Wien 18., Anastasius-Grün-Gasse 8, der kleinste Gemeindebau Wiens


Ernst Waldinger war der Sohn des aus Galizien stammenden Schuhhändlers und -erzeugers Salomon Waldinger und dessen Frau Anna. Nach einer schweren Verletzung im Ersten Weltkrieg begann Waldinger 1917 ein Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Wien, das er 1921 mit einem Doktorat abschloss. Von 1922 bis 1938 war er Angestellter beim „Allgemeinen Tarifanzeiger“, der Alexander Freud, dem Bruder Sigmund Freuds gehörte. 1923 heiratete er Beatrice (Rosa) Winternitz (1896-1969), Tochter von Sigmund Freuds Schwester Pauline Winternitz (1867-1942 Treblinka). Das Paar hatte zwei Kinder Hermann Valentin, geb. 1923 und Ruth, geb. 1927, und lebte zur Zeit des „Anschlusses“ im Haus Anastasias-Grün-Gasse 8, dem kleinsten Gemeindebau Wiens.

 


Ernst Waldinger war bei verschiedenen Verlagen als Lektor tätig und gewann diverse Lyrikpreise. 1933 gehörte er zu den Mitbegründern der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Im März 1938, als die Nationalsozialisten in Österreich einmarschierten, befand sich Ernst Waldinger fast völlig gelähmt wegen eines Rückenmarktumors in der Heilanstalt Rosenhügel. Als jüdischer Patient wurde er aus der Anstalt verwiesen. Als Sozialist fürchtete er seine Verhaftung und tauchte unter. Seine Frau verbrannte aus Angst viele seiner Schriften.


Am 31. Mai 1938 wurde Waldinger aufgrund einer Denunzierung die Gemeindewohnung gekündigt. Da Beatrice Waldinger in den USA geboren war und die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, konnte die Familie Waldinger Ende August 1938 über Paris und London nach New York ausreisen, wo sie im September 1938 ankamen. Hier musste sich Waldinger zunächst mit verschiedenen Jobs über Wasser halten, bis er 1939 Mitarbeiter der „Austro American Tribune“ wurde. Von 1947 bis 1965 lehrte Ernst Waldinger deutsche Sprache und Literatur am Skidmore College in Saratoga Springs im Staat New York. Nach seiner Pensionierung lebte das Ehepaar Waldinger wieder in New York City.



Nach dem Krieg nahm Ernst Waldinger neuerlich Kontakt nach Österreich auf und erhielt auch mehrere Preise: 1958 erhielt Ernst Waldinger den Theodor Körner-Preis, 1960 den Preis der Stadt Wien und 1966 die Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien. Eine Rückkehr nach Österreich schlossen das Ehepaar Waldinger aber aus, da die Mutter von Beatrice Waldinger ein Opfer der Shoah geworden war. Während seiner dritten Österreich-Reise erlitt Ernst Waldinger in Schruns einen Schlaganfall. Infolge der Aufregung starb seine Frau an einem Herzinfarkt. Ernst Waldinger starb ein Jahr später in New York.

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