05.10.2017

Lebermoos: Ein Unkraut im Garten als Schlüssel zur Evolution

Wiener Wissenschaftler sequenzieren Genom und erforschen damit Grundlagen der Entstehung der ersten Landpflanzen

Im Garten unerwünscht, im Labor begehrt: Für die meisten Menschen ist Lebermoos, ein moosartiger Strauch, ein normales Unkraut. Für Frederic Berger vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist diese Pflanze der Schlüssel um die Evolution aller Landpflanzen zu verstehen.

Das Labor von Dr. Berger untersucht am Lebermoos Marchantia polymorpha, wie sich Histone entwickelt haben um das Genom zu organisieren. Histone sind Proteine, die die DNA verpacken. Marchantia ist ein gewöhnliches, leicht zu kultivierendes Lebermoos.  Es wird oft in Evolutionsstudien verwendet - besonders wichtig ist diese bescheidene Pflanze aber als Modellspezies um die Grundlagen der Biologie zu erforschen.  

Publikation im renommierten Journal Cell

In einer Studie, die am Donnerstag im renommierten Journal Cell publiziert wurde, hat Frederic Berger das Genom der Marchantia sequenziert und analysiert. Berger war im Rahmen dieser Arbeit ein Mitglied eines internationalen Konsortiums geleitet von Dr. John Bowman von der australischen Monash University. Im Rahmen dieses Community-Sequencing-Projekts wurde ein Großteil der Sequenzierung vom Joint Genome Institute des US-Energieministeriums durchgeführt. Die darauffolgende Genom-Analyse übernahm ein Netzwerk von rund 100 Wissenschaftlern unterschiedlicher Sparten weltweit.

Die Besiedlung des Landes durch Pflanzen war ein wichtiges Ereignis in der Evolutionsgeschichte der Erde. Dadurch wurden geochemische Kreisläufe dramatisch verändert, was wiederum die Evolution ganzer Populationen beeinflusst hat, wie zum Beispiel die Entstehung der Tiere. Die frühen Landpflanzen entwickelten sich aus Süßwasser-Algen. Sie ähnelten wahrscheinlich drei Gruppen moderner Pflanzen: dem Lebermoos, dem Hornblatt und Moosen, die gemeinsam als Bryophyten bezeichnet werden.

Systematische und phylogenetische Studien legen nahe, dass die ersten Pflanzen, die das Land bevölkert haben, Eigenschaften des Lebermooses aufwiesen. Diese neue Arbeit zeigt, dass Lebermoos nicht nur die anatomischen Eigenschaften alter Pflanzen behalten hat, sondern auch die genetischen Merkmale, vor allem der Regulatorgene. Höchstwahrscheinlich ist dies darauf zurückzuführen, dass Marchantia keine mehrmaligen Duplikationen des eigenen Genoms durchlaufen musste, wie es in der Evolutionsgeschichte bei den meisten Landpflanzen der Fall war. Diese Studie zeigt jetzt, dass Marchantia mehr Eigenschaften der ursprünglichen Landpflanzen behalten hat, als jede andere heute lebende Pflanze. Sie hat sich daher als ein mächtiges Modell erwiesen, um nicht nur die Evolution, sondern auch viele andere Aspekte der Pflanzenbiologie zu verstehen.

„Marchantia ist ein fantastischer Modellorganismus für sehr viele grundlegende biologische Fragen geworden“, sagt Berger. „Die Durchführung dieses Genom-Sequenzierungsprojekts sollte es uns ermöglichen zu verstehen, wie sich Landpflanzen entwickelt haben.“ 

Link zur Publikation: „Insights into land plant evolution garnered from the Marchantia polymorpha genome
dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.09.030


Über das Gregor Mendel Institut

Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf dem Campus des Vienna Biocenter, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.


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