GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Anna Urbach


geb. am 21. Dezember 1905 in Wien, gest. am 23. Dezember 1993 in Chico (CA, USA)

Anna (Annie) Urbach arbeitete von 1934 bis 1938 am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde sie aus rassistischen Gründen verfolgt und konnte ihre Tätigkeit an der Akademie nicht mehr fortsetzen. Urbach konnte im Jahr 1939 gemeinsam mit ihrem Ehemann Franz Urbach über Schweden in die USA emigrieren.

Urbach wurde als Tochter des Arztes und Psychoanalytikers Paul Federn (1871–1950) und seiner Frau Wilma, geb. Bauer (1884–1949), in Wien geboren. Sie studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften und promovierte im Jahr 1929. 1930 nahm sie die Studien Physik und Mathematik an der Philosophischen Fakultät auf. Ab 1931 arbeitete Anna Urbach am Wiener Städtischen Krankenhaus Lainz, wo ihr Ehemann Franz Urbach von 1932 bis 1934 das physikalische Labor an der Radium-Station leitete. Von 1934 bis 1938 forschte sie im Rahmen ihres Dissertationsprojekts am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften in Wien. Wegen ihrer jüdischen Herkunft konnte Anna Urbach nach dem „Anschluss“ ihre Forschungstätigkeit nicht fortsetzen und ihre Dissertation nicht mehr fertigstellen. Im Almanach der Akademie für das Jahr 1938 scheint ihr Name in der Liste der Personen auf, die „im Institute oder mit den Mitteln des Institutes“ arbeiteten. In Almanach für 1939 wird Urbach nicht mehr angeführt.

Die Sommermonate 1938 verbrachten Anna und Franz Urbach, seit 1931 verheiratet, sowie der gemeinsame Sohn Hans (geb. 1934) auf dem Anwesen Karl von Motesiczkys (1904–1943), eines Freundes der Familie, in der Hinterbrühl bei Wien. Im Sommer 1939 konnte Urbach mit ihrer Familie schließlich über Stockholm und Bergen in die USA emigrieren. Sie erreichten im Dezember 1939 New York, wo sich bereits Annas Eltern und ihr Bruder, der Ägyptologe Walter Federn (1910–1967), aufhielten. Ihr zweiter Bruder, der Psychoanalytiker Ernst Federn (1914–2007), war von der Gestapo verhaftet worden. Er überlebte die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald.

Anna Urbach lebte zunächst in Manhattan, später in Rochester (NY). Sie dürfte gleichzeitig mit ihrem Mann die U.S.-amerikanische Staatsbürgerschaft im Jahr 1945 angenommen haben. Sie verstarb im Jahr 1993 in Chico (CA).


Schriften (Auswahl)


  • Annie Urbach, The Federn Family, in: Thirty-Five Years with Freud. In Honour of the Hundredth Anniversary of Paul Federn, hg. v. Ernst Federn, gem. mit Annie Urbach – Heinrich Meng – Edoardo Weiss (= Monograph Supplement 32), Brandon 1972, 12–17.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der Universität Wien, Jur. Fak. Promotionsprotokoll, Phil. Fak. Nationale WS 1930/31 (1. Semester)–SS 1932 (4. Semester), WS 1933/34 (6. Semester).
    • Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Bodleian Library, University of Oxford (File 342/5).
    • Akademie der Wissenschaften in Wien, Almanach f. d. J. 1935–1939.
    • Karl Fallend, Wissenschaft/Science, in: Part 2: Biographical Exodus from Austria, in: Friedrich Stadler – Peter Weibel (Hg.), Vertreibung der Vernunft / The Cultural Exodus from Austria, Wien 1995, 1–74, hier: 17.
    • Johannes Feichtinger, Transformationen der Forschungspolitik, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 117–126, hier: 122.
    • Bernhard Kuschey, Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers, 2 Bde., Gießen 2003, 47, 55, 57, 60–61, 65, 71, 74, 99, 101, 103–104, 223–224, 283, 288–295, 306–307, 348, 568, 579, 687, 923, 959, 1042, 1045.
    • Bernhard Kuschey (Hg.), Ernst Federn. Sozialismus, KZ, Psychoanalyse und Sozialarbeit (= Schriftenreihe zur Geschichte der Sozialarbeit und Sozialarbeitsforschung 2), Wien 2012.
    • Maria Rentetzi, Trafficking Materials and Gendered Experimental Practices. Radium Research in Early 20th Century Vienna, New York 2008, 127.
    • Wolfgang L. Reiter, The Year 1938 and its Consequences for the Sciences in Austria, in: Friedrich Stadler – Peter Weibel (Hg.), The Cultural Exodus from Austria, New York 1995, 188–205, hier: 198, 204.
    • Wolfgang L. Reiter, Von Erdberg in die Boltzmanngasse – 100 Jahre Physik an der Universität Wien, in: Karl Anton Fröschl – Gerd B. Müller – Thomas Olechowski – Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 4), Göttingen 2015, 191–209, hier: 201.
    • Christiane Rothländer, „Und mit der Hausmusik ging er in den Tod …“. Über das Leben des Wiener Psychoanalytikers Karl von Motesicky, in: Werkblatt. Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik 41, 2 (1998), 2–34, hier: 20–22.
    • Christiane Rothländer, Karl Motesiczky 1904–1943. Eine biografische Rekonstruktion, Wien–Berlin 2010, 19, 227, 309–312, 314.


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