Der österreichische Gentechnik-Konflikt im internationalen Zusammenhang

Es sind zwei große Herausforderungen, denen liberale Demokratien sich heute gegenüber sehen:

Zum einen setzt die freie Zirkulation von Geld, Waren und Wissen politischem Handeln auf Ebene des Nationalstaates enge Grenzen. Sie beraubt herkömmliche Politik der Kapazität, auf demokratischem Weg erzielte Entscheidungen auch umzusetzen. Zum anderen wächst die Komplexität von Entscheidungsmaterien. Sie werden für den Normalbürger unüberschaubar und unverständlich, zur Domäne spezialisierter Eliten. Zum ersten zieht die Globalisierung der Ökonomie die Supra- und Internationalisierung der Politik nach sich, zum zweiten treten neue Konfliktformen in den Vordergrund, charakterisiert durch hohe Abhängigkeit von wissenschaftlicher Expertise bei gleichzeitigem Unvermögen der Wissenschaft, diese Konflikte zu beenden, und gesteigerten, systemexternen Ansprüchen auf Mitbestimmung.

Am österreichischen Konflikt um die Gentechnik lassen sich diese beiden Herausforderungen studieren. Nachdem bis zum Jahr 1995 trotz intensiver legislativer Aktivität (parlamentarische Enquente-Kommission, österreichisches Gentechnikgesetz) keine nennenswerte öffentliche (d.h. Medien-) Debatte zu dem Thema stattgefunden hatte, kam es 1996 anläßlich der ersten Freisetzungsanträge für genetisch modifizierte Pflanzen zu einer plötzlichen politischen Eskalation. Ein Volksbegehren im Jahr darauf brachte ein deutliches Votum für eine gentechnik-averse Politik.

Diese Studie unternahm nun eine umfassende Darstellung dieses Konfliktes. Gemäß der Ausgangsfragestellung war deren Rahmen entsprechend weit gesteckt. Eine Beschränkung auf die österreichischen Ereignisse allein wäre zu eng gewesen. Einerseits war also dem langfristigen internationalen Verlauf des Konfliktes Rechnung zu tragen, d.h. der Entwicklung seit den siebziger Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in den USA, den europäischen Nationalstaaten, der EG bzw. EU und den beteiligten internationalen Organisationen, Verhandlungen und Vertragsprojekten (OECD, WTO, GATT, Rio etc.).
Weiters waren die Entwicklungen in den ebenfalls internationalen Expertenöffentlichkeiten darzustellen, insbesondere die Evolution von Risikokonzepten in den verschiedenen Zweigen regulatorischer Wissenschaft. Im Vordergrund stand bei dieser Rekonstruktion stets das Wechselspiel von öffentlicher Meinung, Politik und Wissenschaft/Technologie. Andererseits wurde besonderer Akzent auf die österreichische Entwicklung im gleichen Zeitraum gelegt: Enquete-Kommission, die Phase der Gesetzgebung, die öffentliche Mobilisierung zum Volksbegehren und die innerösterreichischen Konsequenzen desselben. Weiters wurde der Frage nachgegangen, in welcher Form und inwieweit sich die österreichische Position auf Ebene von EU-Entscheidungsgremien und laufenden regulatorischen Debatten durchsetzen konnte.
Die letzte Phase der Geschichte bildete ein eingehender Blick auf die internationale Geschehnisse, einerseits die Kaskade von europaweit aufbrechenden Gentechnik-Konflikten nach 1996 (am intensivsten in Irland, Griechenland, Frankreich, Großbritannien), andererseits der sich anbahnende transatlantische Handelskonflikt um die Kennzeichnung gentechnisch modifizierter Lebensmittel sowie dessen Schlichtungsversuche auf OECD-Ebene.

Den Abschluß bildete eine demokratietheoretische Evaluation des internationalen sowie österreichischen Gentechnik-Konfliktes. Sie fiel ambivalent aus.

Laufzeit

01/1999 - 12/2000