Beile/Dechsel und Mahlsteine stellen die Hauptwerkzeuge der Neolithisierung dar. Beide Kategorien sind zentrale Innovationen des Neolithikums und erfahren zu Beginn dieser Epoche funktionale und formale Entwicklungen: die Beile/Dechsel werden geschäftet und die Mahlsteine entwickeln sich zu Geräten zur Nahrungszubereitung mit standardisierten Formen und vielfältigen Zwecken.
Traditionell werden Beile mit der Gewinnung von Anbauflächen durch Rodung, umfangreichem Hausbau und Mahlsteine mit der Verarbeitung von Getreide im Kontext der Etablierung von Ackerbau und Viehzucht als Hauptsubsistenzquellen und einer ortsgebundenen Lebensweise verknüpft. Auch weil ihre Funktion so eindeutig schien, wurden in Mitteleuropa relativ wenige funktionale Studien mit dem Methodenrepertoire der Spurenanalyse durchgeführt, während experimentalarchäologische Untersuchungen insbesondere auf ein Verständnis der Effektivität, weniger der Nutzungsweise, zielten. Studien an ähnlichen Geräten aus Südwestasien sowie wenige jüngere Arbeiten zu neolithischen Geräten Mitteleuropas weisen jedoch auf eine Multifunktionalität dieser Gerätkategorien hin. Zudem konnten experimentalarchäologische Verfahren anhand von Spuren und Deformationen der Arbeitsflächen regionalspezifische Arbeitstechniken für die Herstellung spezifischer Produkte differenzieren. Bisherige use-wear Ansätze beruhen häufig auf Analyseverfahren, deren Grundlage kurze, statistisch nicht repräsentative Experimente mit nicht reproduzierbaren Ergebnissen sind.
Das vorliegende Projekt soll diese Problematik anhand von Artefakten aus neolithischen Artefakten aus Westanatolien (Çukuriçi Höyük), Südosteuropa (Svinjarička Čuka) sowie Mitteleuropa (Mittel-Elbe Saale Gebiet und Baden-Württemberg) untersuchen.
Dabei wird eine kombinierte, innovative Methodologie basierend auf Langzeitexperimenten mit Replikaten, makro- und mikroskopischen Spurenanalysen und Geometrischer Morphometrie angewandt, um Nutzungen, Multifunktionalität, Einsatzintensitäten, Reparaturen und Recycling zu identifizieren. Aufgrund von Langzeitexperimenten soll eine Open Access Referenzkollektion erstellt werden.