GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Mona Lisa Steiner


geb. am 30. Oktober 1915 in Wien, gest. am 10. April 2000 in Wien

Mona Lisa Steiner forschte von 1937 bis 1938 an der Biologischen Versuchsanstalt (BVA) der Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde sie aus rassistischen Gründen verfolgt. Steiner emigrierte im Herbst 1938 auf die Philippinen.

Steiner wurde als Lise Monika Lindenberg, Tochter des Bankbeamten Ignaz Lindenberg (1875–1952) und seiner Frau Therese, geb. Trestl (1893–1980), in Wien geboren. Sie studierte ab 1934 Botanik und Zoologie an der Universität Wien und besuchte Lehrveranstaltungen in Physik. Ihre Dissertation zu „Untersuchungen über die Wirkung karzinogener Substanzen auf höhere Pflanzen“ stellte Steiner im Jahr 1938 unter der Betreuung des Botanikers Josef Kisser (1899–1984) fertig, als Folge des „Anschlusses“ blieb sie unbeurteilt. Kisser, 1938 aus politischen Gründen aus dem Personalstand der Hochschule für Bodenkultur in Wien entfernt, veröffentlichte die Arbeit Anfang 1940 in den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Botanik“. Erst 1954 promovierte Mona Lisa Steiner an der Universität Wien. An der Biologischen Versuchsanstalt war Steiner von 1937 bis 1938 tätig, vermutlich im Rahmen ihres Dissertationsprojekts.

In der nach dem „Anschluss“ erstellten „Liste der Arbeitenden“ der BVA ist sie noch unter dem Namen Lise Lindenberg als „Nicht-Arier“ mit dem Zusatz „1/2“ vermerkt. Sie ist neben Heinrich Kun die einzige BVA-Mitarbeiterin mit jüdischem Hintergrund, die auch noch in der neuen „Liste der Arbeitenden 1938“ eingetragen ist. Diese Liste wurde offenkundig nach der Wiedereröffnung der von jüdischen Forscher/innen weitestgehend „gesäuberten“ BVA am 26. April 1938 erstellt.

Im Sommersemester 1938 – ihrem letzten inskribierten Semester an der Philosophischen Fakultät – war es jüdischen Studierenden noch möglich, das Studium bis Semesterende im Rahmen der Einschränkungen des „Numerus clausus“ fortzusetzen.

Am 2. Oktober 1938 verließ Mona Lisa Steiner Wien und emigrierte – bis Bombay gemeinsam mit dem Medizinstudenten Hermann Rübenfeld (1914–1946) – über Italien und Shanghai nach Singapur, wo sie ein Visum für die Philippinen erhielt. Am 27. Oktober 1938 erreichte Steiner Manila und im folgenden Monat wurde sie als Assistentin am Botanischen Department der Universität Manila angestellt. Hier erwarb sie im März 1940 den Bachelor of Liberal Arts und heiratete im selben Jahr den ebenfalls aus Wien emigrierten Juristen Hans Steiner (1908–1980). Im Dezember 1941 wurden die Philippinen von Japan besetzt und die Universität Manila geschlossen. Während dieser Zeit arbeitete sie an ihrem Buch über „Philippine Ornamental Plants“, dessen Manuskripte und Aquarelle allerdings im Februar 1945 verbrannten.
Nach Kriegsende legte Mona Lisa Steiner den botanischen Garten „Mona’s Botanical Garden“ an. Ab 1949 folgt die Bepflanzung eines weiteren botanischen Gartens in Manila mit dem Namen „Mehan Garden“. Sie baute einen internationalen Pflanzenversand auf, verfasste unter anderem 1952 das Standardwerk „Philippine Orchids“ über die Orchideenwelt auf den Philippinen und initiierte im Jahr 1946 die „Philippine Orchid Society“, die heute in Quezon City ihren Sitz hat.

Mitte der 1960er Jahre kehrten Mona Lisa Steiner und ihre Familie – nach Aufenthalten in Deutschland – nach Österreich zurück, 1955 hatte sie in Wien ein Haus erworben. Hier erhielt Steiner zunächst kaum Anerkennung für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Tropenforschung und setzte ihre Arbeit in Eigeninitiative fort. Unter anderem entwickelte sie eine „Wiener Schule“ der Blumenstecktechnik, die an die japanische Blumensteckkunst Ikebana angelehnt war. 1999 regte Steiner den Aufbau einer mehrsprachigen internationalen Internetdatenbank für Nutz- und Kulturpflanzen an der Universität für Bodenkultur an. Dieses Grundlagenprojekt wurde im Laufe des Jahres 2000 begonnen, es basierte auf Steiners Systematik der Beschreibung und Kategorisierung tropischer Pflanzen. In großem Umfang wurden ihre zeichnerischen Pflanzendarstellungen digitalisiert. Heute ist die Datenbank in mehrere internationale Großprojekte integriert. Steiner verstarb während eines ORF-Interviews am 10. April 2000 an einem Herzinfarkt.

