Digitale Erschließung der Rechnungsbücher des Klosters Aldersbach. Sozial- und wirtschaftshistorische Analyse eines prototypischen Großbetriebs mit digitalen Methoden

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Klosterrechnungen erlauben vielfältige Einblicke – in den Alltag der Mönche ebenso wie in die sogenannte ‚große‘ Geschichte. Deshalb reihte der bedeutende österreichische Historiker Alphons Lhotsky Rechnungen explizit unter die Tagebücher ein. Rechnungsbücher erlauben vielfach Einblicke, die sonst verwehrt blieben. Oft wurden nämlich – unabsichtlich und daher zumeist umso wertvoller – Ereignisse und Vorkommnisse dokumentiert, die sonst in der übrigen schriftlichen Überlieferung fehlen. Wohlgemerkt sind die für verschiedene historische Fachdisziplinen relevanten Informationen oft ‚zwischen den Zeilen‘ zu finden, denn die Intention der Rechnungsschreiber war es ja mitnichten, der Nachwelt über die Vorkommnisse jener Jahre zu berichten, sondern es ging darum, für Prüfungen einen möglichst lückenlosen Nachweis der Einnahmen und Ausgaben präsentieren zu können. Selbstverständlich werden in diesen Quellen aber auch die wirtschaftlichen Angelegenheiten eines Klosters umfänglich dokumentiert.

Aldersbach kann als typisches Beispiel für ein bayerisches Zisterzienserkloster während des 15. und 16. Jahrhunderts gelten. Zwar ist die Geschichte dieser Gemeinschaft selbst vergleichsweise schlecht erforscht, die gute Überlieferung gerade der Rechnungen im genannten Zeitraum selbst sowie die Tatsache, dass Aldersbach eine durchschnittliche religiöse Gemeinschaft war, die es in vergleichbarer Größe hundertfach in ganz Europa gab, lassen das niederbayerische Kloster als geradezu prototypisch erscheinen. 

Der Einsatz automatisierter Handschriftenerkennung mit Transkribus zur Entzifferung der schwer lesbaren lateinischen und deutschen Rechnungsbücher und die KI-gestützte, automatisierte Datenverarbeitung und -analyse durch die Digital Humanities für eine auf dieser basierende wirtschafts- und sozialhistorische Klassifizierung kann in dieser Kombination als sehr effizient und innovativ angesehen werden.

Ziel einer geplanten fachwissenschaftlichen Studie mit dem Arbeitstitel „Leben und Arbeiten im spätmittelalterlichen Kloster. Eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Klosters Aldersbach 1449–1567“ ist es, erstens die wirtschaftlichen Grundlagen des Klosters im Zeitablauf herauszuarbeiten. Zweitens soll die Sozialstruktur der immerhin etwa 50 Beschäftigten herausgearbeitet werden. Idealerweise wird es auch möglich sein, Realeinkommen für bestimmte Berufsgruppen zu ermitteln und damit einen Beitrag zu der seit gut zwanzig Jahren boomenden internationalen Forschung zum Lebensstandard in der Vormoderne zu leisten. Eine weitere Dissertation aus dem Bereich Digital Humanities und Studien zu Fragestellungen weiterer historischer Fachdisziplinen runden die Publikationstätigkeit des Projekts ab.

Projektberater ist Bernhard Lübbers (Staatliche Bibliothek Regensburg). Weitere Projektmitarbeiter: Sebastian Pößniker (Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Regensburg), Maximilian Vogeltanz (Digital Humanities, Universität Graz), N.N. (Transkribus, ÖAW), N.N. (Lateinlektorat, ÖAW), Johannes Schwarz (Donauschriftdeutsch in Kurrentschrift, ÖAW) sowie Mark Kröll (Know Center Graz). Kooperationspartner: Read Coop SCE (Transkribus) und Bayerisches Hauptstaatsarchiv München.
 

 

 

 

 

Projektleitung

Robert Klugseder

 

Partner

Georg Vogeler, Universität Graz | Zentrum für Informationsmodellierung

Roman Kern, Know Center Graz

Mark Spoerer, Universität Regensburg | Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

 

Finanzierung

DFG & FWF 10.55776/PIN2678923 (Weave-Programm zur internationalen Zusammenarbeit)

 

Laufzeit

05/2024–04/2027