GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Emil Abel, kMI 1929, kMA 1945


geb. am 2. Juni 1875 in Wien, gest. am 3. April 1958 in London

Emil Abel wurde 1929 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt. Im Jänner 1939 erklärte Abel seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Der physikalische Chemiker Abel emigrierte im Februar des selben Jahres nach Großbritannien. 1945 wurde seine Akademiemitgliedschaft reaktiviert.

Abel wurde als Sohn des aus Böhmen stammenden Rechtsanwalts Alexander Abel (1837–1877) und seiner Frau Hermine (1846–1923), geb. Bondi, in Wien geboren. Im Herbst 1893 begann er an der Chemischen Fachschule der Technischen Hochschule in Wien zu studieren, im Jahr 1898 absolvierte er die abschließende zweite Staatsprüfung. 1898 nahm er am Institut für Physikalische Chemie an der Universität Göttingen, geleitet von Walther Nernst (1864–1941), das Studium auf. Emil Abel promovierte im Jahr 1901 mit seiner Dissertation „Über das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Oxydationsstufen desselben Metalles“ an der Universität Göttingen und habilitierte sich 1905 an der Technischen Hochschule in Wien für Physikalische Chemie. Im Jahr 1909  habilitierte er sich im Fach Chemie mit besonderer Berücksichtigung der Physikalischen Chemie. 1911 erhielt der den Titel eines ao. Professors. 1918 wurde er ao. Professor und 1923 zum o. Professor und Vorstand des neu begründeten Instituts für Physikalische Chemie an der Technischen Hochschule in Wien ernannt.

Von der Akademie der Wissenschaften in Wien wurde Emil Abel im Jahr 1929 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) gewählt. Er gehörte auch der Technischen Kommission (seit 1929) und der Kommission für die Monatshefte für Chemie (seit 1934) an der Akademie an.

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Emil Abel am 14. März 1938 von der Technischen Hochschule beurlaubt und seines Amtes enthoben. Ihm wurde das Betreten seines Instituts untersagt. Sein erster Emigrationsversuch scheiterte im September 1938, wie seine Frau Camilla, die mit der Tochter Marianne und Abels Bruder Paul ausreisen durfte, in einem Schreiben an den Under-Secretary of State, Aliens Department, December 1938 ausführte: „Two hours before our departure at 9 o’clock in the evening an officer of the Gestapo appeared in our flat and he took away my husband’s passport, thus preventing him from leaving Vienna. […] My husband's departure was forbidden because the German authorities suddenly declared that German professors may not leave the country, in spite of being forbidden to work scientifically nor even to visit scientific libraries.“

Am 9. Dezember 1938 wurde er von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft aufgefordert, seine Mitgliedschaft niederzulegen. Am 4. Jänner 1939 erklärte Abel seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um seinem Ausschluss zuvorzukommen.

Im März 1939 konnte er nach Großbritannien emigrieren. Hier war er als Forschungschemiker der Palestine Potash Ltd. an einem Laborplatz des University College in London bis 1940 tätig. Anschließend war er Leiter des Research Departments der Ever Ready Company Ltd., eines Trockenbatterieherstellers. Für diese Firma beantragte er im Jahr 1944 ein Patent. Emil Abel wurde am 13. November 1946 die britische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Jahr 1946 nahm Abel wieder brieflich Kontakt zur Technischen Hochschule in Wien auf und bliebt ihr bis zu seinem Tod als Gastvortragender verbunden. 1948 ging der Chemiker in den Ruhestand. Er verstarb im Jahr 1958 in London.

Emil Abel zählte zu den weltweit führenden physikalischen Chemikern. 1916 war er von der Akademie der Wissenschaften mit dem Haitinger-Preis ausgezeichnet worden. 1909 war er zum fachkundigen Mitglied des österreichischen Patentamtes ernannt worden, im Jahr 1937 zum fachkundigen Mitglied des Patentgerichtshofes. 1945 wurde er Member der Royal Institution of Chemistry, 1947 Fellow der Royal Institution of Chemistry und 1948 durch Wahl Ehrenmitglied des Vereins Österreichischer Chemiker. 1949 erhielt Abel das Goldene Ingenieurdiplom der Technischen Hochschule in Wien.

Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Abel wieder in die Akademie zurück; nunmehr, in London lebend, als korrespondierendes Mitglied im Ausland (kMA).

 


Schriften (Auswahl)


  • Emil Abel, Über das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Oxydationsstufen desselben Metalles, Dissertation, Universität Göttingen 1901.
  • Ders., Theorie der Hypochlorite, Leipzig, Wien 1904.
  • Ders., Über die Bedeutung der Elektrochemie für die theoretische Chemie (Habilitationsrede), in: Österreichische Chemiker-Zeitung 13 (1910), 94.
  • Ders., Kinetik der Wasserstoffsuperoxyd-Jod-Reaktion, in: Zeitschrift für Physikalische Chemie 96 (1920), 1.
  • Ders., Photochemische Kinetik der Reaktion zwischen Oxalsäure und Jod, in: Zeitschrift für Physikalische Chemie 163 (1933), 53.
  • Ders. – J. Proisl, Kinetik der untersalpetrigen Säure, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Bd. 147, Abt. 2b, Wien 1938, 77–97.
  • Ders., On the Kinetics of Nitric Acid, in: Transactions of the Faraday Society 40 (1944), 544.
  • Ders., Mechanismus und Kinetik der Wasserstoffentwicklung aus alkalischer Lösung von Formaldehyd und Wasserstoffperoxyd, in: Zeitschrift für physikalische Chemie 7 (1956), 101.

 


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
    • Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Bodleian Library, University of Oxford (File 208/1).
    • Archiv der Universität Wien, Phil. Fak., Personalakt.
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 3.
    • Michaela Kaiser, Die Geschichte der Lehrkanzel für Technische Elektrochemie an der Technischen Hochschule Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Diplomarbeit, Technischen Universität Wien 2011.
    • Otto Kratky, k.M. Emil Abel, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1960, 110. Jg., Wien 1961, 417–437.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Juliane Mikoletzky, Von jeher ein Hort starker nationaler Gesinnung. Die Technische Hochschule in Wien und der Nationalsozialismus (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien 8), Wien 2003, 18, 21, 23, 43.
    • Neues Wiener Tagblatt, 25.12.1909, 77.
    • Otto Redlich, Emil Abel, in: Österreichische Chemiker-Zeitung 59,11–12 (1958), 149–150.
    • Wiener Zeitung, 16.10.1918, 1.
    • Wolfgang L. Reiter, Das Jahr 1938 und seine Folgen für die Naturwissenschaften an Österreichs Universitäten, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft (= Emigration – Exil – Kontinuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung 2), Münster 22004, 664–680, hier: 667.

     


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