Epoetin (rekombinates menschliches Erythropietin; EPO) kommt in der Onkologie bei der Behandlung von Tumoranämien zum Einsatz.
EPO wird in Österreich in einem weit breiteren Indikationsrahmen eingesetzt als in der zentralen EMEA Registrierung festgehalten. In einer lokalen Registrierung Anfang der 90er Jahre wurde EPO in Österreich, als einem der ersten Länder weltweit, registriert. Die zentrale Registrierung bei der EMEA, die bei einem gentechnologisch hergestellten Produkt erforderlich ist, schränkte diese weit gefasste Indikation auf Patienten mit Platin-hältiger Chemotherapie ein. In Österreich wird EPO unverändert bei den meisten Patienten mit Tumoranämie eingesetzt.
In diesem Health Technology Assessment wurde der Einsatz von EPO bei Tumoranämie aus medizinischer und gesundheitsökonomischer Perspektive analysiert und soll eine wissenschaftliche Entscheidungsbasis bilden.
Die großen Vorteile einer EPO-Therapie bestehen im Erreichen konstanter Hb-Spiegel und im Verzicht auf Bluttransfusionen, allerdings ist dies nicht immer möglich. Wichtig ist der Einfluss der Anämiesymptome auf die Lebensqualität der Tumorpatienten. In Studien mit niedrigen Ausgangs-Hämoglobin (Hb)-Werten kommt es zu einer signifikanten Lebensqualitätssteigerung in Korrelation zum Hb-Anstieg. Aus gesundheitsökonomischer Sicht haben eine korrekte Anämiediagnose und die Früherkennung von Nonrespondern oberste Priorität. Gesundheitsökonomische Studien zeigen, dass Die EPO-Therapie eine außergewöhnlich teure, supportive Therapie ist. Handlungsoptionen umfassen interne Qualitätssicherung (Auditing) und externe Anwendungsüberprüfung (Controlling) und betreffen intra- wie extramurale Entscheidungsträger (Spitalserhalter und Sozialversicherungen).
Die Diskussion um Rationierung vs. Rationalisierung von Leistungen im Gesundheitswesen ist vor allem für die Ausrichtung der Gesundheitspolitik von Bedeutung. Konkrete Evaluationenen haben dabei zumeist medizinischen Interventionen in der Grauzone zwischen Rationierung, d.h. dem Vorenthalten wirksamer Gesundheitsleistungen, und Rationalisierung, d.h. der Eliminierung eindeutig unwirksamer Interventionen, zum Inhalt. Als Exempel dient ein Assessment zu Erythropoietin bei Tumoranämien. Die Ergebnisse der Behandlung Tumor-induzierter Anämien mit EPO sind teilweise unbefriedigend: Nur 50-60% anämischer Tumorpatienten sprechen auf EPO an, von diesen "Respondern" müssen 20-30% weiterhin Bluttransfusionen erhalten. Das Assessment legt die wissenschaftliche Basis für einen "angemessenen" Einsatz von Erythropoietin bei Tumoranämien offen und schlägt Richtwerte für einen begrenzten Einsatz von EPO vor. Es macht Aussagen zu gesichertem und fraglichem Nutzen für Tumorpatienten. Die Implementierung der Ergebnisse des Assessments in die klinische Praxis kann als "explizite Rationierung nach Wirksamkeitskriterien" bezeichnet werden.
01/2000 - 07/2000