Wien 18., Weimarer Straße 31


Hertha Pauli (1906-1973) war die Tochter des Arztes und Biochemikers Wolfgang Josef Pauli (geb. Pascheles, 1869-1955), der bis zum „Anschluss“ im Jahr 1938 das Institut für medizinische Kolloidchemie leitete und dann in die Schweiz flüchten musste. Ihre Mutter Bertha Schütz (1878-1927) war Journalistin bei der Neuen Freien Presse und eine bekannte Frauenrechtlerin. Herthas älterer Bruder, der Physiker Wolfgang Pauli (1900-1958), schuf 1929 zusammen mit Werner Heisenberg die Quantenfeldtheorie, wofür er 1945 den Nobelpreis erhielt. Hertha Pauli und ihr Bruder wuchsen im Cottage, in Wien 18., Anton Frank-Gasse 18 auf. Obwohl sie eine sehr gute Schülerin war, brach sie die Schule 1923 ab, um Schauspielunterricht zu nehmen. Sie erhielt 1925 ihr erstes Engagement am Lobe Theater in Breslau. 1927 holte sie Max Reinhardt nach Berlin, wo sie von der Kritik hoch gelobt wurde. 1929 heiratete sie den Schauspieler Carl Behr, ließ sich aber 1932 scheiden, da sie sich in den Schriftsteller Ödön von Horvath verliebt hatte.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland kehrte sie 1933 nach Wien zurück. Hier gründete sie zusammen mit dem jungen Juristen Carl Frucht, der sich zur Literatur hingezogen fühlte, die „Österreichische Korrespondenz“, eine literarische Agentur, die zunächst vor den Nationalsozialisten nach Österreich geflohene Autoren wie Lion Feuchtwanger, bald auch Österreicher, die in Deutschland nicht mehr publizieren konnten, wie Egon Friedell und Franz Werfel vertrat.

Als Büro diente ihre Mansardenwohnung in Wien 18., Weimarerstraße 31. Mit dem aus Deutschland geflohenen Dichter und Kabarettisten Walter Mehring verband sie ein Liebesverhältnis. Neben der Arbeit in der Agentur begann sie, Romane zu schreiben. 1936 erschien „Toni. Ein Frauenleben für Ferdinand Raimund“, 1937 publizierte sie einen Roman mit einer klaren Tendenz: die Biographie der Pazifistin Bertha von Suttner „Nur eine Frau“. Am 8. März 1938 setzten die Nationalsozialisten das Buch auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“.


Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht verließen Walter Mehring, Hertha Pauli und Carl Frucht umgehend Wien und flohen über die Schweiz nach Paris. Pauli führte in Paris ihre literarische Agentur weiter und schrieb antifaschistische Texte. Mit Kriegsbeginn wurde sie zur feindlichen Ausländerin, Frucht und Mehring wurden in französischen Lagern interniert. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich 1940 flohen Pauli, Mehring und Frucht nach Marseille, wo sich bereits zahlreiche andere Schriftsteller befanden. Sie alle bemühten sich verzweifelt um Visa in die USA. In dieser Notlage schickten Hertha Pauli, Hans Natonek, Ernst Weiß, Carl Frucht und Walther Mehring einen Brief an Thomas Mann und ersuchten ihn, ihnen bei der Flucht in die USA behilflich zu sein. Damit trugen sie zur Gründung des „Emergency Rescue Committees“ (ERC)  bei, das im Auftrag des amerikanischen Präsidenten Franklyn D. Roosevelt zunächst zweihundert verfolgte Künstler und Wissenschaftler mittels Notvisa in die USA retten sollte.

Eine der ersten, welche mithilfe eines Notvisums über Spanien und Portugal ausreisen konnte, war Hertha Pauli. Sie konnte noch im September 1940 nach New York flüchten, wo sie über das Schicksal der Flüchtlinge in Frankreich in Emigrantenzeitungen publizierte. Walther Mehring, der einen Vertrag für vertriebene Dichter in der Filmbranche erhalten hatte, holte Pauli seine Sekretärin nach Hollywood. Dort verfasste sie einen Roman über Alfred Nobel, den der Bermann-Fischer Verlag auf Englisch herausbrachte. Der Übersetzer und Bearbeiter, E. B. Ashton, ein Emigrant aus München, wurde später Paulis Ehemann. Sie beschloss, Englisch zu schreiben. Ihr erstes englisches Werk, „Silent Night. The Story of a Song“, befasste sich mit der Geschichte des Liedes „Stille Nacht“. Damit begann ihre erfolgreiche Karriere als Jugendbuchautorin. Ab den 1950er Jahren publizierte sie wieder auf Deutsch und besuchte ab 1956 regelmäßig Europa und Wien. Sie starb 1973 auf Long Island.