Der Bereich außerhalb der Erdatmosphäre ist im Großen und Ganzen durch ionisiertes Gas, sogenanntes Plasma, erfüllt. Meist ist die Dichte dieses Weltraum-Plasmas gering genug um die Viskosität zu vernachlässigen, d.h. Stöße zwischen den ionisierten Teilchen sind untergeordnet. Damit ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu neutralen, viskosen Flüssigkeiten, z.B. zu Luft oder Wasser. In solch einem stoßfreien Plasma-System spielen die Grenzschichten zwischen Regionen mit unterschiedlichen Plasmaeigenschaften eine zentrale Rolle für den Energieübertrag und die Dynamik des Systems ganz generell. Ziel dieses Projektes ist das Verstehen des Energietransfers über Grenzschichten des stoßfreien Plasmas hinweg. Diese fundamental wichtige Fragestellung der Weltraumplasmaphysik wurde in der Vergangenheit bereits von einigen Studien adressiert, allerdings blieben quantitative Aspekte des realitätsnahen Energie-Transferprozesses großteils unverstanden. Der Grund dafür liegt im weiten Umfang räumlicher und zeitlicher Skalen, auf denen Energietransfers in stoßfreien Plasmen stattfinden, beginnend mit der kinetischen Skala (Betrachtung von Einzelteilchen) bis hin zur globalen Beschreibung des Systems. Der Umfang der Skalen kann durch Labor- und Satelliten-Messungen allein nicht abgedeckt werden. Aktuelle Fortschritte bei numerischen Simulationen ermöglichen quantitativ umfangreichere Abschätzungen der Transferprozesse, allerdings bleiben bis dato einige unrealistische Annahmen bestehen. Vor diesem Hintergrund ist der wissenschaftliche Fokus dieses Projektes die Quantifizierung des Energietransfer-Prozesses in genauerer Weise als bisher; die Berücksichtigung aller notwendigen Skalen erfolgt durch Plasma-Simulationen auf dem neuesten Stand der Technik, kombiniert mit Plasmamessungen durch in-situ und Fernerkundungs-Methoden. Die Einzigartigkeit des Projektes liegt in der Betrachtung unterschiedlicher Typen von Plasma-Grenzschichten der Erdmagnetosphäre (jener Bereich des Weltraums, in dem das terrestrische Magnetfeld der dominierende Faktor ist). Damit können unterschiedliche Faktoren und Skalen des Energie-Transferprozesses über Grenzschichten hinweg abgedeckt werden – die Erdmagnetosphäre fungiert hierbei als großes Experiment zur Erkundung der Physik von Grenzschichten. Speziell für dieses Projekt wird eine Reihe von umfangreichen Plasma-Teilchensimulationen repräsentativer Grenzschichten der Magnetosphäre durchgeführt. Verwendet wird dafür einer der weltgrößten Supercomputer – „MareNostrum“ – unter Berücksichtigung realistischer Simulationsbedingungen wie sie von hochaufgelösten in-situ Messungen der aktuellen Magnetospheric Multiscale (MMS) Satellitenmission vorliegen. Die Simulationsresultate werden mit den MMS Messungen, mit umfangreichen Datensätzen anderer Satellitenmissionen und mit Bodenbeobachtungen verglichen. Das erlaubt sowohl die lokale Betrachtung der Physik an Grenzschichten als auch die globale Kopplung dieser lokalen Prozesse. Basierend auf den Projektresultaten ergibt sich nicht nur ein quantitatives Verständnis der Physik von Grenzschichten der Magnetosphäre auf verschiedenen Skalen, sondern erstmals auch eine umfangreiche, systematische Sichtweise auf die Physik von Grenzschichten in stoßfreien Plasmen generell. Diese neuen Erkenntnisse erlauben die Anwendung auf zahlreiche weitere planetare und astrophysikalische Objekte und unterstützen somit zukünftige Weltraummissionen.