06.04.2017

Filmische Erinnerungs-landschaften. Der Holocaust im Europäischen Gegenwartskino

Tobias Ebbrecht-Hartmann (Hebrew University Jerusalem) 06. April 2017

Als „negativer Gründungsmythos“ (Claus Leggewie) nimmt der Holocaust heute eine zentrale Rolle im europäischen Gedächtnis ein. Allerdings bleiben dabei gegenläufige Erinnerungen bestehen, die auf unterschiedlichen Wahrnehmungen von Krieg, Kollaboration und Verbrechen beruhen und oft im Konflikt zueinander stehen. Während die europäische Erinnerungspolitik dazu tendiert, diese Erinnerungskonflikte zu harmonisieren und nationale Geschichtspolitiken partikulare Perspektiven universalisieren, bietet das Kino einen Ort an, an dem unterschiedliche Erfahrungsdimensionen aufeinander prallen und Konflikte ausgehandelt werden können, ohne sie notwendig zu versöhnen. So trägt das sich zunehmend transnationalisierende europäische Gegenwartskino dazu bei, die neue europäische Erinnerungskultur und ihre Reibungen mit nationalen Geschichtsversionen zu verhandeln und diese entweder aufzubrechen oder zu modernisieren. Der Holocaust, der Mord an den europäischen Juden, ist daher auch zu einem zentralen Bestandteil der Erinnerungslandschaften des europäischen Films geworden.

Der Vortrag wird anhand verschiedener Beispiele aus den vergangenen Jahren visuelle und narrative Strategien analysieren, die die Erinnerung an den Holocaust in filmische Erzählformen übersetzen, und diskutieren, wie diese auf die Ausdifferenzierung europäischer Erinnerungskulturen antworten, bzw. die zunehmende Kanonisierung eines „europäischen Gedächtnisses“ unterlaufen.

 

Tobias Ebbrecht-Hartmann ist Lecturer im European Forum und im Department of Communications & Journalism an der Hebrew University in Jerusalem. Der Vortrag basiert auf seiner laufenden Forschung zur Erinnerung an den Holocaust im europäischen Gegenwartskino. Er ist u.a. Autor von „Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis: Filmische Narrationen des Holocaust“ (Bielefeld, 2011). Zuletzt erschienen zum Thema die Aufsätze „Preserving Memory or Fabricating the Past? How films constitute cinematic archives of the Holocaust” (Cinéma & Cie, XV:24, 2015), “Locked Doors and Hidden Graves: Searching the Past in Poklosie, Sarah’s Key, and Ida” (in Holocaust Cinema in the Twenty-First Century, New York, 2015), und “Goebbels’s Fear and Legacy: Babelsberg and Its Berlin Street as Cinematic Memory Place” (in Persistent Legacy: The Holocaust and German Studies, Rochester, NY, 2016).

 

Ort:
Museumszimmer ÖAW
Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2, 1010 Wien

Zeit:
16.30 Uhr (bis 18.00)

Organisation:
Peter Stachel