23.05.2017

Verantwortung zur Freiheit

Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaften geraten weltweit unter Druck. Die Feierliche Sitzung der ÖAW 2017 machte deutlich, weshalb der Einsatz für diese grundlegenden Werte besonders für kommende Generationen von Bedeutung sein wird.

© Klaus Pichler/ÖAW
© Klaus Pichler/ÖAW

Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit sehen sich Wissenschaftler/innen in vielen Teilen der Welt mit Skepsis konfrontiert und haben mit Einschränkung ihrer Unabhängigkeit zu kämpfen. Die Frage, ob die Freiheit von Wissenschaften insgesamt gefährdet sei – und damit eine zentrale Errungenschaften der europäischen Aufklärung – stand auch im Zentrum der diesjährigen Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am 19. Mai 2017. Grund zur Wachsamkeit, so waren sich die hochkarätige Redner/innen, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Wissenschaftsminister Harald Mahrer, einig, bestehe durchaus. Deswegen sei es gerade jetzt umso wichtiger, sich für die Wissenschaften, ihre Autonomie und deren Wert für die Gesellschaft stark zu machen.

 Ein neuer Aufklärungsschritt könnte notwendig sein.


„Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist leider keine Selbstverständlichkeit“, erinnerte Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Festsaal der ÖAW. Die jüngsten politischen Entwicklungen, nicht zuletzt in den USA und einzelnen Ländern Europas, haben sogar so weit geführt, dass sich in den vergangenen Wochen tausende Menschen genötigt sahen, für diese Freiheit auf die Straßen zu gehen. Ein Wert, für den auch Van der Bellen als neuer Schirmherr der Akademie eintreten werde – und zwar nicht  nur im Interesse der Akademie, „sondern auch im Interesse der kommenden Generationen“.

Diese Freiheit gehe, wie Wissenschaftsminister Harald Mahrer betonte, zugleich mit einer Verantwortung und einem Verantwortungsbewusstsein der Wissenschaften für die Allgemeinheit einher. Beispielsweise wenn es darum geht, den Herausforderungen der Digitalisierung wissenschaftlich-analytisch und gleichermaßen nachhaltig zu begegnen. „Ein neuer Aufklärungsschritt“, stellte Mahrer zur Debatte, „könnte notwendig sein.“

Zukunftsvision 2067

Einen optimistischen Ausblick wagte ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. In seiner Rede nahm der Quantenphysiker die Gäste mit auf eine Reise in die Zukunft, um eine der wesentlichen Aufgaben von Wissenschaft und Wissenschaftspolitik der Gesellschaft gegenüber zu veranschaulichen: Langfristig Verantwortung für die Zukunft eines Landes zu übernehmen.

Heute in 50 Jahren, so stellte Zeilinger in seiner Vision dar, gehöre Österreich zu den „Innovation Leaders“. Man habe von entscheidenden wissenschaftspolitischen Weichenstellungen im Jahr 2017 ungemein profitiert. So hätten sich die Politiker/innen gerade zu dieser Zeit ihrer Verantwortung für die Wissenschaft bewusst gemacht und mit starken Entscheidungen zur Förderung von Grundlagenforschung ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten künftiger Generationen genutzt.

2017 hat man begonnen, die Grundlagen für die Welt von übermorgen zu legen.


Die Entscheidung, auf Grundlagenforschung zu setzen, habe dazu geführt, dass viele Unternehmen nach Österreich gelockt wurden – und zwar nicht der Förderungen wegen, sondern wegen des sich hier bietenden Zugangs zu den besten Köpfen. Aus dem Jahr 2067 zurückblickend urteilt Zeilinger über das heutige Österreich: „2017 hat man begonnen, die Grundlagen für die Welt von übermorgen zu legen.“

Am Scheideweg

Dieser visionäre Blick gewinnt im Heute umso mehr an Gewicht, wenn man sich das derzeit  in Österreich vorhandene Potenzial vor Augen führt. So bestehe gegenwärtig eine Breite an wissenschaftlicher Qualifikation im Land, wie es sie in Österreich noch nie gab, ist Zeilinger überzeugt. Für den ÖAW-Präsidenten ist es folglich eine Frage der Verantwortung, diese Chancen und Möglichkeiten zu ergreifen.

Wie bedeutend dieser Blick für das große Ganze ist, deutete auch Grete Walter-Klingenstein, Historikerin und wirkliches Mitglied der ÖAW, in ihrer Festrede über Maria Theresia an. So steht die berühmte Regentin, die vor 300 Jahren geboren wurde, zwar ohne Zweifel für viele entscheidende Reformen Österreichs im 18. Jahrhundert. Die Frage, warum sie dennoch nie, im Gegensatz etwa zu Friedrich dem Großen und Katharina der Großen, den Beinamen „die Große“ erhielt, könnte indes mit ihrer Haltung zur Aufklärung zusammenhängen. Während diese andernorts in Europa zu diesem Zeitpunkt schon Einzug gehalten habe, blieb Maria Theresias Staatsführung nicht zuletzt gekennzeichnet durch „die Unfreiheit des Geistes, die Zensur und die Gängelung der Wissenschaften an den Universitäten.“

Ein Befund, der wiederum im Jahr 2067 über die Welt der Gegenwart im Interesse der kommenden Generationen besser keinen Platz haben sollte.