30.11.2016

Die Entdecker der Geheimnisse der Pflanzenwelt: 15 Jahre Spitzenforschung am Gregor Mendel Institut in Wien

Welternährung: Pflanzenforschung im Wettlauf mit Bevölkerungswachstum

Pflanzen sind die wichtigste Nahrungsquelle für Menschen und Tiere sowie die wichtigste Ressource für Arzneimittel – sie leisten den größten biologischen Beitrag für unsere Gesundheit. Die Ernährung des Menschen basiert vollständig auf Pflanzen – entweder direkt oder indirekt durch den Verzehr von pflanzenfressenden Tieren oder Tierprodukten. Bevölkerungswachstum und Klimawandel rücken daher die Bedeutung einer Wissenschaft in den Mittelpunkt, die bislang eher unterschätzt wurde: die Pflanzenbiologie.

Eines der weltweit führenden Institute für Pflanzenforschung feiert sein 15-jähriges Bestehen: Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Vienna Biocenter im dritten Wiener Gemeindebezirk.

Pflanzen: Quelle der Entwicklung der Menschheit

Die Kultivierung von Pflanzen seit 10.000 Jahren zählt zu den größten Errungenschaften der Menschheit. Die Kultivierung von Pflanzen hat die Entwicklung der modernen Zivilisation und Bevölkerungswachstum erst ermöglicht. Der Anbau von Kulturpflanzen ist seit jeher Anzeichen für Entwicklung, Wohlstand und Macht.

Pflanzen sind die größten Biomasseproduzenten und liefern wertvolle Rohmaterialien wie Öle, Holz und Energie. Von der gesteigerten Produktivität und Qualität unserer Kulturpflanzen im Rahmen einer nachhaltigen umweltverträglichen Landwirtschaft wird das Fortbestehen unseres Lebensstandards in einer globalen Welt über die nächsten Jahrzehnte hinweg abhängen.

Anpassungskünstler als Geheimwaffe gegen Hunger

Wenn es in wenigen Jahren mehr als zehn Milliarden Menschen geben wird, wird es eine der größten Herausforderungen der Menschheit sein, diese zehn Milliarden zu ernähren. Hunger ist das größte Gesundheitsrisiko weltweit. Es sterben jährlich mehr Menschen an Hunger als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen.

Gleichzeitig bedroht der Klimawandel durch Dürre, Trockenheit aber auch Überflutung die wichtigste Nahrungsquelle, die Pflanzen. Pflanzen aber sind sehr anpassungsfähig – sie sind ja an einen Ort gebunden und können diesen nicht verlassen, wenn die Lebensbedingungen schlechter werden. Das GMI erforscht, wie sich Pflanzen an Stress durch veränderte Bedingungen anpassen und liefert damit neue Erkenntnisse über Pflanzen, die auch unter veränderten Umweltbedingungen die Menschheit ernähren können.

„Weltweit sind mehr Menschen unterernährt als an Krebs leiden“, erklärt GMI-Forscher Michael Nodine seine Beweggründe, Molekularbiologe zu werden. „Ich dachte mir, mit dieser Forschung kann ich den meisten Menschen helfen.“ Am GMI erforscht er als einer der Gruppenleiter den Bauplan der Pflanzen, um Mais, Reis, Weizen und andere Getreide resistenter gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.

Die lange unterschätzte Wissenschaft

Angesichts der Bedeutung der Pflanzenbiologie für die Menschheit wirkt es erstaunlich, dass diese Wissenschaft im Vergleich zu anderen Gebieten wie Medizin lange eher ein Schattendasein führte. Als sich zum Beispiel in den Niederlanden Universitäten spezialisieren mussten, reduzierten die meisten ihre Aktivitäten in der Pflanzenforschung.

Zahlreiche bedeutende Entdeckung stammen jedoch aus der Pflanzenforschung: Der Zellkern? Entdeckt durch den Botaniker Robert Brown. Erstes entdecktes Virus? Das Tabakmosaikvirus TMV. Die Liste an Erkenntnissen, die ursprünglich aus der Pflanzenforschung stammen, lässt sich noch lange fortführen.

Ein Unkraut im Zentrum der Forschung

So gesehen wirkt es passend, dass im Mittelpunkt der Pflanzenforschung eine kleine, unscheinbare und wirtschaftlich völlig uninteressante Pflanze steht, die in der Regel als Unkraut bezeichnet wird: Arabidopsis thaliana, die Ackerschmalwand. Die Forschung an dieser Pflanze liefert die wesentlichen Grundlagen für das Verständnis der Kulturpflanzen. Die Pflanzenbiologen verstehen den komplexen Organismus mit fast 30.000 Genen in seiner Gesamtheit so durchdringend, wie dies bei kaum einem anderen Organismus in anderen Bereichen der Biologie der Fall ist.

Auch hier ist das GMI an der Weltspitze der Forschung. Erst heuer hat Forschungsdirektor Magnus Nordborg das erstaunliche Ergebnis des seit 2008 laufenden internationalen Forschungsprojekts „1001 Genome“ publiziert. Die kleine, aber extrem anpassungsfähige Pflanze hat mehr genetische Varianten als der Mensch. Darauf aufbauend kann nun erforscht werden, welche Gene für die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen an die Umwelt verantwortlich sind.

Erst vor wenigen Wochen entdeckten die GMI-Forscher um Matt Watson anhand der Forschung an Arabidopsis, warum auch tausende Jahre alte Pflanzen fitte Nachkommen haben – obwohl sich durch häufige Zellteilung normalerweise viele Abschreibfehler ins Erbgut einschleichen: Pflanzen bilden ihre Fortpflanzungsorgane – also die Blüten – deshalb aus junggebliebenen, unverbrauchten Zellen, so die Wiener Forscher.

Pflanzenforschung für Schülerinnen und Schüler

Das Gregor Mendel Institut bemüht sich auch, das Interesse an Pflanzenforschung – und an Forschung allgemein – bei Schülerinnen und Schülern zu wecken: Gemeinsam mit der Universität Wien hat das GMI die App „Botanic Quest“ entwickelt, mit der Schulklassen mit dem Handy den Botanischen Garten beim Belvedere erkunden und Forschungsaufgaben bewältigen müssen.

„Als eines der führenden Pflanzenforschungsinstitute der Welt wollen wir dazu beitragen, Kinder und Jugendliche für dieses wichtige Thema zu begeistern“, sagt Markus Kiess, Business Director des GMI. Zusätzlich hat das GMI vor Kurzem auch die Seite gmi4kids.at mit unterrichtsbegleitenden Spielen vorgestellt. „Die faszinierende Welt der Pflanzen ist für viele Kinder noch wenig erschlossen. Die Schule ermöglicht ihnen die ersten Schritte, um die Pflanzenwelt zu verstehen. Diese Seite unterstützt den Unterricht“.


Über das GMI

Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf dem Campus des Vienna Biocenter, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie
www.gmi.oeaw.ac.at

J. Matthew Watson
matthew.watson@gmi.oeaw.ac.at
+43 1 79044 9101

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Mehrdokht Tesar
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Thomas Kvicala
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