GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Ernst Peter Pick, kMI 1931, kMA 1945


geb. am 18. Mai 1872 in Jermer (Böhmen, heute Jaroměř, Tschechische Republik), gest. am 1. Jänner 1960 in New York (USA)

Ernst Peter Pick wurde 1931 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Er wurde nach dem „Anschluss“ aus rassistischen und politischen Gründen verfolgt. Im Jänner 1939 erklärte Pick seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Der Pharmakologe konnte 1938/39 in die USA emigrieren. 1945 wurde seine Akademiemitgliedschaft reaktiviert.

Pick wurde als Sohn von David Pick (gest. 1902) und seiner Frau Eleonore (gest. 1918) in Jermer (Böhmen, heute Jaroměř, Tschechische Republik) geboren. Er studierte Medizin an der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag und promovierte im Jahr 1896. Anschließend folgte er dem Chemiker Franz Hofmeister (1850–1922) an das Physiologisch-Chemische Institut der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg. Von 1899 bis 1911 war er am staatlichen Serotherapeutischen Institut in Wien bei Richard Paltauf (1858–1924) beschäftigt. Pick habilitierte sich für angewandte medizinische Chemie im Jahr 1904 an der Universität Wien. 1911 wurde er Assistent am Institut für experimentelle Pharmakologie der Universität Wien, geleitet von Hans Horst Meyer. 1912 wurde ihm der Titel eines ao. Professors an der Universität Wien verliehen. 1919 wurde seine venia legendi auf das Gesamtgebiet der Pharmakologie und Toxikologie ausgedehnt. Im selben Jahr wurde er zum Leiter der staatlichen pharmakologischen Arzneimittelprüfstelle bestellt.

1917 erhielt Pick den Titel eines o. Professors, 1924 wurde er als Nachfolger Meyers zum o. Professor und Leiter des Pharmakologischen Instituts ernannt sowie zum Direktor der experimentell pharmakologischen Untersuchungsanstalt bestellt. 1932/33 war er Dekan, 1933 bis 1937 Vizedekan der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Ernst Peter Pick widmete sich unterschiedlichen Gebieten der Pharmakologie, unter anderem der Serologie und  der Immunologie. Die Akademie der Wissenschaften in Wien wählte ihn im Jahr 1931 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI).

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Ernst Peter Pick am 28. Mai 1938 seines Amtes an der Universität Wien enthoben und zwangspensioniert. Am 1. Jänner 1939 erklärte Pick seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen.

Pick emigrierte in die USA. Von 1939 bis 1946 war er als Clinical Professor an der Columbia University in New York tätig. Darüber hinaus wirkte er am Mount Sinai Hospital in New York als Pharmakologe in beratender Funktion. Seine wissenschaftlichen Forschungen setzte er bei der Firma Merck, Sharp und Dohme in Rahway (NJ), die von seinem Schüler Hans Molitor geleitet wurde, bis zu seinem Tod fort. Er verstarb im Jahr 1960 in New York.

Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Ernst Peter Pick als korrespondierendes Mitglied im Ausland (kMA) in die Akademie zurück.

Ernst Peter Pick war unter anderem Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Mikrobiologie, der Deutschen Chemischen Gesellschaft in Berlin und Ehrenmitglied der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft. 1932 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an der Saale sowie korrespondierendes Mitglied der New York Academy of Medicine. 1942 wurde er Mitglied der Rudolf Virchow Medical Society, New York. 1924 hatte Pick den Ignaz-L.-Lieben-Preis der Akademie der Wissenschaften in Wien erhalten. 1950 wurde er für den Nobelpreis vorgeschlagen. 1952 erhielt er das Ehrendoktorat der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. 1957 wurde er mit der „Schmiedeberg-Plakette“ der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft ausgezeichnet. Ernst Peter Pick wurde mit dem Österreichischen Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet und erhielt 1957 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.


Schriften (Auswahl)


  • Ernst Peter Pick, Untersuchungen über die Proteinstoffe, in: Hoppe-Seylers Zeitschrift 24, 3 (1897).
  • Ders. – F. Pineles, Über die Beziehungen der Schilddrüse zur physiologischen Wirkung des Adrenalins, in: Verhandlungen des 25. Kongresses für innere Medizin 1908, 360.
  • Ders. – E. Löwenstein, Studium über Antigenbildung in eiweißfreien Nährmedien, in: Biochemische Zeitschrift 31, 1–2 (1911), 142.
  • Ders. – R. Kolm, Über die Bedeutung des Kaliums für die Selbststeuerung des Herzens, in: Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere 185, 4–6 (1920), 235.
  • Ders., Über Schlaf und Schlafmittel, Wien 1927.
  • Ders., Über Kombinationstherapie, Wien 1927.
  • Ders., Über Änderungen energetischer Vorgänge im Gehirn durch Schlaf- und Erregungsmittel und deren örtliche Begrenzung, in: Klinische Wochenschrift 43, 16 (1937), 1481.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
    • Franz Brücke, k.M. Ernst Peter Pick, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1960, 110. Jg., Wien 1961, 446–459.
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 903–904.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Rudolf Werner Soukup, Ernst Peter Pick 1872–1960. Österreichs bedeutendster Pharmakologe der Zwischenkriegszeit, in: Ders. (Hg.), Die wissenschaftliche Welt von gestern. Die Preisträger des Ignaz-L.-Lieben-Preises 1865–1937 und des Richard-Lieben-Preises 1912–1928. Ein Kapitel österreichischer Wissenschaftsgeschichte in Kurzbiografien (=Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung 4), Wien–Köln–Weimar 2004, 238–243.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 128, 152, 250.
    • Klaus Taschwer, Nachrichten von der antisemitischen Kampfzone. Die Universität Wien im Spiegel und unter dem Einfluss der Tageszeitungen, 1920–1933, in: Magarete Grandner – Thomas König (Hg.), Reichweiten und Außenseiter. Die Universität Wien als Schnittstelle wissenschaftlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Umbrüche (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 3), Göttingen 2015, 99–126, hier: 115.


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