22.11.2022

Kärntens Frühmittelalter neu gedacht

Der Beitrag des ÖAI für das neu eröffnete kärnten.museum

143 Jahre nach seiner Errichtung, damals noch als Rudolfinum, eröffnete das kärnten.museum nun am 20. November 2022 seine Pforten (© ÖAW-ÖAI/S. Ladstätter)

Am Sonntag den 20. November 2022 wurde das kärnten.museum in Klagenfurt nach mehrjähriger Schließung feierlich neu eröffnet. Nun zeigt sich das Haus mit einer komplett neu gestalteten Dauerausstellung, die sich der auch komplexen und durchaus kontroversiell rezipierten Geschichte des südlichsten Bundeslandes Österreichs stellt. Das Österreichische Archäologische Institut war intensiv in die Gestaltung des Abschnitts »Spätantike und Frühmittelalter« eingebunden. Konzipiert durch Sabine Ladstätter, Magdalena Srienc-Ściesiek, Alfred Galik und Andreas G. Heiss, sind zahlreiche Ergebnisse aus den jüngsten, von Helmut Schwaiger geleiteten Ausgrabungen um die und in der Filialkirche Johannes der Täufer in Jaunstein/Podjuna in die Exponate eingeflossen (siehe die ÖAI-Jahresberichte aus 2018, 2019 und 2020).

Die Spätantike in Kärnten ist gekennzeichnet durch eine Auflösung römischer Siedlungsmuster und die Erschließung von leicht zu verteidigenden Höhen, aber auch durch eine tiefgreifende Christianisierung der ansässigen Bevölkerung. An die Stelle staatlicher Organisationformen traten sukzessive Selbstverwaltung und Subsistenzwirtschaft. Eigenversorgung und häusliche Produktionsformen kennzeichnen sowohl die Landwirtschaft als auch das Handwerk dieser Epoche.

Mit der Migration slawischer Bevölkerungsgruppen in den Ostalpenraum kommt es zur Gründung von kleinen Dörfern entlang von Flussläufen, die in vielen Fällen eine Kontinuität bis in die Gegenwart aufweisen. Diese Tatsache sowie das Phänomen ephemerer Architektur und die Tradition der Brandbestattung sind die Gründe dafür, warum vom slawischen Frühmittelalter Kärntens nur wenig erhalten blieb. Erst durch die im 8. Jahrhundert einsetzende Christianisierung der Bevölkerung und eine damit einhergehende Änderung der Bestattungssitten sowie der Bau von Kirchen änderte das Bild ein wenig.

Eine museale Darstellung dieser Epoche stellt demnach eine große Herausforderung dar, bietet aber auch die Möglichkeit, neue bzw. innovative Forschungsansätze in der Archäologie einem breiten Publikum näher zu bringen. Federführend dabei war die Biologische Anthropologin Magdalena Srienc-Ściesiek. Für ihre Doktorarbeit an der Universität Wien hat sie erfolgreich ein DOC-Stipendium der ÖAW und ein Marietta Blau-Stipendium des BMBWF eingeworben und wendet neben »klassischen« Methoden wie Altersbestimmung, Geschlechtsbestimmung und Paläopathologie auch DNA- und Isotopenanalysen an, um der Lebensweise der frühmittelalterlichen Jauntalerinnen und Jauntaler auf die Spur zu kommen. Weitere am ÖAI durchgeführte Analysen, gefördert durch die Abteilung Kunst und Kultur des Landes Kärnten, betreffen Tierknochen und verkohlte Pflanzenreste. Diese dienen der Erfassung der Alltagsnahrung der frühmittelalterlichen Bevölkerung. Herzlicher Dank ergeht an Karina Grömer (Naturhistorisches Museum Wien) und Regina Hofmann-De Keijzer (Universität für Angewandte Kunst Wien) für ihre wertvollen Beiträge zu Textilien und Färbepflanzen.

In enger Zusammenarbeit ist es dem Forscher:innenteam gelungen, die frühmittelalterliche Lebenswelt zu erschließen und den Menschen mit seiner Alltagskultur in das Zentrum der Darstellung zu rücken. Denn trotz der schwierigen Überlieferungssituation wurden im Frühmittelalter grundlegende Weichen gestellt, die bis in die Gegenwart nachwirken. Dies betrifft sowohl die Siedlungsstruktur mit dem Dorf als konstituierendem Element, aber auch die Bevölkerungsstruktur des Bundeslandes, die sich aus romanischen, slawischen und bajuwarischen Elementen zusammensetzte.

Die innovative Umsetzung des Konzepts erfolgte durch Left Studio GmbH und the spell GmbH in Form einer hybriden Präsentation, die Objekte und Schautafeln mit Augmented-Reality-Inhalten einer mobilen App kombiniert. Dies ermöglicht den Besucher:innen, über zusätzliche Infotexte und 3D-Modelle direkte Blicke in die Forschungsarbeiten und die dabei angewandten Methoden zu werfen. Die digitalen Inhalte können außerdem laufend auf den neusten Forschungsstand aktualisiert werden.

 

kärnten.museum | Museumgasse 2, 9021 Klagenfurt am Wörthersee
Ganzjährig geöffnet!
Di bis So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr