Wien 18., Lacknergasse 63/6



Gertrude Fanto wurde am 27. Oktober 1924 als Tochter von Robert und Leopoldine (1891-1976) Fanto geboren. Ihr Vater war Taxichauffeur und ihre Mutter Hausfrau. Leopoldine Fanto war vor ihrer Trauung zum Judentum übergetreten und Gertrude wurde jüdisch erzogen. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Wien 18., Lacknergasse 63/6 auf und hatte stets jüdische und nichtjüdische Freundinnen. Nach dem „Anschluss“ konnte sie die Hauptschule abschließen, fand aber wegen ihrer jüdischen Herkunft keinen Lehrplatz. Im Zuge des Novemberpogroms wurde ihr Vater, Robert Fanto, verhaftet und nach Dachau verschickt. Im Januar 1939 kam er als Weltkriegsteilnehmer frei, musste fortan aber Zwangsarbeit verrichten. Unmittelbar nach seiner Verhaftung, am 13. November 1938, zwangen SA-Männer Gertrude und Leopoldine Fanto, ihre Wohnung zu verlassen, und brachten sie in einer Villa in Wien 18., Anastasius-Grün-Gasse 54 unter, wo sie bis März 1942 wohnten.
 


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Im März 1942 musste die Familie Fanto in eine Sammelwohnung in Wien 2., Lilienbrunngasse 6/7 übersiedeln. Da Leopoldine Fanto „Arierin“ war, waren ihr Mann und ihre Tochter vor der Deportation geschützt. Gertrude wurde als „Geltungsjüdin“ zur Zwangsarbeit beim „Vereinigten Wäschereibetrieb“ in Wien 13., Hütteldorferstraße 130 dienstverpflichtet, wo auch die Gattin des berüchtigten SS-Scharführers Josef Weiszl, eines Mitarbeiters der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, arbeitete. Im Mai 1942 ertappte das Ehepaar Weiszl Gertrude und ihre Freundin Anna Stern ohne „Judenstern“ im Tivoligarten in Schönbrunn. Während der darauffolgenden sechswöchigen Haft im Polizeigefangenenhaus Rossauerlände lud eine Mitgefangene Gertrude ein, nach ihrer Freilassung zu einem Treffen widerständischer Jugendlicher zu kommen. Dabei handelte es sich um die „Sondergruppe N.N.“ („nach Nürnberger Gesetz"), einer Vorfeldorganisation der kommunistischen Partei, der nur „nichtarische“ Jugendliche angehörten und die unter der Leitung der „Mischlinge“ Ernst Andreasch und Otto Horn stand. Im Zuge der systematischen Deportationen aus Wien verlor die Gruppe alle jüdischen Mitglieder. Zurück blieben diejenigen Jugendlichen, die durch einen nichtjüdischen Elternteil vor der Deportation geschützt, also „Mischlinge“ bzw. „Geltungsjuden“ waren. Daher benannte sich Gruppe in „Wiener Mischlingsliga" um. Sie öffnete sich nun auch für bürgerliche Mitglieder und sah sich als überparteiliche Vertretung der „Mischlinge“ in Österreich. Die Gruppe verübte Sabotageakte in Wien und unterstützte den Widerstand jugoslawischer Partisanen. Im Februar 1944 wurden 18 Mitglieder der Gruppe verhaftet, nachdem ihr Kamerad Robert Pollak der Gestapo ihre Namen verraten hatte. Unter den Verhafteten war Gertrude Fanto, die nach mehrmonatiger Gefängnishaft ins KZ Auschwitz verbracht wurde. Von dort kam sie ins KZ Ravensbrück und ins Arbeitslager Genshagen.

Nachdem sie gegen Kriegsende aus dem Todesmarsch geflohen war, schlug sie sich zusammen mit Mathilde Kohn, einer Freundin aus der „Mischlingsliga“, nach Wien durch. Im Oktober 1945 heiratete Gertrude ihren Mitstreiter aus der „Mischlingsliga", Otto Horn (1923-1991), 1947 und 1948 kamen Sohn Maximilian und eine Tochter Christine zur Welt. Otto und Gertrude Horn engagierten sich in der KPÖ, gemeinsam waren sie journalistisch für die Partei tätig. Als Otto Korrespondent des DDR-Fernsehens wurde, war Gertrude seine Kamerafrau. 1971 wurde Gertrude dann eigenständige Motorjournalistin. Otto Horn verstarb 1991, Gertrude 1992 in Wien. 

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