Die Tropenbotanikerin Mona Lisa Steiner war Trägerin zahlreicher Auszeichnungen. Unter anderem wurden ihr verliehen: 1961 der Woman Horticulturist of 1960 durch die Philippine Federation of Business and Professional Women’s Clubs, 1996 der Banaag Award für herausragende Leistungen um die Philippinen von der Philippinischen Republik und der Award of Merit der Rizal-Blumentritt Society Austria im selben Jahr. 1960 wurde Steiner zum Botanical consultant-adviser to the Manila Zoological and Botanical Garden ernannt, 1965 erhielt sie das Diplom der Österreichischen Gartenbaugesellschaft. Im Jahr 1998 wurde ihr durch die Republik Österreich der Berufstitel „Professorin“ verliehen. Steiners Werdegang wird untersucht im FWF-Forschungsprojekt „Tropical Botany in Exile. Mona Lisa Steiner (1914–2000): Scientific Continuities, Transfers and Practices in Austria and the Philippines“ am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, geleitet von Carola Sachse und bearbeitet von Sonja Walch. Steiner hat, so Sachse, den Begriff der Tropenbotanik in Österreich erst geprägt.


Schriften (Auswahl)


  • Josef Kisser – Lise Lindenberg, Untersuchungen über die Wirkung karzinogener Substanzen auf höhere Pflanzen, in: Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik 89, 1 (1940), 89–155.
  • Lise Monika Lindenberg, vereh. Steiner, Untersuchungen über die Wirkung karzinogener Substanzen auf höhere Pflanzen, Dissertation, Universität Wien 1952.
  • Mona Lisa Steiner, Philippine Ornamental Plants and Their Care, hg. v. Mary Frances Rivers, Manila 1952.
  • Reg S. Davis – Mona Lisa Steiner, Philippine Orchids. A Detailed Treatment of Some One Hundred Native Species, New York 1952.
  • Mona Lisa Steiner, A Dictionary of Vernacular Names of Pacific Foodplants, [o. O.] 1961.
  • Dies., Trockengestecke. Wiener Schule, Anleitung zum Trocknen und Haltbarmachen von Blumen und Pflanzenmaterial, Wien 1982.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Bestand BVA sowie Nachlass Mona Lisa Steiner.
    • Herbert Posch – Doris Ingrisch – Gert Dressel, „Anschluß“ und Ausschluss 1938. Vertriebene und verbliebene Studierende der Universität Wien, Wien 2008, 229, 341–342, 430.
    • Christine Kanzler, „Ich kann überall Wurzeln treiben …“. Einblicke in das Leben und Werk der Wiener Botanikerin Mona Lisa Steiner (1915–2000), in: Susanne Blumesberger (Hg.), Frauen schreiben gegen Hindernisse II. Zu den Wechselwirkungen von Biografie und Schreiben im weiblichen Lebenszusammenhang, Wien 2010, 103–112.
    • Christine Kanzler, Zuflucht in den Tropen. Österreichische Emigranten auf den Philippinen, in: DÖW. Erzählte Geschichte.
    • Therese Lindenberg, Apokalyptische Jahre. Die Tagebücher der Therese Lindenberg 1938 bis 1946, hg. v. Christa Hämmerle – Li Gerhalter (= L’homme Archiv 2), Wien–Köln–Weimar 2010.
    • Hans Steiner, Nie wieder Wien? Erinnerungen an Jugend und Exil, hg. v. Ruth Steiner, Wien 2009.
      Ruth Steiner, At home in two faiths. My allegiance to both Christianity and Judaism, Wien 2004.
    • Ruth Steiner, Was ich dich noch fragen wollte… Eine Christin auf der Suche nach ihrer jüdischen Identität, Wien 2006.
    • Wissenschaft im Exil: Die Tropenbotanikerin Mona Lisa Steiner, in: uni:view Magazin, Forschungsnewsletter der Universität Wien, November 2013. medienportal.univie.ac.at.


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