GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

August Loehr, kMI 1933, wM 1945


geb. am 31. März 1882 in Wien, gest. am 11. Juli 1965 in Wien

August Loehr wurde 1933 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Nach dem „Anschluss“ wurde der Numismatiker an der Universität Wien aus rassistischen Gründen zwangspensioniert, er legte im April 1939 seine Akademiemitgliedschaft zurück. 1945 wurde seine Akademiemitgliedschaft reaktiviert, im gleichen Jahr wurde er zum wirklichen Mitglied (wM) gewählt.

Loehr wurde als Sohn des Direktors der Nordbahn August von Loehr in Wien geboren. Er studierte an den Universitäten Wien, Heidelberg und Grenoble die Fächer Geschichte, Geographie, Kunstgeschichte und Altertumswissenschaften und promovierte im Jahr 1905 mit seiner Dissertation über den mittelalterlichen Donauhandel bei Oswald Redlich (1858–1944) an der Universität Wien. 1911 schloss er seine Studien der Rechts- und Staatswirtschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien ab.

Nach Absolvierung des Ausbildungskurses am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (IFÖG) arbeitete er als Bibliothekar des Instituts. 1906 erhielt er eine wissenschaftliche Stelle am Münzkabinett der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (Kunsthistorisches Museum). Hier begann er sich mit der österreichischen Numismatik in der Zeit der Habsburgermonarchie zu beschäftigten und seine Untersuchungen auf das gesamte Geldwesen auszuweiten. 1913 wurde er zum Leiter des Münzkabinetts ernannt. An der philosophischen Fakultät der Universität Wien war Loehr seit 1929 als Honorarprofessor für Numismatik und Geldgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit am Institut für österreichische Geschichte tätig. Loehr, seit 1910 Korrespondent der „k.k. Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale“, wurde 1925 im Denkmalamt Konsulent für Numismatik für das gesamte Bundesgebiet mit einem neu eingerichteten, eigenständigen Referat ausgestattet. Als Vertreter der Österreichischen Landeskommission für geistige Zusammenarbeit nahm er an den Völkerbund-Konferenzen der Jahre 1926 und 1929 teil.

August Loehr wurde am 31. Juli 1938 aus seinem Amt am Kunsthistorischen Museum enthoben und zwangspensioniert. Ebenso wurde er von der Universität Wien entfernt. 1943 wurde er im Rahmen des Arbeitseinsatzes wieder dem Münzkabinett zugeteilt. Mit 16. April 1945 wurde Loehr zum Ersten Direktor des Kunsthistorischen Museum ernannt. An der Universität Wien erhielt er im selben Jahr seine Honorarprofessur zurück. Loehr war maßgeblich am Aufbau des Museums Österreichischer Kultur in der Hofburg beteiligt. 1949 rief er den Verband österreichischer Geschichtsvereine ins Leben. In diesem Jahr ging er am Kunsthistorischen Museum in den Ruhestand. Loehr verstarb 1965 in Wien.

Der Numismatiker, seit 1933 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften, gab in der Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 19. April 1939 die Zurücklegung seiner Mitgliedschaft bekannt. Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Loehr zunächst wieder als korrespondierendes Mitglied im Inland (kMI) in die Akademie zurück. Im selben Jahr wurde er von der Akademie der Wissenschaften zum wirklichen Mitglied (wM) gewählt.

An der Akademie der Wissenschaften war Loehr im Rahmen mehrerer Kommissionen (unter anderem in der UNESCO Kommission) tätig, und er vertrat die Akademie in der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica. August Loehr wurde als langjähriges Mitglied im Jahr 1925 zum Vorsitzenden der Vereinigten Numismatischen Gesellschaft Deutschlands und Österreichs gewählt. Er wurde von der österreichischen Medailleurvereinigung mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet und erhielt das Commandeurkreuz des Ordens der Krone von Italien. 1918 wurde er mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet.


Schriften (Auswahl)


  • August Löhr, Beiträge zur Geschichte des mittelalterlichen Donauhandels, in: Oberbayrisches Archiv 60 (1916), 155–262.
  • Ders., Die Finanzierung des Siebenjährigen Krieges. Ein Versuch vergleichender Geldgeschichte, in: Numismatische Zeitschrift 18 (1925), 95–110.
  • Ders., The Significance of Numismatics as Collecting Activity and Scientific Research, in: The Numismatist 1925, 531–534.
  • Ders., Anfänge der Medaille in Österreich, in: Numismatische Zeitschrift 71 (1946), 1–5.
  • Ders., Das Museum Österreichischer Kultur, in: UNESCO. Monatsschrift für Erziehung, Wissenschaft und Kultur 3 (1948), 119–120.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 19. April 1939 (C2600).
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
      Herbert Haupt, Das Kunsthistorische Museum. Die Geschichte des Hauses am Ring – hundert Jahre im Spiegel historischer Ereignisse, Wien 1991.
    • Eduard Holzmair, Nachruf auf August Loehr, in: Numismatische Zeitschrift 81 (1965), 68–75 (mit Schriftenverzeichnis).
    • Richard Hufschmied, „Ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit und sonstige Bestrittenheit oder Unbestrittenheit“ – Die (un)endliche Geschichte von Karl Renners Museum der Ersten und Zweiten Republik (1946–1998), in: Dirk Rupnow – Heidemarie Uhl (Hg.), Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen – Gedenkstätten – Ausstellungen, Wien–Köln–Weimar 2011, 45–86.
    • Alphons Lhotsky, w.M. August Loehr, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1965, 115. Jg., Wien 1966, 273–283.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Petra Svatek, Raumforschung an der Universität Wien im 20. Jahrhundert. Kontinuitäten und Wandlungen einer multidisziplinären und politisch orientierten Forschungsrichtung, in: Katharina Kniefacz – Elisabeth Nemeth – Herbert Posch – Friedrich Stadler (Hg.), Universität – Forschung – Lehre. Themen und Perspektiven im langen 20. Jahrhundert, Göttingen 2015 (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 1), 241–259, hier: 257.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 113.


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