uns somit auf weitere Analysen aus der Österreichischen Nationalbank und bedanken uns bei Dr. Birgit Niessner für das großartige Gespräch!
Anton Nather ist Geförderter der Österreichischen Studienstiftug des ersten Jahrgangs. Nach dem Zivildienst begann er imWintersemester 2021 das Studium "Software & Information Engineering" an der TU Wien.