GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Walter Kellermann


geb. am 2. April 1915 in Berlin, gest. am 15. November 2012 in London

(Ernst) Walter Kellermann war von 1936 bis 1937 am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften in Wien tätig. Er emigrierte im Herbst 1937 über Straßburg nach Großbritannien.

Kellermann wurde als Sohn des Rabbiners Benzion Kellermann (1869–1923) und seiner Frau Thekla, geb. Lehmann, in Berlin geboren. Er maturierte 1933 am Gymnasium Kaiser-Friedrich-Schule in Charlottenburg, eine reguläre Einschreibung an der Berliner Universität wurde ihm aus rassistischen Gründen verwehrt. Im Frühjahr 1933 kam Kellermann auf Anraten seines Onkels Julius Lehmann nach Wien, wo er ab Herbst dieses Jahres die Studien der Physik und Mathematik an der Universität aufnahm. Er promovierte im Jahr 1937 mit seiner Dissertation „Zur Verfärbung und Lumineszenz des Fluorits“. Am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften war Kellermann von 1936 bis Herbst 1937 im Rahmen seines Dissertationsprojekts tätig. Befreundet war er hier mit dem 1939 nach Schweden emigrierten Physiker Friedrich Koczy.

Kellermann verließ Wien im September 1937, wo er zuletzt in der Thurngasse 11, Wien-Alsergrund, wohnhaft war. In seiner Autobiographie schrieb er: „During my last few weeks in Vienna, in September 1937, pro-Anschluss demonstrations had increased. But I thought it was safe to wait one more week after obtaining my degree.“ Er ging zunächst nach Straßburg, um seinen Onkel zu besuchen – sein Verabschiedungsbrief von dort ist mit 3. Oktober 1937 datiert. Noch im selben Monat emigrierte Kellermann über Newhaven nach Großbritannien. Während des Studienjahres 1936/37 hatte er sich um ein Stipendium für Großbritannien bemüht. Kellermann wurde Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe des 1934 emigrierten Physikers und späteren Nobelpreisträgers Max Born (1882–1970) an der University of Edinburgh. Hier teilte er mit dem späteren Atomspion Klaus Fuchs (1911–1988) einen Arbeitstisch. Im Jahr 1939 promovierte Kellermann mit seiner Arbeit „Theory of the Vibrations of the Sodium Chloride Lattice“.

1940 wurde Walter Kellermann als „enemy alien“ nach Kanada verbracht und dort interniert, 1941 kehrte er nach Großbritannien zurück. In diesem Jahr erhielt er eine Stelle als Lektor für Physik am University College von Southampton, wo er bis 1946 tätig war. Anschließend nahm er eine Forschungsstelle an der University of Manchester an, wo er sich unter anderem mit Untersuchungen zur kosmischen Strahlung beschäftigte. Ab 1949 war er am Department of Physics der University of Leeds tätig, ab 1962 als Senior Lecturer. Hier war er beispielsweise am Haverah Park Cosmic Ray Project des Instituts beteiligt. Der Physiker ging im Jahr 1980 in den Ruhestand und zog nach London. Walter Kellermann, der im Jahr 1947 die britische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, verstarb 2012 in London.


Schriften (Auswahl)


  • Ernst Walter Kellermann, Theory of the Vibrations of the Sodium Chloride Lattice, in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London 238 (1940), 513–548.
  • Ders., Science and Technology in France and Belgium, Harlow 1988.
  • Ders., A Physicist’s Labour in War and Peace. Memoirs 1933–1999, Peterborough 2004.


Quellen und Literatur (Auswahl)


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