GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Hans Dostal


geb. am 1. Februar 1909 in Wien, gest. am 15. Juli 1990 in Salzburg

Hans Dostal forschte von 1933 bis längstens April 1935 am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt und konnte seine Tätigkeit an der Akademie nicht mehr fortsetzen. Vermutlich ging er ins Exil nach Jugoslawien. Dostal kehrte nach dem Ende des NS-Regimes nach Österreich zurück.

Dostal maturierte 1927 am Wiener Schottengymnasium, studierte anschließend Mathematik und Physik an der Universität Wien und promovierte 1932 mit einer Dissertation über „Die Erscheinung des Weltraumechos“ bei Hans Thirring (1888–1976). Er arbeitete seit 1929 für verschiedene Firmen als Versicherungsmathematiker. Nach der Berufung von Hermann Mark an das I. Chemische Institut der Universität Wien im Herbst 1932 wurde Dostal an dessen Hochpolymer-Forschungsprojekten beteiligt. Dostal, der nicht zum Personalstand der Universität gehörte, dürfte – wie viele Mitarbeiter Marks – aus Mitteln der I.G. Farbenindustrie AG bezahlt worden sein. Hans Dostal begann parallel zu seiner Tätigkeit an der Universität Wien im Jahr 1933 am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften zu forschen. Er verließ die Akademie spätestens im April 1935.

Hans Dostal wurde nach dem „Anschluss“ wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Seine bis dahin rege Forschungs- und Publikationstätigkeit am I. Chemischen Institut konnte er nicht mehr fortsetzen. Hermann Mark, der ihn gefördert hatte, wurde im April 1938 durch Erlass des Unterrichtsministeriums als „Mischling ersten Grades und weil von seiten des Sicherheitsdienstes Bedenken gegen seine Weiterverwendung bestanden“ an der Universität Wien beurlaubt und emigrierte. Dostal war von Jänner bis September 1938 als Lehrer am Schottengymnasium beschäftigt, er wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft gekündigt. Seine letzte Wohnadresse in Wien war vermutlich die Weyringergasse 4 in Wien-Wieden. In einem Schreiben, das mit 25. November 1938 datiert ist, teilte Dostal mit, nach Jugoslawien emigrieren zu müssen. Er gab eine Kontaktadresse in Belgrad an. Im Dezember befand er sich in Zagreb. Dostal stand mit der Society for the Protection of Science and Learning in London in Verbindung, die ihm eine Stelle zu vermitteln versuchte. Der Akademikerhilfsorganisation wurde im Mai 1939 bekannt, dass Dostal zur Rückkehr in das Deutsche Reich gezwungen worden und in ein Konzentrationslager gebracht worden war. Über sein weiteres Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus ist nichts bekannt. 1948 lebte Hans Dostal in der Stadt Salzburg, wo er im Jahr 1990 verstarb. Er war nach 1945 nicht mehr in der Forschung tätig.

Dostal war Mitglied der Faraday Society, London, und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Berlin.


Schriften (Auswahl)


  • Hans Dostal, Die Erscheinung des Weltraumechos, Dissertation, Universität Wien 1931.
  • Ders., Betrachtungen zur Erklärung des Weltraumechos, des Polarlichtes und der magnetischen Störungen. I. Mitteilung, in: Annalen der Physik 406, 8 (1932), 971–984.
  • Ders., Über den Mechanismus der Polymerisationsreaktionen: Isomerisation bei bimolekularer Keimbildung, in: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften 67, 1 (1936), 1–9.
  • Ders., Über den Mechanismus der Polymerisationsreaktionen (Aus dem I. Chemischen Universitätslaboratorium in Wien), in: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften 67, 1 (1936), 63–79.
  • Ders. – H. Mark, Eine Methode zur Bestimmung der Molekül-Größenverteilung in makromolekularen Systemen, in: Naturwissenschaften 24, 50 (1936), 796.
  • Hans Dostal – R. Raff, Über den Mechanismus thermischer Polykondensationsreaktionen (Aus dem I. Chemischen Universitätslaboratorium in Wien), in: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften 68, 1 (1936), 188–201.
  • Hans Dostal – R. Raff, Über die Kinetik von Polymerisationsreaktionen, in: Angewandte Chemie 50, 20 (1937), 348–353.
  • H. Dostal, Zur statistischen Theorie der Kautschukelastizität, in: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften 71, 1 (1937), 309–316.
  • Ders., Zur statistischen Theorie der Kautschukelastizität (Aus dem I. Chemischen Universitätsinstitut Wien), in: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften 71, 1 (1937), 346–350.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der Universität Wien, Phil. Rig. Akt 11234.
    • Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Bodleian Library, University of Oxford (File 326/1).
    • Akademie der Wissenschaften in Wien, Almanach f. d. J. 1934, 1935.
    • Ute Deichmann, Flüchten, Mitmachen, Vergessen. Chemiker und Biochemiker in der NS-Zeit, Weinheim–New York 2001, 183.
    • Johannes Feichtinger, Die Wiener Schule der Hochpolymerforschung in England und Amerika. Emigration, Wissenschaftswandel und Innovation, Wien 2000, 15–16.
    • Christian Fleck, Akademische Hilfe, in: Hamid Reza Yousefi – Christiane Dick (Hg.), Das Wagnis des Neuen. Kontexte und Restriktionen der Wissenschaft, Festschrift für Klaus Fischer zum 60. Geburtstag, Nordhausen 2009, 313–335, hier: 327.
    • Wolfgang L. Reiter, Doppelter Verlust. Die Vertreibung der jüdischen Intelligenz 1938/1945, in: Das Jüdische Echo. Europäisches Forum für Kultur und Politik 50 (2001), 260–256, hier: 262.
    • Wolfgang L. Reiter, Naturwissenschaften und Remigration, in: Sandra Wiesinger-Stock – Erika Weinzierl – Konstantin Kaiser (Hg.), Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft (= Exilforschung heute, Buchreihe der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung 1), Wien 2006, 177–218, hier: 185–186.

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