Die Auswirkungen von Industrialisierung und Urbanisierung auf Donaufischfauna, Fischerei und Fischkonsum im Wien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Projektleiterin: Univ.-Prof. Dr. Verena Winiwarter

Nationale Partnerin: Dr. Gertrud Haidvogl (BOKU, Wien)

Laufzeit: 12.05.2015-15.08.2016

Fördergeber: Kulturabteilung der Stadt Wien (MA7)

Die Fischfauna der Wiener Donau ändert sich aufgrund historischer Klimaschwankungen, Flussnutzung und Fischerei seit vielen Jahrhunderten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte dieser Wandel zuvor nicht gekannte Ausmaße. Auslöser dieses Prozesses waren die Industrialisierung und das Heranwachsen Wiens zu einer europäischen Metropole. Diese beiden Faktoren ermöglichten und erforderten gleichzeitig die systematische Regulierung des Flusses, die in Wien ab 1870 in Angriff genommen wurde.

Der Ausbau der Donau zur Schifffahrtsstraße und später zum Stromproduzenten sowie die hochwassersichere Besiedlung der Flussauen resultierten in einer grundlegenden Veränderung der Fischlebensräume und reduzierten langfristig deren Bestände. Technische Fortschritte in der Fischzucht und die Einfuhr von rasch wachsenden neuen Arten sollten diese Verluste kompensieren. Das war zwar nur bedingt möglich, verstärkte letztendlich aber das Ausmaß des Wandels der Donaufische.

Die Donau und ihre Zuflüsse versorgten die Stadt Wien seit vielen Jahrhunderten mit Fischen. Mit steigender Bevölkerung kamen die Fische aus immer größerer Entfernung. In den 1880er-Jahren konnte auch der Handel mit nieder- und oberösterreichischen, burgenländischen, böhmischen und ungarischen Fischern und Karpfenzüchtern den Bedarf der Stadt nicht mehr decken. Neue Bahnverbindungen erschlossen der Stadt frische Speisefische aus der Adria und vor allem aus der Nordsee. Als die Stadt Wien in den 1890er-Jahren eine gezielte Kampagne zur Förderung des Fischkonsums startete, setzte man besonders auf den Import von marinen Fischen während die Ressource vor der Haustüre an Bedeutung und damit mittel- und langfristig an effektivem Schutz verlor.

Die Zusammenhänge zwischen der Bestandsentwicklung einzelner Fischarten, Flussbaumaßnahmen, fischereiwirtschaftlichen Praktiken, der Erweiterung technologischer und wissenschaftlicher Kenntnisse im Bereich der Fischbiologie und der Industrialisierung bzw. Urbanisierung von Wien sind bis dato kaum untersucht.
Ziel dieses Projektes ist es, die Entwicklung der Wiener Donaufischfauna zwischen der ersten systematischen Flussregulierung 1870 – 1875 und den 1920er-Jahren vor dem Hintergrund der Regulierung des Flusses, neuer fischereilicher Praktiken und der Bedeutung der Donaufischfauna als lokal verfügbarer Nahrungsressource zu untersuchen. Diese drei Komponenten haben unterschiedliche Auswirkungen auf den Fischbestand und sind über die Prozesse der Industrialisierung und des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts eng miteinander verbunden. Diese ermöglichten die Regulierung, unterstützten den Import von Nahrungsmitteln im großen Stil und förderten den bewussten und unbewussten Besatz mit neuen Arten sowie die Fischzucht. Diese Ereignisse spielten sich zu einem Zeitpunkt ab, als die Versorgung einer stark steigenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln Gegenstand intensiver politischer Debatten war.

Das umwelthistorisch orientierte Projekt ist an der Schnittstelle zwischen (Fisch-)Ökologie und Geschichtswissenschaften angesiedelt. Die Projektergebnisse werden in einer historischen Zeitschrift aus dem Bereich der Wiener Stadtgeschichte veröffentlicht.

 Abschlussbericht

Kontakt


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T +43 51581-3200, -3210
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 Karin Windsteig 

 

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