geb. am 27. Jänner 1861 in Hohenems, gest. am 14. Mai 1944 in Territet bei Montreux (Schweiz)
Eugen Steinach war von 1913 bis 1938 Leiter der Physiologischen Abteilung an der Biologischen Versuchsanstalt (BVA) der Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt. Er kehrte von einer Vortragsreise nach Italien im März 1938 nicht mehr nach Österreich zurück, sondern emigrierte in die Schweiz.
Steinach wurde als Sohn des Arztes Simon Steinach (1834–1904) und seiner Frau Flora, geb. Rosenthal (1838–1909), in Hohenems, Vorarlberg geboren. Er studierte 1879/80 Chemie und Zoologie an der Universität Genf und ab 1880 Medizin an der Universität Wien. 1886 promovierte er an der Universität Innsbruck zum Dr. med. 1885 erhielt Steinach eine Stelle als Assistent am Physiologischen Institut der Universität Innsbruck, 1889 wechselte er als I. Assistent an das Physiologische Institut der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag und habilitierte sich dort 1890 im Fach Physiologie. An der Prager Universität, an der ihm auf seiner bezahlten Assistentenstelle 1895 der Titel eines ao. Professors und 1906 der eines o. Professors verliehen wurde, begründete Steinach 1902/03 ein Laboratorium bzw. eine Abteilung für allgemeine und vergleichende Physiologie, dem er bis 1912 vorstand. In diesem Jahr begründete er auf Einladung von Hans Przibram und Leopold Portheim die Physiologische Abteilung an der BVA, die er von 1913 bis 1938 leitete.
Im Rahmen seiner physiologischen Forschungstätigkeit beschäftigte sich Eugen Steinach insbesondere mit der Analyse und dem therapeutischen Einsatz von Sexualhormonen. Seine Experimente zur Geschlechtsumwandlung, die er ab 1912 publizierte, erregten Aufsehen weit über die Fachwelt hinaus. Etwa ab 1920 betrieb Steinach – auch zur Forschungsfinanzierung – eine Arztpraxis für Verjüngungsoperationen in Wien-Leopoldstadt. Die so genannte „Steinach-Operation“ war nicht unumstritten: An Ratten getestet, sollte die Durchtrennung der Samenleiter die körpereigene Produktion von Testosteron anregen und somit verjüngend wirken. Der 1923 im UFA-Filmpalast in Berlin uraufgeführte „Steinach-Film“ stellte seine spektakulären Forschungen einer großen Öffentlichkeit vor. Karl Kraus nannte ihn mehrmals in der Fackel, und Willy Kaufmann hatte bereits 1920 im Foxtrott „Steinach Rummel“ die kontroverse Debatte um die Verjüngungsoperationen aufgegriffen. Ab 1923 arbeitete er mit der deutschen Pharmafirma Schering zusammen, die im Bereich der Hormonpräparate zu den führenden Konzernen zählte. Über diese Kooperation konnte er seine Arbeit an der BVA bis 1938 weitgehend finanzieren.
Am 10. März 1938 traten Steinach und seine Frau Antonie, verw. Thumim (1867–1938), eine mehrmonatige Urlaubs- und Vortragsreise nach Italien an. Wegen des „Anschlusses“ reiste das Paar nach Zürich weiter, wo ihnen im Juli 1938 durch die Schweizer Fremdenpolizei eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wurde. In der nach dem „Anschluss“ erstellten „Liste der Arbeitenden“ der BVA, die auch die Abteilungsvorstände erfasst, ist Eugen Steinach als „Nicht-Arier“ gekennzeichnet. Die Leitung der Physiologischen Abteilung der BVA übernahm vorübergehend sein Mitarbeiter Heinrich Kun, der wie Steinach jüdischer Herkunft war. Später versuchte er Kun zur Ausreise in die USA zu verhelfen, was allerdings nicht gelang.
Als der neue Leiter der BVA, das NSDAP-Mitglied Franz Köck, Steinachs Forschungsunterlagen und Materialien nicht der Firma Schering übergab, war Steinachs wissenschaftliche Laufbahn zwangsläufig beendet. Seine Frau hatte sich am 12. September 1938 das Leben genommen. Eugen Steinach verstarb 1944 84-jährig in Territet bei Montreux.
Steinach war der namhafteste Hormonforscher seiner Zeit. Seine Forschungen werden als grundlegend für die Entwicklung von Hormonpräparaten eingestuft. Das unter Mitwirkung von Steinach entwickelte weibliche Sexualhormonpräparat Progynon ist noch im Handel. In den Jahren 1909 und 1918 erhielt Eugen Steinach den Ignaz-L.-Lieben-Preis der Akademie der Wissenschaften in Wien. 1918 wurde er zum Ehrendoktor der Universität Rostock ernannt. Zwischen 1921 und 1938 wurde Steinach elf Mal für den Nobelpreis für Physiologie und Medizin vorgeschlagen. Mit seinem hinterlassenen Vermögen wurde im Jahr 1948 die soziale Stiftung „Prof. Dr. Eugen Steinach-Fonds“ mit Sitz in Zürich errichtet. 1955 wurde nach ihm die Steinachgasse in Wien-Donaustadt benannt.
Schriften (Auswahl)
Quellen und Literatur (Auswahl)
Datenbanken (Auswahl)