Fr, 25.11.2022 16:00 | Kategorie Blog

Botschafter Dr. Martin Sajdik

Als Botschafter war Dr. Martin Sajdik auf der ganzen Welt im Einsatz. Beim Studienstiftungsgespräch im Dachpavillon der ÖAW diskutierten zwölf Studierende mit ihm über politische Entwicklungen während seiner Amtszeit. Und über einsatzorte von Genf bis nach New York.

 

Von Genf bis New York                                                                                                                                                                                                                              Den Wunsch, Diplomat zu werden, gab es für Martin Sajdik bereits seit seiner Kindheit. Er besuchte das Theresianum in Wien, entdeckte dort sein Interesse für die russische Sprache, studierte anschließend Rechtswissenschaften an der Universität Wien, der Lomonossow-Universität in Moskau und an der Johns-Hopkins-Universität in Bologna. 1975 startete seine diplomatische Karriere, die ihn unter anderem nach Genf, Moskau, ins österreichische Außenministerium, nach China und nach New York führte.

An seine Ziele glauben
Bei den Vereinten Nationen war Sajdik als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter und ab 2014 als Präsident des Wirtschafts- und Sozialrates tätig. Dabei war er maßgeblich an der Entwicklung der ‘Ziele für nachhaltige Entwicklung’ (SDGs), speziell am Ziel 16 ‘Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen’ beteiligt. In dessen Mittelpunkt steht friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, allen Menschen Zugang zum Recht zu ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen. “Man hätte sich damals nicht vorstellen können, dass ein solches Ziel in eine globale Entwicklungsagenda aufgenommen wird. Ich bin durchaus stolz darauf, was wir erreicht haben. Man kann sich denken, dass es genug Länder gab, die nicht gerade erfreut darüber waren, dass ein solches Ziel in den SDGs steht. Aber als Power-Trio, gemeinsam mit dem Botschafter von Liechtenstein und der Botschafterin von Timor-Leste, sind wir unglaublich weit gekommen. Das zeigt: Wenn man in der multilateralen Demokratie an etwas glaubt, kann man Bedeutendes erreichen!“

Im Dienste der Menschen
2015 führte Martin Sajdik als Ukraine-Sondergesandte der OSZE die trilateralen Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in Minsk - die schwierigste Zeit seiner Karriere, wie er selbst sagt. “Zwischen ‘gestandenen’ Politikern, wie dem ehemaligen Präsidenten der Ukraine, Leonid Kutschma und dem früheren russischen Parlamentspräsidenten Boris Gryslow, muss man erstmal soweit kommen, dass man als Vermittler anerkannt wird. Dazu gehört es einerseits, die Sprache verhandlungssicher zu beherrschen - das ist im Russischen eine Herausforderung für sich! Außerdem braucht man Geduld, detailliertes Fachwissen zur Situation und viel Witz und Humor.“ Dass die Minsker Verträge nur schwer umzusetzen waren, war Sajdik bald klar. „Aber angesichts des Leides der Bevölkerung hatten wir eine große humanitäre Aufgabe zu bewältigen. Es ging darum, die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu erhöhen, über Minen aufzuklären und die Entminung voranzutreiben. Wir haben es geschafft, dass 2019 erstmals kein Kind aufgrund von Minen sein Leben verloren hat.”

Mit der Realität leben
Zur politischen Beziehung mit Russland äußerte sich Sajdik offen und persönlich: “Der Zerfall der Sowjetunion war für Europa eine Zeitenwende. Zwischen Österreich und Russland wurden hervorragende Geschäfte gemacht, das Verhältnis war von beiden Seiten sehr gut und friktionsfrei. Österreich hat sich allerdings dabei in eine große Abhängigkeit von russischem Gas begeben. Kolleg/innen und ich haben im Außenministerium damals darauf aufmerksam gemacht, zumal die Russen bereits 2008 verkündet haben, dass sie eine Supermachtpolitik der Energie anstreben. Auch die Entwicklung zu einem immer nationalistischeren Staat war lange absehbar. Ich bin im Sinne einer gelebten Neutralität dafür, weiterhin mit Russland zu reden und Beziehungen zu pflegen – allerdings ohne Abhängigkeit. Einfach zu sagen, wir wollen mit Russland nichts mehr zu tun haben, hieße, die Realität zu ignorieren.“

Von anderen Kulturen lernen
Was kann Martin Sajdik aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen den Studienstiftler/innen nun mit auf ihren Weg geben? “Wenn Sie in der Diplomatie Fuß fassen wollen, beispielsweise ein Verwaltungspraktikum im Ausland anstreben, kann ich Ihnen keine geografische Empfehlung mitgeben. Jedes Land für sich ist interessant und es hängt von Ihnen ab, was Sie daraus machen. Ich habe beispielsweise 1968 als Student in der Außenhandelsstelle in Nairobi gearbeitet. Wer ist damals schon nach Nairobi gegangen? Dass ich dort viele spannende Eindrücke sammeln und Ostafrika bereisen durfte, hat mich für mein ganzes Leben stark beeinflusst. Meine Empfehlung: Seien und bleiben Sie weltoffen!“

Zur Person Dr. Martin Sajdik, Austrian Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES) Senior Advisor und Board Member, ehem. österreichischer Botschafter bei den Vereinten Nationen und Ukraine-Sondergesandter der OSZE

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Zeitraum: Freitag, 25. November 2022, 16:00–17:30 Uhr
Ort: Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften (Dachpavillon), Dr. Ignaz Seipel-Platz 1, 1010 Wien