Mon, 05.06.2023 11:00

Juristenrunde with Ádám Fuglinszky

Dr. Ádám Fuglinszky, LL.M., Professor of Civil Law at the Eötvös Loránd University, holds a Juristenrunde lecture on bereavement damages on Monday, 5 June 2023 at 11:00. The lecture will be held in German language and takes place in the institute's premises. Participation is free of charge. If you are interested to join, please register with etl(at)oeaw.ac.at.
 

Angehörigenschmerzensgeld: Wem - Wofür - Wieviel?
Ein multidimensionales Modell und die Erfahrung der neueren Rechtsentwicklung in Ungarn

Der Verlust eines Nahestehenden bzw. Familienangehörigen, insbesondere der immaterielle Aspekt und dessen (materielle) Kompensation, bringen die immanenten Widersprüche und Spannungen des Haftungs- und Schadensrechts sehr plastisch zum Ausdruck. Der Wert des menschlichen Lebens sowie sein Verlust können nicht in Geld bemessen werden. Nichtsdestotrotz versucht das Schadensrecht diese zu monetisieren. Strafe und Genugtuung sind dem Privatrecht und der zivilrechtlicher Haftung (zumindest in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen) grundsätzlich fremd. Dennoch werden diese Zwecke gerade bezüglich der Nichtvermögensschäden von Angehörigen immer wieder thematisiert.

Man kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen – der Vorhersehbarkeit des Rechts und der Rechtssicherheit zum einen, der Einzelfallgerechtigkeit und Flexibilität zum anderen. Deshalb muss bezüglich des Angehörigenschmerzengelds eine rechtspolitische Entscheidung getroffen werden, nämlich wie groß der Ermessensspielraum ausfällt, der dem Richter zugewiesen wird. Man versucht dabei, aus der Luft gegriffenen Ansprüchen entgegenzusteuern, zugleich aber die Angehörigen mit schmerzhafter, zum Teil retraumatisierender Beweisführung zu verschonen. Gefühle und Schmerz können ohnehin kaum je bewiesen werden.

Entlang dieser Spannungen entwickelt der Vortragende ein multidimensionales Modell und stellt die Lösungskonzepte der verschiedenen Rechtsordnungen rechtsvergleichend dar. Diese allgemeinen Überlegungen sowie die neuere Rechtsentwicklung im Heimatland des Referenten (Ungarn) deuten darauf hin, dass die wichtigsten Grundsatzfragen fast immer unbeantwortet bleiben, nämlich unter anderem worin genau der immaterielle, aber als ersatzfähig anerkannte Verlust besteht: Im Schmerz und in der Trauer an sich? Im Verlust der Unterstützung durch den verstorbenen Nahestehenden? In der entgangenen Lebensfreude, weil der Angehörige, anstatt die Freude selbst genießen und seine Persönlichkeit entfalten zu können, seine mentalen Reserven zwecks Verarbeitung des Verlusts einsetzen muss?