GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Viktor Moritz Goldschmidt, kMA 1928


geb. am 27. Jänner 1888 in Zürich, gest. am 20. März 1947 in Oslo

Viktor Moritz Goldschmidt wurde 1928 zum korrespondierenden Mitglied im Ausland (kMA) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Der Mineraloge Goldschmidt emigrierte im Jahr 1935 nach Norwegen und 1942 nach Großbritannien. 1941 wurde er aus rassistischen Gründen ausgeschlossen. 1945 wurde seine Akademiemitgliedschaft reaktiviert.

Goldschmidt wurde als Sohn des aus Prag stammenden Universitätsprofessors für Chemie Heinrich Jakob Goldschmidt (1857–1937) in Zürich geboren. Im Jahr 1901 übersiedelte er mit seinem Vater, der einer Berufung an die Universität Oslo folgte, nach Norwegen. Goldschmidt nahm dort die Studien der Mineralogie, Geologie und Chemie auf. 1908 ging er an die Universität Wien, wo er im Jahr 1911 promovierte. Im Jahr darauf erhielt Goldschmidt an der Universität Oslo eine Dozentenstelle, 1914 wurde er zum Professor für Mineralogie und Direktor des Mineralogischen Instituts ernannt. 1929 berief ihn die Universität Göttingen, wo er das Mineralogische Institut begründete. Nach zunehmenden rassistischen Anfeindungen an der Universität emigrierte Goldschmidt 1935 nach Norwegen. Als Professor an der Universität Oslo wurde der Mineraloge 1936 Direktor des Mineralogisch-Geologischen Museums. Ebenso übte er ab diesem Jahr wieder die 1917 angenommene Funktion des Vorsitzenden des norwegischen staatlichen Rohstoffkomitees aus. Im Jahr 1940 wurde Norwegen von der deutschen Wehrmacht besetzt. Goldschmidt wurde mehrmals verhaftet und mit Deportation bedroht. 1942 gelang es ihm, über Schweden nach Großbritannien zu flüchten. Goldschmidt war dort am Macaulay-Institut in Aberdeen und an der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Rothamsted tätig. 1946 kehrte er an die Universität Oslo zurück. Er verstarb 1947 in Vestre Aker nahe Oslo.

Goldschmidt gehörte der Akademie der Wissenschaften in Wien seit 1928 als korrespondierendes Mitglied im Ausland an. Aufgrund eines Erlasses des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung „betreffend das Ausscheiden der nichtarischen korrespondierenden Mitglieder im Ausland“ wurde der Mineraloge aus der Mitgliederliste der Akademie der Wissenschaften per 12. Februar 1941 ausgeschlossen. Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Goldschmidt wieder als korrespondierendes Mitglied im Ausland (kMA) an die Akademie zurück.

Viktor Moritz Goldschmidt zählte zu den führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Geochemie und Kristallchemie. Er wurde 1926 zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an der Saale gewählt, er war weiters Mitglied vieler anderer Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften, Ehrendoktor verschiedener Universitäten. Er war Träger der Wollaston Medal der Geological Society of London und des St.-Olafs-Ordens. Goldschmidt wurde elf Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen. Die Deutsche Mineralogische Gesellschaft vergibt den Victor-Moritz-Goldschmidt-Preis an junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Die Geochemical Society of London verleiht den V. M. Goldschmidt Award für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Geochemie und Kosmochemie. Dieser Preis wird jährlich im Rahmen einer nach ihm benannten Konferenz verliehen.


Schriften (Auswahl)


  • Victor Moritz Goldschmidt, Die Kontaktmetamorphose im Kristianiagebiet, Kristiania 1911.
  • Ders., Geologisch-petrographische Studien im Hochgebirge des südlichen Norwegens, 5 Studien, Kristiania 1912–1921.
  • Ders., Geochemische Verteilungsgesetze der Elemente, 9 Studien, Kristiania 1923–1938.
  • Ders., Cl. Peters, Zur Geochemie des Arsens, in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften. Math.-phys. Kl., Fachgruppe 4, N. F. 1, 2 (1934), 12–22.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 16. Mai 1941 (A962).
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
    • Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Bodleian Library, University of Oxford (File 492/2).
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 396.
    • Brian Mason, Victor Moritz Goldschmidt. Father of Modern Geochemistry, San Antonio 1992.
      F.[elix] Machatschki, k.M. Victor Moritz Goldschmidt, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1947, 97. Jg., Wien 1948, 325–328.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.


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