05.07.2016

FBi - Was in der Zelle passiert ermittelt jetzt ein in Wien entwickeltes Mikroskop

Entwicklung der Wiener Forschungsinstitute Vienna Biocenter Core Facilities und Gregor Mendel Institut gibt erstmals völlig berührungslos Einblick in die mechanischen Geheimnisse der Pflanzenzellen - „Erste Erkenntnisse sind nur die Spitze eines Eisbergs“ -

(Wien 5. Juli 2016) – Mit einer neuen Mikroskop-Technologie lassen die Wiener Forscher vom Gregor Mendel Institut und den Vienna Biocenter Core Facilities international aufhorchen: FBi (Fluorescence emission Brillouin scattering imaging) wurde in Wien entwickelt und zum ersten Mal eingesetzt, um die mechanischen Eigenschaften von wachsenden Pflanzenzellen zu erforschen – dreidimensional und ohne die Zelle zu berühren. Das Forschungsergebnis wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Science Signalling publiziert. Diese Erkenntnisse können auch die Grundlage für durchbrechende Erkenntnisse auf anderen Gebieten wie z.B. der Erforschung von Herzkrankheiten liefern.

Die mechanische Vermessung von Zellen und Geweben war bis jetzt typischerweise auf deren Oberfläche beschränkt. Informationen darüber, was in der Zelle vor sich geht, gab es kaum. FBi hingegen kann untersuchen, was in der Zelle – quasi unter der Oberfläche - vor sich geht. Dazu ist es nicht erforderlich die Zelle zu berühren, die Untersuchung ist rein optisch. Die mechanischen Eigenschaften von Zellen haben unmittelbaren Einfluss auf deren Funktion. So kann zum Beispiel die Erforschung der Zellwände wertvolle Informationen zum Verständnis der Ursache von Herz- Kreislauferkrankungen beim Menschen liefern, sagen die Forscher.

Das Forschungsergebnis ist das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen Pflanzenbiologen und Physikern: Geleitet wurde die Studie gemeinsam von Dr. Youssef Belkhadir, Gruppenleiter am Gregor Mendel Institut (GMI) für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Dr. Kareem Elsayad, Leiter der Advanced Microscopy Facility der Vienna Biocenter Core Facilities (VBCF).

Elsayad: „Die Besonderheit von FBi ist, dass wir damit nicht-invasiv und rein optisch mechanische Eigenschaften untersuchen und mit einer Fülle an fluoreszierenden Molekülen vergleichen können. Dadurch erkennen wir, wie ein beliebiges Molekül die mechanischen Eigenschaften von unterschiedlichen Teilen einer lebenden Zelle beeinflusst.“

Belkhadir: „Die von Dr. Elsayad und seinen Kollegen entwickelte FBi-Methode ist eine technologische Tour de Force. Mit FBi haben wir entdeckt, wie eine Pflanzenzelle ihre typische rechteckige Form entwickelt. Mit einer weiteren FBi-‚Befragung‘ von mutierten Pflanzen, die Licht nicht richtig wahrnehmen, haben wir festgestellt, dass deren Zellen ihre richtige Zellform nicht ausbilden können, weil die extazelluläre Matrix (der Klebstoff, der die Zellen aneinander heftet) nicht mehr richtig wirkt.“ Eine vergleichbare Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten und Core Facilities wie dem VBCF gäbe es zwar an vielen Orten der Welt, so Belkhadir. „Ich habe aber nie so eine ausgezeichnete Zusammenarbeit wie hier in Wien gesehen.“ 

Elsayad: „ Durch die enge Zusammenarbeit konnten wir zeigen, dass wir nun biologische Fragen zur extrazellulären Matrix ansprechen können, deren Beantwortung bislang als völlig unmöglich galt. Und wir sind überzeugt, dass dies erst die Spitze des Eisbergs ist.“

Ebenfalls beteiligt: Postdoc-Fellows Jixiang Kong und Marcal Gallemi aus dem Belkhadir-Labor, Lijuan Zhang und Edmundo R. Sánchez Guajardo der VBCF Advanced Microscopy Facility, Stephanie Werner und Thomas Greb (ehemals GMI) und Yvon Jaillais der University von Lyon, CNRS, INRA aus Frankreich.

Die Arbeit wurde durch das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der Stadt Wien über das VBCF und durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften über das GMI unterstützt.

DOI-Nummer der Publikation: 10.1126/scisignal.aaf6326


Über das GMI

Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf dem Campus des Vienna Biocenter, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.

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