20.06.2022

BepiColombo nimmt erneut Kurs auf Merkur

Die europäisch-japanische Raumsonde nähert sich zum zweiten Mal ihrem Zielplaneten.

© ESA/ATG medialab

Die Raumsonde BepiColombo, eine Kooperation zwischen der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA, wird sich am 23. Juni zum zweiten Mal ihrem Zielplaneten nähern, um die Anziehungskraft des Merkurs für eine Bahn- und Geschwindigkeitsänderung zu nutzen. Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das führend an drei Messgeräten beteiligt ist, erwartet mit Spannung neue Nahaufnahmen und Messdaten aus der extrem dünnen Merkuratmosphäre.

Reise ins innere Sonnensystem

BepiColombo ist auf einer ausgeklügelten Flugbahn mehr als sieben Jahre lang zum Planeten Merkur unterwegs und legt dabei eine Strecke von neun Milliarden Kilometern zurück. Nach dem Start im Oktober 2018 flog die Raumsonde im April 2020 an der Erde vorbei, bremste im Oktober 2020 und August 2021 zweimal an der Venus ab und absolviert nun den zweiten von insgesamt sechs Merkur-Vorbeiflügen (Oktober, 2021, Juni 2022, Juni 2023, September und Dezember 2024 und Jänner 2025). Im Dezember 2025 ist BepiColombo dann endgültig am Ziel. Kompliziert ist die Reise vor allem durch Merkurs Nähe zur Sonne. Wegen ihrer enormen Schwerkraft erfordert es viel Energie, die Flugbahn der Raumsonde so anzupassen, dass sie letztendlich in eine Umlaufbahn um den innersten, kleinsten und am wenigsten erforschten Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems einschwenken kann.

Bilder und „Töne“ vom ersten Merkur-Vorbeiflug

Bereits am 2. Oktober 2021 wagte sich BepiColombo bis auf 200 Kilometer an den höllisch-heißen Merkur heran. Da die Raumsonde jedoch auf der Nachtseite des Planeten ankam, waren die Bedingungen nicht ideal, um Bilder aus nächster Nähe aufzunehmen. Die Aufnahmen, die dann aus rund 1000 Kilometer Entfernung gemacht wurden, begeisterten aber nicht nur die Fachwelt (Video 2).

„Für einige Instrumente an Bord war es der Beginn ihrer wissenschaftlichen Datensammlung und eine Chance, sich auf die Hauptmission vorzubereiten“, sagt Wolfgang Baumjohann.

Das IWF ist an den Magnetfeldmessgeräten auf beiden Raumsonden – Mio (Magnetosphärischer Orbiter) und MPO (Planetarer Orbiter) – und am Ionenspektrometer PICAM auf MPO beteiligt. Finanziert wurden die IWF-Beiträge von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Beide Magnetometer (MPO-MAG und Mio-MGF) waren während des ersten Merkur-Vorbeiflugs durchgehend eingeschaltet. „Für einige Instrumente an Bord war es der Beginn ihrer wissenschaftlichen Datensammlung und eine Chance, sich auf die Hauptmission vorzubereiten“, sagt Wolfgang Baumjohann, der die wissenschaftliche Leitung für das Mio-MGF innehat. So zeichneten zum Beispiel die Sensoren von MPO-MAG, die am bereits ausgeklappten Boom sitzen, Details des Sonnenwinds und des Magnetfelds um Merkur auf. Für das Magnetometerteam war es sogar besonders spannend.

"BepiColombo hat nun erstmals Daten von der südlichen Hemisphäre des Planeten nahe der Oberfläche gesammelt“, so Daniel Schmid.

„Bisher konnte nur die nördliche Merkur-Hemisphäre von der MESSENGER-Mission der NASA magnetisch vermessen werden. BepiColombo hat nun erstmals Daten von der südlichen Hemisphäre des Planeten nahe der Oberfläche gesammelt“, so Daniel Schmid, beteiligter Wissenschaftler im Magnetometerteam. Die mit dem MPO-MAG erfassten Daten wurden sonifiziert. Dadurch konnten nicht nur das An- und Abschwellen des planetarischen Magnetfeldes, sondern auch der Sonnenwind hörbar gemacht werden.

Auch PICAM nutzte die Gelegenheit für frühe In-situ-Messungen und war während des ersten Merkur-Vorbeiflugs etwa 24 Stunden lang eingeschaltet. Das Instrument konnte zum ersten Mal Ionen sowohl auf der Tag- als auch auf der Nachtseite des Planeten einfangen. Die Messungen werden im internationalen Team gerade ausgewertet, eine baldige Veröffentlichung der Ergebnisse ist geplant.

Zweites Einfangmanöver am Merkur

„Die Fähigkeit der Ionenkamera, durch schnelle Messungen mit einer Integrationszeit von nur 250 Millisekunden pro Einstellung quasi Schnappschüsse zu erstellen, wird benötigt, um die hochdynamischen Prozesse in den Randgebieten der Merkur-Magnetosphäre zu erfassen und abzubilden,“ erklärt Gunter Laky.

Am 23. Juni wird BepiColombo nun das fünfte von insgesamt neun „Gravity-Assist“-Manövern absolvieren und dabei die Schwerkraft des Planeten Merkur nutzen, um die Bahn und Geschwindigkeit fast ohne den Einsatz von Antriebsdüsen und Treibstoff zu verändern. Für den zweiten Vorbeiflug am Zielplaneten plant das PICAM-Team den Einsatz und Test von Betriebsmodi mit hoher zeitlicher Auflösung. „Die Fähigkeit der Ionenkamera, durch schnelle Messungen mit einer Integrationszeit von nur 250 Millisekunden pro Einstellung quasi Schnappschüsse zu erstellen, wird benötigt, um die hochdynamischen Prozesse in den Randgebieten der Merkur-Magnetosphäre zu erfassen und abzubilden,“ erklärt IWF-Forscher Gunter Laky, Mitglied im PICAM-Team. Mit dem Einschalten des Instruments bereits einen Tag vor dem eigentlichen Vorbeiflug und dem anschließenden – dann fast ununterbrochen – Betrieb für 72 Stunden ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, das Verhalten und die Zuverlässigkeit des Instrumentes bei Langzeitmessungen zu studieren.

Das Magnetometerteam erhofft sich vom zweiten Merkur-Vorbeiflug ein noch besseres Verständnis des Magnetfeldes rund um den Merkur. BepiColombo wird wieder an der südlichen Hemisphäre vorbeifliegen und sich dem Planeten dabei auf 200 Kilometer nähern. „Diesmal wird die Raumsonde aber auch die Tagseite erkunden und ein besonderes Augenmerk auf die Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und dem schwachen internen Magnetfeld des Merkurs legen,“ so Schmid.

 

Weitere Informationen bei der ESA:

BepiColombo lines up for second Mercury flyby

 

Kontakt

Prof. Dr. Wolfgang Baumjohann (wissenschaftliche Leitung Mio-MGF)
M +43 664 3865347
baumjohann(at)oeaw.ac.at

Dr. Daniel Schmid (MPO-MAG und Mio-MGF)
T +43 316 4120-672
daniel.schmid(at)oeaw.ac.at

DI Gunter Laky (PICAM)
T +43 316 4120-532
gunter.laky(at)oeaw.ac.at